Ausklang | New Music Friday – Neue Musik von Prostitutes, Giganta und Bea1991

Woche für Woche picken wir Tracks, die uns in den vorausgegangenen 7 Tagen nicht aus dem Kopf gehen wollten, deren Release auf den heutigen Tag fällt oder einem anderen Pseudogrund unterliegen. It’s new music, Skrillex!
»Bij Wat Ook Moog Gebeuren« by Leo Fabriek, Gareth Davis & Rutger Zuydervelt
taken from the Download »Bij Wat Ook Moog Gebeuren O.S.T.«
Beginnen wir heute mit hypermodernem Jazz, gespielt von drei Musikern aus den Niederlanden, namentlich dem Schlagzeuger Leo Fabriek, dem Bassklarinettisten Gareth Davis und Rutger Zuydervelt, in der Welt der elektronischen Musik als Machinefabriek bekannt. Die drei zeichnen sich verantwortlich für den Soundtrack zum Film »Bij Wat Ook Moog Gebeuren« (dt. in etwa »Komme was wolle«), über die Träume und die Bürde eine aufstrebenden Fußballprofis. Den Soundtrack zu »Bij Wat Ook Moog Gebeuren« kann man sich kostenlos bei Bandcamp download Lohnt sich. SH
»The Lion, The Bitch And The Bordeaux« by Mr. Mitch
taken from his »The Room Where I Belong«-EP, out on Gobstopper Records
Dass das ein unglaublich schöner Song-Titel ist, müssen wir ganz schnell wieder vergessen. Denn hier ist etwas anderes von so bemerkenswerter Schönheit, dass man das ausführen muss: die Synthline. Sie fährt mir direkt ins Herz, dreht es einmal um, ich inszeniere mich in Gedanken direkt als tragischer Held. Irgendwas ist im Morgengrauen passiert, mit müden Augen laufe ich noch ein paar Meter, bevor ich unvermittelt auf die Knie gehe, den Kopf senke und die Szene aus-faded. Ich habe etwas Kräftezehrendes glorreich überstanden. So fühle ich mich wie ein trauriger Hecht, obwohl ich wie eine emotionslose Flunder am Schreibtisch sitze. Guck, wie einen der Song berührt und aufwertet! PK
»Suck Out The Reason« by « by Prostitutes
taken from the LP »Petit Cochon«, out May 12th, 2014 on Spectrum Spools
Schon zu Beginn des Jahres hatte ich an dieser Stelle einen Track von Prostitutes gefeiert. Diese Woche konnte man nicht minder tolles, neues Material des Producers aus Cleveland, Ohio hören. Der Groove auf »Suck Out Reason« kommt zunächst als Synthesizerstudie getarnt, also nicht ganz so offensiv, spätestens ab 1:18 ist das Versteckspiel aber vorbei, Hi-Hats dominieren, Bässe grummeln, Industrieblech wird geschlagen, Stimmen brabbeln. Das Ende ist dann allerdings sehr abrupt. Ob sich das auf dem neuen Album anders darstellt, erfahren wir im Mai. SH
»Breadwinner« by Bea1991
Bea1991 kommt aus Amsterdam. Das weiß man. Mehr nicht. »Breadwinner« könnte das nächste »Hurricane« werden. Das vermutet man. Nicht weniger. Das Instrumental scheppert langsam unter Beas Stimme, bevor Woodkid-esque Fanfaren das Drama in den Song bringen. Genießen, bevor es in naher Zukunft der Song zum Trailer für eine lange Grey‘s-Anatomy-Seriennacht auf Pro7 sein wird und aus komplexen Emotionen plumpe werden! PK
»Spot Scene« by « by Giganta
taken from EP »Force«, out now on Werkdisc
Find it at hhv.de: LP
Vocal-Schnippsel finde ich per se immer sofort gut; gestörte Kommunikation, Sprachbarrieren, super! Um die Gründe zu erfahren, muss ich mich wohl noch die eine oder andere Stunde zum Reden auf eine Couch legen… Musikalisch richtig interessant wird’s bei »Spot Scene« so nach einer halben Minute, wenn Giganta, der griechische Neuzugang auf Actress’ Werkdisc, den Track erst 1 Minute lang nach Aphex Twin in den 1990er Jahren klingen lässt, dann 1 Minute nach Deep House der Nullerjahre klingen lässt, um schließlich beides übereinander zu legen und der schönen Kakophonie des Hier und Jetzt zu fröhnen. SH
»Gasinmylung« by Spark Master Tape
Der Track hier fängt ganz harmlos mit einem Sample von Charley Prides »In Jesus Name I Pray« an. Dieses wird in der Folge allerdings vom Bass und weit heruntergepitchten Vocals vereinnahmt. So klingt das Kirchenlied schnell, als hätte der Teufel einen Frosch im Hals. »Gasinmylung« ist übrigens kein Song, der sich für eine Umweltplakette in asiatischen Großstädten stark macht und auch nicht das traurige Lied über einen grotesk quersitzenden Furz. »Gas« ist wiedermal nur ein anderer Ausdruck für Marihuana. Langweilig. Aber Schwamm bzw. Beat drüber, denn der reicht völlig aus. PK
»Yah Yah« by Yakki feat. Young Thug
Wer die exzellente Cover-Story über Young Thug bei den Kollegen vom Fader gelesen hat, weiß: Young Thug hängt den ganzen Tag im Studio rum, ballert sich beruhigende Substanzen und Tankstellenfraß rein und nuschelt ununterbrochen Melodien und Raps vor sich hin. Dieses Szenario passt einfach so gut zu seinem Sound, der so unverkennbar nach Gummibärchen und Hustensaft klingt. »Yah Yah« stellt keine Ausnahme dar: Migos-Flows straight out of Nervenheilanstalt und Autotune. A-dor-able! PK
»Entanglements« by Christopher Bissonnette
taken from the LP »Essays In Idleness«, out April 7th, 2014 on Kranky
Find it at hhv.de: LP
Zum Abschluss muss ich den vorangegangenen Tracks nun doch noch etwas Ruhe und Kontemplation entgegensetzen. Hilft ja alles nichts! Die Sensation: Christopher Bissonnette, kanadischer Ambient-Produzent aus dem Umkreisvon Tim Hecker und Loscil, bringt ein neues Album raus. Der letzte Release ist so schätzungsweise 100 Jahre her, was natürlich wiederum nichts ist, wenn man die Halbwertzeit seiner Musik betrachtet. Das ganze hat scheinbar so lange gedauert, weil sich Christopher Bissonnette einen eigenen Synthesizer gebaut hat, der als einzige Klangquelle auch für das diese Woche in Umlauf gegangene »Entanglements« benutzt wurde. So, Kollege Kunze, jetzt erzähle du mir noch mal was von Schönheit. SH