taken from Floating Points’ debut LP »Elaenia«, out November 6th on Pluto
Sam Shepherd hat endlich den Arsch hochgekriegt und widmet sich nicht weiter zukunftslosem Gewäsch wie den Wissenschaften, sondern kurbelt endlich die krisensichere Karriere im Musikbusiness mit einer Debüt-LP weiter. Die featuret neben irgendeinem Instrument, das niemand von uns versteht, und einer Liste von Menschen, von denen wir noch nie gehört haben, auch »Silhouettes (I, II, III)«, das uns Shepherd zusammen mit ein paar Bildern serviert, die sich zwischen »Late Night Tales«-Ästhetik, Akte X-B-Seite und eventuellem Bio-Grundkurs-Trauma seinerseits einordnet. Ach, die Musik? Azymuth im Äther: Dezente brasilianische Einschläge, gar nicht so dezentes Jazz-Drumming, ein Chor und diese knubbeligen Floating Points-Sounds, die allen ein »Mensch, das klingt total nach Floating Points, nur ohne die Beats. Was macht der eigentlich?« entlocken werden. Na, das hier. Gar nicht so verkehrt, obwohl wir bereits das Bonobo-Schicksal vorausahnen: Das hier wird forever Foyer-Mucke in allen lauschigen Lounges der Welt. KC »Das einsame Grab des Detlef Sammer« by Radare
taken from Radare’s new LP »Im Argen«, out September 25th on Golden Antenna
Lounge muss aber nicht schlimm sein. Vor allem nicht, wenn sie drei Meilen unter Meer liegt oder 53 Stockwerke über dem neonlichterleuchteten Erdboden. Radare sind Ex-Hardcore-Kids, die Bohren & Der Club Of Gore dafür verehren, dass die Angelo Badalamenti verehren, was okay ist, weil alles nachvollziehbar. Der Bohren-Worship zieht sich bis in die Songtitelrhetorik, erfrischend sind aber die Spaghetti-Western-Chords (read: Die einsame Bohnensoundsuppe des Ennio M.) und die Tatsache, dass diese Band nach vier Jahren endlich wieder ein todessehnsüchtiges Lebenszeichen von sich gibt. Sowieso: Da das letzte Bohren-Album eine Enttäuschung war, hilft die Hoffnung auf das hier. Darauf ein Whiskey mit e, und on the rocks obendrein. KC »Orah« by John Roberts
taken from John Roberts’ new EP »Orah«, out September 7th on Brunettes Editions
Lounge muss aber nicht schlimm sein, die Dritte. John Roberts importiert – so behauptete zumindest der Cornils -Sino-Grime in seinen ohnehin schon abseitigen House-Entwurf, ich aber glaube, dass Roberts hierfür mal wieder den Rucksack gepackt hat und 6 Wochen heilfastend neben einem Bach im chinesischen Hinterland Feldforschung betrieben hat, anstatt sich nur lieblos durch Rinse FM Pods zu hören. Apropos: wo steckt eigentlich dieser Kunze? FA »Broke Vultures (feat. Bufiman)« by Camp Inc.
taken from Camo Inc’s new EP »Der Springer«, out now on Low Hanging Fruit
Könnte sich ruhig mal ein Beispiel an Jan Schultes Arbeitsmoral nehmen. Der schiebt nach einigen Wolf Müller Geschichten mal wieder was als Bufiman nach, an der Seite der Kölner Analog-Houser Camp Inc. Broke Vultures bedient sich eines wunderbar käsigen Saloon-Pianos, den käsigsten John Sinclair-Hörspielfiepsereien evar evar und immer wertgeschätztem Roland-Stalinismus. Wäre Karneval im Rheinland musikalisch etwas eilitärer, würden sich hierzu im Februar Gorillas und Piloten bützen. FA »Dragon Fruit« by Father & KCSB
In einer besseren Welt wäre Fathers Look At Wrist allerdings auch schon lange die amerikanische Nationalhymne und man würde sich hierfür endlich nicht mehr ans Herz, sondern an das sträflich unterschätzte Handgelenk packen. Bevor Father jedoch der Menschheit dieses Geschenk machte, nahm er 2011 ein Album mit KCSB auf, das viele Kernkompetenzen bereits erahnen ließ. Der spannendste Track auf diesem erst diese Woche öffentlich zugänglich gemachten Überbleibsel ist jedoch »Dragon Fruit«, ein Instrumental das es auch ohne weiteres auf das erste A$AP Rocky Mixtape hätte schaffen können, wäre da nicht diese wahnwitzige Acid-Koda, die in ihrer völligen Randomness nochmals den aktuellen Ruf von Awful Records zementiert. FA »Geomancy« by Joel Graham
taken from Joel Graham’s new EP »Geomancy / Night«, out today on Music From Memory
find it at hhv.de on 12inch
Music From Memory hat nicht nur deshalb einen tollen und treffenden Namen gewählt, weil sie viele in der Versenkung verschwundenen Schätzchen (wir denken vor allem an Gigi Masins larmoyanten Italo Ambient Pop) ausgegraben haben und weil uns unser Gedächtnis regelmäßig verarscht. Joel Graham klingt vom Namen bis zur Backstory – blabla zwei Tapes in Privatpressungen blabla prä-MIDI Live-Jams – ausgedacht und im Grunde eher nach der letzten Florian Kupfer-EP mit John Maus-Chords on top als ernsthaft nach early 80s-Experimentalexkursionen, aber wen interessiert das schon? Außer ein paar MusikjournaillistInnen, die auch Jan Jelinek jedes seiner süßen Possenspielchen vom Honigmund abschlabbern? Eben, niemanden. Wichtig ist, wie schon Guido Westerwelle wusste, was netto dabei rumkommt. KC »I Woke Up And The Storm Was Over« by Tropic Of Cancer
taken from the compilation »I Can’t Give You What You Want«, out September 15th on Blackest Ever Black
Vielleicht ist das unfair zu sagen, aber Tropic Of Cancer sind immer schon so eine Art Substitut oder Notlösung gewesen. Camella Lobos Debütalbum war der bestmöglich Kompromiss für all die Kids, die traurig bleiben und trotzdem ins Berghain wollten. Ihr neuer Song vertröstet nun alle, denen Grouper in letzter Zeit zu zerfasert war und denen die neue Beach House zu fluffig ist. Spaß macht das trotzdem, eher aber unendlichen im Sinne David Foster Wallaces: Hier wird in den Loops die Zeit eingefroren. Also nichts mit tanzen, dieses Wochenende wird drinnen geweint. Muss auch mal sein, ganz dringend sogar in diesem Fall. »I Woke Up And The Storm Was Over« ist wie ein Leichentuch: unheimlich und elegant und schwer und leicht und ephemer und unendlich und Substitut und doch eigentlich der real deal. Toll. KC »Ice Cold (feat. Inga Copeland)« by Faze Miyake
taken from Faze Miyake’s debut album, out October 2nd on Rinse
Ob »Ice Cold« das Potential hat euer Wochenende zu retten, hängt entscheidend davon ab, ob ihr Inga Copeland lieber habt, wenn sie stoisch blickend Carmella Lobos Tränen trinkt (quasi der Default-Modus) oder ob ihr euch darauf einlassen könnt, dass Frau Copeland auf Faze Miyakes »Ice Cold« auf einmal einen passablen Cassie-Klon mimt, der über tiefgefrorenen (sorry, musste sein) Zeitlupen-Grime in etwa so abwechslungsreich adlibt wie Jim Jones in seinen besten Zeiten. Geil, ich geh dieses Wochenende nur noch in Palace-Tracksuit und mit Cornetto Nuss in der Hand vor die Tür. FA