Das Aufkommen von künstlicher Intelligenz verspricht nicht nur eine Umwälzung aller Arbeitsprozesse, sondern auch eine tiefgreifende Veränderung der Hörgewohnheiten. Wenn jede Person mit einem Klick generische Songs erzeugen kann, wird auch das Interesse für nicht-generische Formen steigen. Darin liegt ein immenses Potenzial für experimentelle Musik. Um es zu nutzen, braucht es mutige Künstler:innen, die sich die neuen Technologien aneignen. Jenseits von Großkonzernen und Perfektion. Teil dieser neuen Speerspitze ist Moisés Horta Valenzuela, besser bekannt als 𝔥𝔢𝔵𝔬𝔯𝔠𝔦𝔰𝔪𝔬𝔰. Für sein neues Album hat der Wahlberliner eine K. I. entwickelt und sie anhand kleiner Datensätze trainiert. Diese wurden von zwölf Künstler:innen freiwillig zur Verfügung gestellt, darunter am bekanntesten: Ambient-Darling KMRU. Ok, ok, aber wie klingt das Ganze? »Mutualismx« ist eine eklektische Mischung aus Ambient, Drone, Musique conrète, Techno und IDM. Mehr oder weniger zusammengehalten wird es durch ein einheitliches Timbre. Generierte Musik hat nach wie vor etwas Unnatürliches: Drums klingen nie wie ein echtes Schlagzeug, Stimmen wie aus dem »uncanny valley«. 𝔥𝔢𝔵𝔬𝔯𝔠𝔦𝔰𝔪𝔬𝔰 erhebt diese Im-Perfektionen zum Stilmittel. Wenige Highlights ausgenommen, fällt das Songwriting leider hinter das der jeweiligen Künstler:innen zurück. Mal mäandern, mal sprunghaft, fühlt sich »Mutualismx« wesentlich länger an als es ist. Bereits jetzt ein Stück Musikgeschichte, hat es als Album vor allem akademisches Interesse.
Mutualismx