»Hatıralar« erzählt den nachträglichen Ursprungsmythos von Gözen Atilas Projekt Anadol. Ihr eigentliches Debüt »Çürüyen Yıllar« findet sich nur noch in Form von angestaubten SoundCloud-Uploads, ihr Zweitwerk aus dem Jahr 2012 wird allerdings nun von ihrem Stammlabel Pingipung neu aufgelegt. Die zwölf Stücke, von Atila für die Neuauflage neu gemischt und stellenweise editiert sowie mit einem neuen Master versehen, orientierten sich noch strikter an Alleinunterhalter-Musik und B-Movie-Soundtracks als ihr Überraschungs-Durchbruchsalbum »Uzun Havalar« aus dem Jahr 2019, dem mit »Felicita« im Vorjahr ein noch freiförmigeres Album folgte. Die Rhythmus-Presets von Mini-Heimorgeln liefern das Grundgerüst für Stücke, die gleichermaßen humorvoll wie melancholisch, poppig und komplex sind. Es schwebt genauso ein Hauch von folkloristischer Atmosphäre über ihnen, wie sie einen Library-Music-Charakter haben. Doch sind sie weder sentimental noch wandtapetig, sondern tragen einen hantologischen Glanz in sich; werden durchzogen von einem sonderbaren Flimmern von vergangenen Zeiten – der Albumtitel lautet nicht von ungefähr übersetzt »Erinnungen« oder gar »Erinnerungsstücke« –, die in einen unzeitgemäßen Sound überführt werden und deshalb auch über ein Jahrzehnt nach Erstveröffentlichung ihre Strahlkraft nicht verloren haben.
Hatiralar