taken from Christina Vantzou’s new LP »N°3«, out October 3rd on kranky
Kunze ist heute nicht dabei, Kunze ist auf längere Zeit weg. Denn Kunze hat Urlaub und ist laut Aigner komplett unerreichbar. Schöne Vorstellung, wie er fernab jeglicher Zivilisation (Sächsische Schweiz oder so) Caspar David Friedrich-like auf einer Klippe über dem brausenden Nebelmeer steht, die Brust geschwollen und den Arm verzweifelt gestreckt – in Hoffnung auf LTE-Empfang, weil romantische Szenarios wie solche in ihrer Sublimität nach der Subtilität von Christina Vantzous Musik sehnsüchteln. Bereits über deren erste beide Alben lief allen Streicher-Drone-Nerds das Wasser im Schlüpper zusammen, spätestens mit dem Aufgang der »Shadow Sun« kommt die Sintflut. KC
»Enemy Ladder« by Wolf Eyes
taken from Wolf Eyes’s new EP »Enemy Ladder b/w Dull Murder Two«, out September 4th on Third Man
Machen wir besser mit Krachkompetenzen weiter. Wolf Eyes haben geschätzt 900 mundbemalte, selbstgestrickte Floppy Discs mit ihrem Keller-Noise-Rock veröffentlicht und landen plötzlich beim Label von Jack White, der diesen verqueren Vinylscheiß ja zum Hochleistungssport erkoren hat. Stelle ich mir ebenfalls schön vor, wenn Wolf Eyes plötzlich nicht mehr von verhungerten Wire-Journos, sondern dem Rolling Stone Rede und Antwort stehen müssen. Immerhin: Jetzt klingen sie irgendwie straight, was für eine Band wie Wolf Eyes schon wieder innovativ ist. Ob das jetzt bald auch in der Halbzeitpause von der Nordkurve gegrölt wird? Hoffen wir mal nicht. KC
»A Gathering Together« by Ron Morelli
taken from Ron Morelli’s new LP »A Gathering Together«, out September 25th on Hospital Productions
Den richtigen Noise machen mittlerweile sowieso andere. L.I.E.S. liefert in letzter Zeit così così ab, Labelchef Morelli immerhin meistens, und dann auf ganzer Linie. Seine neue LP kommt allerdings auf der unheiligen Wahlheimat, Dominick Fernows Hospital Productions. Der erste Track rüttelt, knuspert und ätzt sich über ein paar acht- und wahllos über die Gesamtlänge verteilte Beats. Scheißegal ist ja auch irgendwie Attitüde und Attitüde ist Punk oder sowas, zumindest aber geil. Aigner, intervenier mal bitte und schieb mal was Gerades dazwischen, am besten noch mit halbverständlichen Lyrics. KC
»Genocide« by Dr. Dre
taken from Dr. Dre’s new LP »Compton«, out August 21st on Aftermath
find it at hhv.de on CD
Compton hier, Compton da. Dres kluger Schachzug, sein neues Album nicht mit dem »Detox«-Stigma von vornherein scheitern zu lassen, ist clever, ob das Album aber final zufrieden stellt, habe ich nach einer guten Woche noch nicht final entscheiden können. In der Zwischenzeit hat sich besonders »Genocide« nachhaltig empfohlen, nicht nur weil hier eine natürliche Balance zwischen Kendricks offensichtlichem Ghostwriting und klassischeren Dre-Tugenden festzustellen ist. Schön, wenn sich diese geschliffenen Kanten mit Bomb Squad-Kakophonie selbst sabotieren und Kendrick mal wieder allen im »The Blacker The Berry«-Duktus den Fehdehandschuh in die Fresse pfeffert. FA »A Wolf In The Desert« by Calimex Mental Implant Corp.
taken from Calimex Mental Implant Corp.’s new LP »El Saber Del Arpavor«, out soon on Nightwind
find it at hhv.de on Tape
In Sachen Releasedichte ist Danny Wolfers ein Anti-Dre, die Musik seines zigsten Alter Superegos Calimex Mental Implant Corp. allerdings hashtaggt sich #Occult G-Funk, was zumindest eine Geistesverwandtschaft anzudeuten versucht. Das ergibt zwar höchstens in der Legowelt, nicht aber auf dieser Erde Sinn, macht aber Spaß. Wegen der Claps, des Scratchings und weil Wolfers‘ reine, übergeekige Existenz ein Grund zur Freude ist. Außerdem mit dabei: Synthesizers, Synthesizers, Synthesizers, Synthesizers, Synthesizers, ad infinitum Kann da was schiefgehen? Oder jemand mal bitte das Chronic rüberreichen? KC
»Victim« by Visionist
taken from Visionist’s debut LP »Safe«, out October 9th on PAN
Nicht, dass ich diesen Drang zum Genre-Coinen nicht verstehen würde. Irgendwie wollen wir das ja alle: Den Dingen einen Namen geben, damit der unsrige zumindest in einer Wikipedia-Fußnote verewigt wird. Wie wäre es also endlich mit Post-, nein, Hyper-, Quatsch, Vapor Grime? Meta Grime? Egal. Hauptsache geleckt wie ein Apple-Produkt und kantig wie ein Commodore. Visionist schafft den Spagat zwischen FKA Twigs‘ hyperrealistischer Fragilität und Grimes grindiger Grantigkeit. Kann mich zumindest damit bitte jemand zitieren? KC
»First Sign Of Artifice« by Edy Alta
taken from the compilation »Vibe 3«, out soon on Future Times
find it at hhv.de on CD
Ich habe keine Ahnung, wo Michael und Andrew den wieder ausgegraben haben. Auf der bald anstehenden dritten Future Times-Labelcompilation, gewohnt unprätentiös »Vibe 3« betitelt, findet sich mit »First Sign of Artifice« ein verspielter Techno-Track mit schrillen, aber dennoch unverschämt eleganten Synths (den obligatorischen Verweis auf Oni Ayhun spare ich mir an dieser Stelle), der im Laufe seiner gut sechs Minuten in ein schluckaufiges Toms- und Snare-Monstrum mutiert und trotzdem gleichzeitig zur Meditation und Eskalation aufruft. Wer dieser Edy Alta ist, weiß ich aber immer noch nicht. FA
»Israel (Sparring)« by Chance The Rapper & Noname Gypsy
Weißt du eigentlich, was ich nicht weiß? Klar weißt du das nicht, denn dann müsste ich es ja zuerst wissen, es sei denn, du weißt Dinge, die bei mir nur unbewusst ablaufen. Jedenfalls: Diese Woche liefen bei mir vor allem brasilianischer Boogie, Berghain-Techno oder Black Metal, was mit Ausnahme der von mir schief hingebogenen Alliteration nun wirklich (kaum) einen gemeinsamen Nenner hat. Dann aber kommt dieser meterweit zurückgelehnte Beat und Chance, der Binnenreime und Assonanzen abkaut wie Thomas Kling zu besten Zeiten. Dazu dann Noname Gypsy mit Showstehler-Gastspiel und schon bekomme ich Bock den Moët zu poppen und in SloMo wildfremden Menschen in weit entfernten Jacuzzis High-Fives zu geben. Wie das alles zusammenhängt weiß ich aber nicht. À propos Schampus: Den müssen wir eh diese Woche abkippen. Ihr wisst schon, was und wen ich meine. KC
»Sheet Music (feat. Havoc & Sean Price« by Gangrene (Alchemist & Oh No)
taken from Gangrene’s new LP »You Disgust Me«, out September 4th on Mass Appeal
find it at hhv.de on 2LP and CD
Ja, ich gebe ja zu, dass »Sheet Music« in erster Linie hier auftaucht, weil es verdammt nochmal notwendig ist P-Body zu gedenken. Über einen relativ biederen Alchemist-Beat stellt Price hier klar, dass er drei Gewichtsklassen über Oh No und dem Alchemisten rappt und mit wesentlich mehr Verve in seinen Vierzigern angekommen war als der hier ebenfalls gefeaturete Havoc. Ja und dann kam dieser Samstag. Um es mit der gefühlten Hälfte meines Social Media Feeds zu sagen: R.I.Püüüüü. FA