Review Rock

Anika

Change

Invada • 2021

Kein Wunder, dass das so lange dauerte: Als vor elf Jahren das erste Solo-Album von Annika Henderson als Anika erschien, war ja bereits bekannt, dass die 1987 in UK geborene und heute in Berlin arbeitende Künstlerin besonders umtriebig ist. Dichterin, Musikerin, Filmemacherin, Radiomoderatorin und Fotografin stehen in ihrer Vita. Weswegen sie als Anika erst einmal kein neues Album veröffentlichte. Was nicht heißt, dass Henderson auf Seiten der Musik nichts gemacht hat – im Gegenteil. Veröffentlichungen mit Shackleton und Exploded View gab es in den letzten Jahren. Und jetzt folgt dann mal wieder etwas von Anika: »Change«, ihr zweites Album. Die Scherben von Post-Punk finden sich in diesem Entwurf von Elektronik und Dub zwar noch, wie sich bereits am Titelstück zeigt und Hendersons Gesang erinnert dazu einmal mehr an Nico. Doch im Vergleich zum Vorgänger geht es schwerer und sphärischer zu. Der Ansatz ist mitnichten futuristisch. Ein Stück wie »Naysayer« hat in seiner Elektronik mehr mit den 1980er Jahren als dem 21. Jahrhundert zu tun. Trotzdem verfällt Anika nie in Nostalgie, sondern verfolgt auch auf dem zweiten Album ihren eigenen Ansatz von Sound. Was die Songs deutlich eindringlicher und erinnerungswürdiger macht, als auf ihrem Debüt, das immerhin Geoff Barrow von Portishead produzierte. Am Ende ist das auch alles weiterhin mehr Kunsthalle als Konzertbühne. (Wo sonst wäre ein Titel wie »Sand Witches« noch ernsthaft okay?) Aber ein Stampfer wie »Freedom« will sowieso nur direkt ins Kleinhirn. Das Distinktionsgehabe mag abschrecken, aber es findet sich eben sehr viel Gespür von Anika für diesen Sound, für die Rohheit dieser Ästhetik. Dazu passt, dass sie selbst sagt, dass sie die Texte kurzerhand schrieb. »Sie sind ein Erbrechen von Emotionen, Ängsten, Empowerment und Gedanken wie: Wie kann es weitergehen? Wie können wir weitermachen?«, sagt Henderson ja selbst. Die letzten beiden Jahre hinterlassen ebenfalls hier ihre Eindrücke. Und in »Wait for Something« kommt dann sogar mal eine Akustikgitarre zum Einsatz. So ganz unexperimentell. Nach elf Jahren vielleicht die einzige richtige Überraschung auf diesem Album.