Fickt euren Schreibtisch und macht den Quan. Jetzt. Fairerweise muss ich zugeben, dass »Hit The Quan«, so behauptet es die Straße (lies: Reddit, Vine und Instagram), bereits ein veritabler viraler Hit drüben ist, der immerhin dafür gesorgt hat, dass nicht noch mehr [Celebrity-Kinder](http://espn.go.com/espn/story//page/instantawesome-rileycurrybirthdaydance-13284282/riley-curry-awesome-does-whip-nae-nae-third-birthday) tänzerisch Crack kochen und damit Social Media-Feeds verstopfen. Natürlich dürfte das eine Halbwertszeit von weniger als einer Woche haben und das lyrische Gewicht früher Soulja Boy-Manifeste, aber wer gönnt sich beim China Imbiss um die Ecke nicht auch mal gerne eine Glutamat-Box, bevor er auf Sat.1 um David Odonkors Karriere trauert? Eben. FA
»Midnight in Peckham« by Chaos In The CBD
taken from Chaos In The CBD’s new EP »Midnight in Peckham«, out August 24th on Rhythm Section
So, reicht dann auch schon wieder mit der körperlichen Ertüchtigung. Zum desillusioniert in den iMac starren für die letzten vier Stunden vor dem Wochenende empfehlen wir euch heute »Midnight in Peckham«, das mit seinem ungehemmten »Taxi Driver«-Saxophon nur knapp am Kitsch vorbeischrammt, aber gleichzeitig eine unterbewertete Königsdisziplin sehr souverän absolviert: die große House-Ballade, die, wenn man Ruf Dug Glauben schenken mag, nicht nur Menschen im Büro ins Wochenende trägt, sondern auch in anderen Kontexten zuverlässig die Endorphinspeicher entleert. FA
»Times Square« by Destroyer
taken from Destroyer’s new LP »Poison Season«, out August 28th on Merge
find it at hhv.de on Colored 2LP and 2LP
À propos Saxophon-Soli: Das war zumindest auf »Kaputt« – abgesehen von seinem Lyrics-zerkauendem Nuschelcrooning – eine von Destroyers Kernkompetenzen. »Times Square« schmeißt den Oberlippenbart unter den Musikinstrumenten wieder prominent ins Rennen und sticht mir damit einen Strohhalm ins halboffene Mäulchen. Durch den schlürfe ich willig all den Shit Dan Bejar Says und obendrein noch jedes Soft Rock-Klischee, das selbst meinem Vater zu tacky wäre. Bejar kann das einfach, er ist die Circe der post-meta-ironischen Aufrichtigkeit, eine Sphinx des Neo-Dad Rocks. Ich möchte mit ihm Hand in Hand Wassereis schlürfend über den Time Square hopsen, lachend und ohne Angst im Augenwinkel. KC
»1995« by Molly Nilsson
taken from Molly Nilsson’s new LP »Zenith«, out September 18th on Dark Skies Association
Überhaupt Angst. Angst ist ein kaltes Laken. Angst ist der Geschmack von Kleingeld hinter der Vorderlippe. Angst ist das Gefühl, wenn mein PC sich aktualisiert und der Gedanke an »Windows 10« über die Frontallappen kriecht. Molly Nilsson kennt das. Sie sehnsüchtelt immer noch nach 1995, das heißt »Windows 95«. Ein Programm, so edgy wie sein Design. Sie macht das auf eine hinreißend understatige und trotzdem irre groovige Art. Italo Disco im Dark Wave-Filter: Todessehnsüchtig und lebensbejahend zugleich, mit funky twist und… Holy fuck, ebenfalls einem Saxofon-Solo on top! Die Tröt-Tüte ist aktuell epidemischer, als es das nächste iOS sein wird. Womit wir wieder beim Thema sind: I feel you, Molly. KC
»Florian« by Robert Crash
taken from Robert Crash’s new White Label EP »Florian«, out soon on Basik
Wem das zu wenig Herausforderung ist, dem bietet dieser svitato Italiano Robert Crash einen Synapsenzerstäuber par excellence an und benennt ihn auch noch nach mir. Mille Thanks from Germany, Roberto! Ich wusste gar nicht, dass man frühen Theo-Cut-Up-Funk, späte Acid-Bomben-Sound-Signatures und KDJismen so organisch auf eine EP packen kann. Alle geil, aber wegen des Namens nehmen wir hier mal stellvertretend den zweiten Track auf. FA
»Ender« by Generation Next
taken from Generation Next’s new EP »Ender«, out soon on 7 Days
Wer sich dabei jetzt den Nacken gezerrt hat, darf zu Generation Nexts luftigem »Ender« die letzte Email für heute beantworten. Der Sohnemann von Big Strick klingt mittlerweile tatsächlich oft schon so souverän wie Onkel Omar-S, hier liefert er gar ähnlich hymnisch ab wie das Detroiter Uhrwerk mit seiner ungenierten Trance-Splittergranate vor einigen Jahren. Raus jetzt mit euch! FA
»Come Wander With Me/Deliverance« by Anna von Hausswolff
taken from Anna von Hausswolff’s new LP »The Miraculous«, out November 13th on City Slang
Oder zurück auf die Schulbank, Nachsitzen in den Pflichtfächern Geschichte, Empathie und Gegenwartskunde. Nachdem ihr Vater ein Bild mit Asche malte, das er aus den Abrauchrohren eines KZ gekratzt hatte und dafür völlig zurecht von allen Seiten abgewatscht wurde, veröffentlichte Anna von Hausswolff ein Promo-Foto, auf dem sie mit Burzum-Shirt zu sehen. Burzum alias Kristian »Varg« Vikernes, wir erinnern uns, ist ein Kirchenanzünder slash Mörder slash Antisemist slash Rassist slash Pseudoterrorist, der Geld aus T-Shirt-Verkäufen gut gebrauchen kann, weil er von der französischen Polizei seine Waffen freikaufen möchte. Uncool von Anna, und nicht so smartwitzig wie sie vielleicht dachte. Besser ist’s, sie schreibt Songs wie diese: 11 Minuten lang, ziemlich Metal und durchgängig fettnäpfchenfrei. Wie wäre es überhaupt mit einem Orgel- nach dem Saxofon-Revival? KC
»Hell You Talmabout« by Janelle Monáe, Deep Cotton, St. Beauty, Jidenna, Roman GianArthur, and George 2.0
»Talmbout« ist laut UrbanDictionary eine Kontraktion von talk und about, sprich bedeutet: Worüber sprechen, darüber sprechen. Und worüber zur Hölle soll eine Musikerin wie Janelle Monáe auch sprechen, wenn nicht über Black Lives Matter? Zuletzt im Live-TV, wo sie darüber sprach, dass der Schwarzen Community die Stimme geraubt würde – und dann wurde ihr Auftritt vorzeitig abgeschnitten, ihr die Stimme geraubt »Hell You Talmbout«, ein Kollaborationstrack der Wondaland-Posse, die neben Monáe auch den Classic Man Jidenna, Roman GianArthur, Deep Cotton, George 2.0 und St. Beauty versammelot, listet lautstark auf, wovon zur Hölle die Rede ist: Michael Brown, Trayvon Martin, Sandra Bland, Miriam Carey und allen anderen, die in den letzten Jahren unter und durch die Hände der Polizei starben. Das ist eine schöne Widmung und zugleich eine Aufforderung: Nicht die Fresse halten, sondern die Dinge und vor allem die Menschen beim Namen nennen. Es braucht manchmal keine Mollis, wenn es Worte gibt. KC