»Single, man nennt dich Single/Du nennst dich Single/Und dein Leben dreht sich im Kreis« – wem solche Refrains glücken, dem nimmt man den Ausspruch, »am liebsten ganz auf Strophen zu verzichten, weil die Stücke dann universeller werden«, gerne ab. Nichtsdestotrotz sind Andreas Dorau auch auf seinem achten Album wieder vorzügliche Vierzeiler geglückt. »Dich sieht man kaum noch in den Läden/ Deine Zeit die war einmal/ Nur noch Sammler, Freaks und Spinner/ Stehen noch zu Deiner Wahl« wird hier in vertrauter Spitzbübigkeit konstatiert, bevor aufreizender »Wow-uh-Wow-uh«-Gesang (Inga Humpe ist wieder dabei!) Mitleid mit dem Midlife-Crisis-Gebeutelten suggeriert. Dazu, wie auch in Neid, Größenwahn und Stimmen in der Nacht dramatische Jungs-Chöre im Bay-City-Rollers-Stil (auch wenn die manchmal von JaKönigJa’s Ebba Durstewitz stammen), verstimmte (von Dorau selbst traktierte) Bar-Pianos und shufflige Breaks, wie sie Mitte der 1970er Jahre bei Fifties-Revival-Glamrockern wie Mud und Wizzard zu hören waren. Kurz: der Kindheits-Soundtrack jener in Single (»Deine Zahl ist 45/Und du glaubst bereits das war’s«) Besungenen, die heute ebenso als Zeitzeugen für Disco, NDW und House herangezogen werden könnten. Alles Genres, die Dorau entweder selbst prägte oder als Sampling-Künstler aufgriff und die er bei seinen aktuellen, mehr ins Morbide gehenden Sittenstudien und Fallbeispielen – u.a. im Pflegeheim bei Ausruhenund an Unfallgedenkstellen bei Es War Hell – weiterhin gekonnt einsetzt. Zwar sorgten Tim Lorenz, Mense Reents (Rhythmus & Produktion), Jakobus Siebels (Tuba & Posaune) und Andi Thoma (Steel Guitar & Abmischung) dafür, daß Todemelodien so handgemacht klingt wie seit Demokratie (1988) kein Dorau-Album mehr. Doch dank Inkonsequenz oder Und dann kommen Elektro-affine Tanzwütige ebenso wieder auf ihre Kosten.
Todesmelodien