Review Rock

Amyl and the Sniffers

Cartoon Darkness

Rough Trade • 2024

Laut Duden wird das Substantiv Rotzigkeit umgangssprachlich »salopp abwertend« verwendet. Wenn man von der australischen Punkrockband Amyl and the Sniffers und ihrer famosen Frontfrau Amy Taylor spricht, meint man es aber sicher mit ungläubiger Bewunderung dafür, wie wenig Ficks man als Sängerin im Jahr 2024 geben kann. Denn in bester Courtney-Love-Manier scheint sie sich um ihre Außenwahrnehmung herzlich wenig zu scheren und trotzdem die richtigen Signale zu setzen. Allein die Übersingle »You Should Not Be Doing That« trotzt mit ordentlichem Groove den Erwartungen an Frauen in und außerhalb von Beziehungen und zieht dabei alle Register. Einfach weil sie es kann. An anderer Stelle schrammelt das Quartett einen wütenden Garagen-Sound zusammen und Taylor bellt mehr als sie singt – und man kann sicher sein, dass sie im Zweifel auch beißt.

Amyl and the Sniffers sind mit ihrem dritten Album in fünf Jahren wieder ein Stück gewachsen, nehmen kein Blatt vor den Mund und sind in ihren grölbaren Punk-Hymnen trotzdem gut zitierfähig. So wenn Taylor in »Tiny Bikini« auftaucht: »Oh, you think the world is not men enough? So I’m gonna inject some of this cunt!« Freizügigkeit gehört auf »Cartoon Darkness« zum guten Ton und wird im abschließenden »Me and The Girls« mit Kieferklemme und Roboterstimme auf die Spitze getrieben, wenn betrunken am Flughafen gepöbelt wird. Vulgär ist nicht jedermanns Sache, aber Amy Taylor empfindet es wohl eher als Kompliment, wenn man ihr Rotzigkeit vorwirft: »Me and the girls don’t care if we’re ugly / Me and the girls are out having fun«.