Zwölf Zehner – März 2013

08.04.2013
Willkommen im April. Doch vorher lassen unsere Kolumnisten vom Dienst den Monat März musikalisch Revue passieren und destillieren in ihrer Kolumne Zwölf Zehner die wichtigsten zehn Tracks des Monats.
»Mach mal ruhig Omar S, mir fällt da langsam nichts mehr zu ein.« »Keine Superlativen mehr?« »Ne, ich hab die Worte nicht.« Ein kleiner Auszug aus unserem Mailverkehr, der in Worte fasst, dass – ja genau – die Worte fehlen. Auch »Amalthea«, vielleicht der Track seines imposanten Albums »Thank U 4 Letting Me Be Myself«, stellt uns vor diese Herausforderung. Was soll man auch schreiben über einen Mann, der uns mit jeder neuen Veröffentlichung in kollektive Freude versetzt und zum Blindkauf anregt? Fanboys? Nein. Das würde bedeuten, das wir unreflektiert alles feierlich begehen, was Alex Omar Smith aus seinem Detroiter Studio in den Sequenzer programmiert. So ist das nicht. Vielmehr würden wir blindlings die These unterschreiben, dass Omar S zu den fünf relevantesten Produnzenten der Jetztzeit gehört und ihm die musikwissenschaftliche Exegese in zwanzig Jahren zu einer Bedeutsamkeit hievt, die vormals den Belleville Three vorbehalten war. »Amalthea« ist hier ein weiteres Beispiel. Der erste Track, der mir spontan in den Sinn kommt, auf dem Omar S tatsächlich eine Roland 707 benutzt. Dieser in letzter Zeit so omnipräsente Drumcomputer, der sich auf gefühlt jeder dritten Neuveröffentlichung wiederfindet, gehört eigentlich nicht zu Omar S‘ Repertoire. Und doch manifestiert sich hier der Symbolcharakter seiner Produktionen, deren Quintessenz man am besten mit einem Verweis auf ein weiteres Omar S Album zum Ausdruck bringen kann: It Can Be Done But Only I Can Do It. Er kann es besser. Und man muss ihm glauben. »Amalthea« reizt Hi-Hat und Cymbal der 707 aus, jagt die Midi-Noten einer eigentlich sehr simplen, zweitaktigen Klaviermelodie durch den Synthesize, die, auf die Gefahr der Wiederholung, für spontane ekstatische Hormonausschüttungen zu sorgen imstande ist Bleibt der Verweis auf einen weiteren Omar S-Titel, der in Worte fasst, zu denen wir uns nicht imstande sehen: Here’s your Trance, now dance!

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Alle seien am Start wenn er ans Mic komme – mehr als nur Salat in einer Teigrolle. Zugegeben, diese Textzeile ist ausgeliehen vom deutschen Nas (Insider!), der ebenfalls auf »Rap ist« vertreten ist, und verdeutlicht sinnbildlich für das was hier so Sache ist. Denn Max Herre hat eingeladen für einen Remix seines Albumtracks Rap ist und alle sind sie gekommen, die alten Wegbegleiter Afrob und dieser Sammyfreak, sowie (relativ) neue Rapvertreter wie Megaloh und Mo Trip, um auf einem Bombastbeat Marke Rick Rubin ihre Gedanken zu Rap in Sechzehner zu packen. Und – diese Klientel – obwohl wir ihr eigentlich sonst keine Beachtung schenken, überrascht (uns zumindest) mit durchgehenden beeindruckenden Zeilen, auf deren Rekapitulation und Auseienandersetzung ich an dieser Stelle verzichten möchte. Eine Sache muss dann dann aber doch noch raus: Lieber Max, du verschmitzter Balladenrockrappersingersongwriter, du kannst das doch eigentlich, warum zeigst du das denn nur so selten, so überzeugend? Jedenfalls auf Rap ist, bei dem du den anderen Gästen als Host mit den überzeugendsten Zweizeilern in die Parade fährst und uns mit einzelnen Aussagen zum Schmunzeln bringst, oder aus der Seele spricht. Beispiele gefällig? Und ich lieb die ganze Bandbreite – Ich mag nicht Jay oder Nas, Mann, ich mag beide. / Und ich lieb die ganze Bandbreite – Ich mag nicht Jay oder Nas, Mann, ich mag beide. / Frag mal die Kritiker mit Hornbrillen – Selbst die kennen mehr von Tribe als von Bob Dylan. Fazit: »Rap ist« ist der beste Max Herre Raptrack seit Exklusivinterview und FK10

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Frau Carter aka Biyonkey Knowis hat ja nun nie einen Hehl um ihre texanischen Wurzeln gemacht, dass wir aber erst 2013 den Trip die Memory Lane runter kriegen, mag an der aktuellen medialen Aufmerksamkeit für all things chopped & screwed liegen, ist aber selbst, wenn dem so wäre so sympathisch umgesetzt, dass Corporate Design Ächzereien keine Beachtung geschenkt werden sollten. Schließlich verkündet Beyonce hier am Ende, dass sie schon mit 14 in einem Willie D Video mitgespielt hat und den großen DJ Screw grüßt sie auch noch gleich mit. Davor allerdings die eigentlichen Highlights: großes Legendentreffen, in bester H-Town-Tradition, über Hitboys Version von Indian Flute : so unpeinlich war Street Cred Fischerei jedenfalls selten.

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»Eternal Acid«. Einer dieser Titel, die man dem Kollegen sofort auf seine Facebook Pinnwand schmeissen kann. Ob man den zuvor gehört hat oder nicht, tut eigentlich gar nichts zur Sache. Titel reicht. Oder einfach die Beschreibung, die bei Soundcloud hinterlegt ist, Equipment Used: Roland TR-707; Roland SH-101; Boss DD-7 Digital Delay; Yamaha SPX 990 Professional Multi-Effect Processor; Nakamichi CR-3A Discrete Head Cassette Deck. Sollte der Verdacht entstehen, wir würden Musik ausschließlich nach den Instrumenten beurteilen, die benutzt wurden, dann ist dieser Verdacht manchmal gar nicht unbegründet. Und im Falle von TX Connect ohnehin. Auch wieder einer dieser Typen, die Ron Morelli eine kompromisslose Dat geschickt haben, so dass er sich gezwungen sah, erste TX Connect Tracks vor wenigen Monaten auf L.I.E.S. zu veröffentlichen. Und Eternal Acid? Eine furios verstrahlte Irrfahrt, die jenseits von 120 BPM furios ins Acid-Nirvana rattert. Kann das mal bitte jemand auf Vinyl veröffentlichen?

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Je mehr ich von diesen unterhaltenden DJ Koze Interviews lese, die momentan ja omnipräsent sind, frage ich mich: wovon redet der Kosalla da eigentlich? Seine immerwährende Suche nach neuen Sounds? Hä? Ist doch alles beim Alten? So auch beim Albumhighlight »Das Wort«, das das Beste aus Kozy’s Dependancen zwischen Adolf Noise und International Pony zusammenführt. Ein verspielt naiver Hip-Hop-Groove, garniert mit kindlichen Xylophonspiel, wonnevollem Bass und verzückendem Marvin Gaye Sample, auf dem Koze in gewohnter Manier galant alle verendendeten Stimmen und Wooooooos zusammencuttet. Koze’s und unser neuer Homeboy Dirk von Lowtzow ist auch mit dabei und öffnet sich isoliert von seinen Bandkollegen von Tocotronic auf seinem vorgetragenen lyrischem Kurzzelier gar für solch bedeutungsschwangere Begriffe wie Loooooove. Man muss aber auch sagen, das der gute Marvin ihn dazu auffordert: »We’re all sensitive people with so much to give.« Wooooooo!

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Natürlich ist Schoolboy Q nach wie vor kein eleganter Stilist wie sein Busenfreund Kendrick, aber auch das auf einem humorlosen Vocal-Loop und einem simplen Drum-Korsett aufgebaute »Yay Yay« verdeutlicht eindrucksvollst seine Qualitäten. Mit kraftvoller Delivery dekliniert Q hier die Corner-Grammatik durch, von früher Vaterschaft. über das Großmütterchen, hin zu Ninas, Papi, Dice und Oxy. Nicht revolutionär, aber dieser Stringer/Avon-Doublepunch, den die Black Hippies da momentan haben, ist schon eine feine Sache.

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Nun ist diese Kolumne zugegebenermaßen kein Auffangbecken für traurige Jungs mit Gitarre ohne Verstärker, aber wenn sich einer dieser strähnigen Schmerzensmänner in den Wald stellt, seiner »Asa« verspricht, dass er sie nach Hause trägt, dabei weder zu weinerlich, noch zu apathisch klingt, dann spricht dieser Denison Witmer einfach eine Sprache, die auch die beiden Drummachine-Dudes verstehen.

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Wieder so eine Power Vacuum, die dir direkt in die Fresse haut. Ganze 30 Sekunden brauchen Invincible Scum um uns nach allerlei Zischpercussion eine Serienkiler-Synth-Line vorzusetzen, nach anderthalb Minuten hat sich »Scumrush I« dann bereits zu einem Orkan hochgeschraubt und nach zwei Minuten und einem kurzen, aber äußerst effektiven Arpeggio, wird herrlich neben den Beat geklatscht. Das ist Techno der bösen Sorte und dennoch weit weg von Stumpfsinn und Berghain-Tropen. Finden wir gut sowas.
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Guckt euch an. Jetzt guckt uns an. Alle meine HDGAL-Freunde sehen voll reich aus – »Rich As Fuck« ist mal wieder ganz große Poesie der diesbezüglich in den letzten Jahren vielleicht auffälligsten beiden Serientätern, Lil Wayne und 2 Chainz (an dieser Stelle noch ein Gruß an den Kollegen Kunze, der vor kurzem offenbarte, dass er 2 Chainz Signature-Adlib vor laaaaanger Zeit noch für ein Tuuunchi“ gehalten hatte und sich dann immer wunderte, warum dieser im Anschluss nicht zu rappen begann). In Sachen grenzdebiler Purple-Zerschossenheit kann nur noch das völlig absurde „Romance auf Weezys jüngstem Album hier mithalten, aber »Rich As Fuck« sportet den wesentlich eindrucksvolleren Beat. Und weil wir unseren Kulturauftrag hier ernst nehmen, wird das dann selbstredend auch hier verewigt.

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Die drei Ausrufezeichen sind zurück, mit Funk-Licks, äußerst guter Laune und einem Song für imaginäre Beach Parties in vollgeölten U-Bahnen. »One Girl / One Boy« ist so eingängig, so demonstrativ hittig, dass man Chk Chk Chk nicht nur nicht böse sein kann, sondern das auch wunderbar als Schokoriegelersatz benutzen kann. Mehr Endorphine, weniger Hüftgold. Danke dafür.

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