Auf »Intiha« zeigt sich Pop-Kultur von ihrer besten Seite. Der pakistanische Sänger Ali Sethi gehört seit 2022 zu den weltweit größten Stars. Sein Song »Pasoori« wurde auf YouTube über 675 Millionen Mal geklickt. Mit seiner Kombination aus Reggaeton, Elektro-Pop und hindustanischem Gesang könnte Sethi problemlos Stadien, wenn nicht Städte, füllen. Was macht der 39-jährige angesichts dieses Erfolges? Er bringt eine experimentelle Elegie mit dem Produzenten Nicolas Jaar heraus. »Intiha« ist melancholisch und selbstbewusst marginal. Ambient, Drones und Klicks halten eine fragile Klangfelder zusammen. Das Duo macht kaum Zugeständnisse an Hörgewohnheiten, die von Mainstream-Radios und kommerziellen Playlist-Kurationen verfestigt werden. Nur auf der vorab veröffentlichen Single haben Beats einen Gastauftritt. Eher verwebt Sethis sanfte Stimme abstrakte Soundscapes mit tiefem Schmerz. Der queere Sänger ist Schüler des Ustad Saami, einem Meister der Qawwali-Tradition, die 40 Noten kennt. Nun hat er selbst eine der Vokal-Performances des Jahres erbracht. »Intiha« ist ein utopisches Glanzstück. Doch wie alle Utopien ist es im Schlamm politischer Kontroversen verwurzelt. Scheinbar ging Jaar, ein Chilene palästinensischer Herkunft, am 8. Oktober 2023 reflexartig dazu über, den Pogrom der Hamas zu rechtfertigen. Ganz schöner Abturner? Ja. Ein Grund, das Album zu überspringen? Durchaus. Wer gewillt ist, die Ambivalenzen von Pop-Kultur auszuhalten, mag dennoch reich belohnt werden.
Intiha