Wir sollten es eigentlich besser wissen. Wir gehen aus der Tür und sehen ein H&M-Plakat. Werbung ist überall und eigentlich sind wir über deren Macht aufgeklärt. Trotzdem fallen wir weiterhin darauf rein. Weil wir es wollen? Weil sie uns eine willkommene Orientierungshilfe in unserer Zeit »der zu vielen Möglichkeiten« bietet?
Musiker sind auf Marketing angewiesen. Oft wird aber nicht Musik beworben, sondern eine Idee oder ein Lebensstil. Und darauf stehen wir. Daft Punk wissen das scheinbar besser als alle anderen und haben für ihr neues Album »Random Access Memories« eine brutal effektive Marketing-Kampagne gefahren. So viele Menschen haben es vorbestellt wie kein anderes Dance-Album jemals zuvor. Und das »Dance« vor »Album« wackelt auch schon.
Dabei enthielt die Kampagne kaum Musik. Nur einen Song, »Get Lucky« und mehr nicht. Das geschah nicht ohne Grund. Ein Song, der niemandem wehtut, aber genau dieses Daft-Punk-Feeling aufleben lässt, auf das alle so scharf sind: Gute Laune, ein bisschen Französisch-Disco, Vocoder und Neil Rodgers funky Gitarre. Aber um Musik geht es nicht. Sonst hätten alle abgewartet, bis sie mehr von »Random Access Memories« gehört hätten.
Dass es ein unerwartetes Comeback stilprägender Künstler ist, bleibt nicht die alleinige Erklärung für den Vorab-Erfolg. Bowie kam auch dieses Jahr zurück. Sein Album wurde lange nicht sooft vorbestellt. Bowie fuhr keine Kampagne. Wir haben »Random Access Memories« vorbestellt, weil wir die Idee lieben: Die Idee, dass da diese zwei ikonischen Roboter zurückkehren und uns wieder mit etwas Unvergleichbarem mitreißen. Aber um uns mitzureißen hat es das Unvergleichbare gar nicht gebraucht, sondern eben nur die Idee davon.
»Don‘t Call It A Comeback« rappte LL Cool J. Wir haben uns oft und gerne daran gehalten. Doch Daft Punk wollten diesmal, dass man es ein Comeback nennt. All die Teaser, die Roboterhelme, die auf die Straßen gesprayt wurden. Wir haben uns gefreut; endlich mal wieder ein Comeback abzufeiern, den Hype zu genießen, weil sich bei Daft Punk auch keiner dagegen wehrt. Manche haben das Album inzwischen gehört – das Ergebnis also, nichts mehr mit Idee. Und wenn man dann hört, dass dieses Album die Musik-gewordene Karamelisierung ist, den Ohrenschmalz zu Zuckerwatte werden lässt und sicher auch Florian Silbereisens neues Lieblingsalbum wird, dann darf man Daft Punk zu dieser Kampagne gratulieren. Sich selbst langt man am besten ins Gesicht und sagt sich: Ich hätte es eigentlich besser wissen sollen. Das nächste Mal dann. Wobei, nein, es hat ja auch Spass gemacht. Human after all.»All die Teaser, die Roboterhelme, die auf die Straßen gesprayt wurden. Wir haben uns gefreut; endlich mal wieder ein Comeback abzufeiern, den Hype zu genießen, weil sich bei Daft Punk auch keiner dagegen wehrt.«