Da warten wir seit 2007 auf ein neues Lebenszeichen des Meisters hinter Planet µ Records – und Herr Mike Paradinas hat noch ein Archiv von über 1.300 Tracks bei sich verstaut. Diese Festplatte dürfte genauso gesucht sein, wie der vor gut zehn Jahren angeblich im Flugzeug verschollen gegangene mp3-Player von Aphex Twin. In dessen Schatten stand Mike Paradinas nämlich in den 1990er Jahren stets – und im Rückblick auch etwas ungerechtfertigt. Immerhin ist Mike Paradinas der einzige Künstler, mit dem Aphex Twin ein ganzes Album aufgenommen hat – völlig zugelötet und in nur drei Tagen versteht sich. Sicherlich nicht ohne Grund. Gerade die ersten Alben von Paradinas – »Tango ’n Vectif« (Rephlex), »Bluff Limbo« (Rephlex) und »In Pine Effect« (Hi-Rise) – die zwischen 1993 und 1995 entstanden, beinhalten das wichtige Element, welches Aphex Twin nie wirklich zuließ: völlige Unbeschwertheit und eine Naivität der Melodien, die über jeden Kitsch erhaben ist. Genau aus dieser Phase stammt auch »Somerset Avenue Tracks«. Seine neue große Liebe Lara Rix-Martin hat sich durch die Festplatte gearbeitet und all jene Titel ins Licht gezogen, die bei ihr sofort Klick machten. Eine einfache und effektive Methode, die uns nun ein auf 500 Exemplare (und längst ausverkauftes) Archiv-Album mit insgesamt 24 Titeln beschert (12 auf Vinyl, 12 als zusätzlicher Download). »Somerset Avenue Tracks« kann sicherlich nicht als zeitlos gelten. Dennoch ist es Zeugnis einer unbeschwerten Kindheit der elektronischen Musik, die irgendwann bierernst wurde. Für alte µ-Ziq-Hörer ist es schlicht ein warmes, herzerfrischendes Bad in bunten Melodiebögen, Zuckergüssen und kantigen Beats. Was macht der Zauber von Oz eigentlich dahinten? Ah, er tanzt.
Somerset Avenue Tracks (92-95)