Ausklang | New Music Friday – Neue Musik von Kim Brown, Amrit, Mr Fingers et al.

01.04.2016
Woche für Woche picken wir Tracks, die uns in den vorausgegangenen sieben Tagen nicht aus dem Kopf gehen wollten, deren Release auf den heutigen Tag fällt oder einem anderen Pseudogrund unterliegen.
»Transparent« by Kim Brown
from Kim Brown’s new LP »Wisdom Is A Dancer«, out April 22nd on Just Another Beat

Wir beginnen mit Geständnissen. Genauer gesagt einem Geständnis. Genauer gesagt einem Liebesgeständnis an so viele Dinge: an das Licht, die Transparenz glücklicher Momente oder eines perligen Weißweins, an die Abendsonne über der dänischen Küste oder nur den Moment, wenn die Vorderräder des Flugzeugs von der Landebahn abheben. An Freundschaften, die sich nicht durch Intensität, sondern Ausdauer auszeichnen und ihre Wärme selbst über schärfste Erdkrümmungen hinweg ausstrahlen. »April is the cruellest month«, pah, von wegen, wir stellen uns Lilien auf den Kaffeetisch und warten rauchend auf den nächsten Moment, in welchem der Wind die Gardinen anhebt. KC

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»Aji« by Roger West
from Rogert West’s new EP »En Asie«, out April 16th on In Paradisum

Der Jingle des traurigsten Eiskremwerbespots der Welt, Readymade-Exotimus aus dem Waffenarsenal der 1980er Jahre, der Grund für Discogs-Preisjagden zu dem Reissue einer Platte, deren Erstauflage nicht erschienen ist. Wenn die Sprichwörter recht behalten, dann ist die aufrichtigste Form von Liebe doch die gegen jede Vernunft und hier gibt es wirklich keinen vernünftigen Grund, nicht absolut dagegen zu sein. Aber bitte, ach, nimm meine PayPal-Penunzen für deinen cultural appropriation-Pop und mein vertrocknetes Herz gleich mit. Du darfst es an der Biegung eines Flusses vergraben, den wir beide nie zuvor gesehen haben, nachdem die letzte Folge von Klinik unter Palmen ausgefadet ist. KC

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»Untitled 09« by DJ Rum
from DJ Rum vs. Strcution’s new EP »Struktur«, out now on Ilian Tape
get it at hhv.de: 12inch

Ach, wäre Burial doch nicht irgendwann ausgezogen, um den Menschen erst Selbsthilfekurse mit Coca-Cola-Weihnachts-Spot-Flavour zu bescheren und dann grobkörnigen CGI-Delfinen auf harten Wellenkämmen nachzureiten Wäre er bei seinem Hardcore Continuum-Channeling durch die Knister-Filter Audacitys geblieben und hätte nur etwas Grime vom Rinnstein abgeschöpft. Ach, dann könnte er jetzt Synkro so flapsig verprügeln, dass die durch den Aufprall entstehenden Reese-Bässe den gesamten Globus aus der Laufbahn ballern. So aber bleibt es bei DJ Rum, das zu übernehmen, große Geschichten zu erzählen und zugleich zurück zum Beton wie zur Natur zu wollen. Da habt ihr sie wieder, eure nachts-durch-den-Regen-laufen-Musik oder euren morgens-mit-dem-Bus-vom-Club-nach-Hause-zurückfahren-Soundtrack, oder was auch immer damals in eurer StudiVZ-Über-Mich-Sektion beim Punkt Musik stand. KC

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»Nils Frahm Chugging Budget Scotch« by Oliver Barrett
from Oliver Barrett’s new album »Jouhls«, out now on „Bandcamp“:petrels.bandcamp.com/album/jouhls

Ich habe ja aus Prinzip keinen Spaß und erst recht kein Empfinden, welches sich nach konventionellen Maßstäben als Freude interpretieren ließe. Dieser Track aber hat mir das ermöglicht, was Megan Mullally für Nick Offerman tat: Er hat meine milchsauren Gesichtszüge zu einem Lachen verbreitert. Erst mit seinem Titel, dann mit diesen engelsgleichen, trüffelbutterzarten Sounds und letztlich mit dem #Classical-Hashtag. So schön wie das Zusammentreffen eines eines Lineals mit einem kaputten Kleiderbügel auf einem Cello. Und selbst in meinen Ohren ein bisschen extrem. Es gibt Kopfhörermusik, das hier aber ist Gehörschutzmusik. Alles andere ist #pianoday und also für menschgewordene Pullunder. KC

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»Father« by Mall Grab
Mall Grab zweitverwertet Kanyes zweitverwertetes »Every Nigger Is A Star«-Analogon mit Bum-Tschak-House-Beat, als wäre das nicht völlig überflüssig und das ist es dann nicht. Wir können uns jetzt drüber streiten, ob Pastor T. L. Barrett nun auf The Lulz Of Pepe oder diesem Niedriglohn-Tool am besten kommen, so wie wir das genauso mit Malas und Mall Grabs jeweiligen Alicia Keys-Variationen gemacht haben, aber irgendwie ist das Leben doch zu kurz und, na ja, manchmal zu okay für sowas. Hands up, Herzvorhöfe öffnen, Bier nach vier. KC

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»Higher Level (Bicep Remix)« by Isaac Tichauer
Noch mehr Strukturfäule: Relativ sicher, dass Bicep eigentlich nur ein Vocal-Sample mit einer Arp-Sequenz zwischen den Beat von »Just« und die Akkorde von »Dahlia« gesandwicht haben, bockt aber eben wie blöde. Wir müssen uns nach Cazion, J Choirboy und all den anderen Verwahrern der Rave-Coolness sowieso an den Bau eines zweiten Fantazias sprich dem dritten Summer of Love machen, das hier sollte beim Warm-Up dazu laufen. KC

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»MOUTH (prod. by Sene)« by Amrit
Der klassische Pop-Song hat bekanntlich zwei bis drei Deutungsebenen und das Problem, dass nach dem vierten Sektchen der interpretatorische Weg des geringsten Widerstands genommen wird. Böse Ahnungen stellen sich bezüglich Amrits Doppeldeutigkeiten wider die Doppelmoral ein, hoffentlich bleiben aber auf den Dancefloors die Hosenschlitze zu. Hier ist sowieso swaying angesagt, nicht schwinging KC

„Listen:“https://soundcloud.com/amritmusic/mouth-1

»Beyond The Dance (Mr. Fingers Dark Mix)« by Simoncino
from Simoncino and Mr. Fingers’ remix EP »Beyond The Dance«, out soon on L.I.E.S.

Letztens in einem Berliner Plattenladen, zwei Ausklang-Redakteure beim Record Store Crawl durch Kreuzberg und anrainende Gebiete: »Heh, hast du eigentlich schon die neue Mr. Fingers gehört?« – »Jo, ist ganz geil, oder?« – »Weiß ich nicht, hab sie immer noch nicht gehört.« – »Hm, achso.« – Ja, hm und nein, immer noch nicht. Dafür aber diesen Langstreckenmix aus den Heardschen Fingers, der Kurs aufs Wochenende und schlechte Entscheidungen in mies beleuchteten Räumlichkeiten nimmt. Dürfte meine angeschlagene Street Cred sowieso mit mehr Darkness-Sternchen auffüllen. Oder? KC

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