Zwölf Zehner – Jahresrückblick 2013 (Teil 2)

31.12.2013
Streitbar, scheuklappenfrei, hart und herzlich, House und R&B, Hip-Hop, Trap, Kanye und Post-Everything. Das Kolumnen-Duo plus Kunze schließt das Jahr 2013 mit einer Auswahl seiner 50 liebsten Tracks ab.

Sido – 30-11-80
Der Paul ist ja nun nicht der erste, der in letzter Zeit mit Nostalgie-Posse-Cuts Versöhnungsangebote an die Nörgler machte, man denke nur an Max The Voice Herre, aber Sido treibt diesen Plan auf die Spitze. Klar, MoTrip muss bei sowas immer dabei sein, weil der mit seiner Eleganz auch die ganzen RAG-Fans von damals beschwichtigt kriegt, nachdem sie sich durch die Tumbheiten von Manny Marc und Frauenarzt quälen mussten, aber dass Sido 2013 tatsächlich Smudo, diesen einen von Fettes Brot und Moses Pelham auf einen Track packt, das ist schon irgendwo grundsympathisch. Da fällt es auch nicht weiter ins Gewicht, dass Smudo sich immer noch nicht traut Penis zu sagen und immer noch Sachen reimt, für die sich andere beim Dichten für Goldene Hochzeiten schon schämen würden. Moses hingegen klingt so raumfüllend und – Achtung YOLO-Vokabular – bosshaft, dass man über deren damalige Auseinandersetzung noch mehr lachen muss als ohnehin schon. Ach ja, dann ist da ja noch ein gewohnt ehrgeiziger Eko, die wiedermal großartig flowenden Lakman und Banjo, die bedrohlichste Bushido-Strophe seit Bordstein, Laas’ referenzielle Streber-Strophe und der konsequent in üblicher B-Tight-Manier unterwältigende Schluss. Dazwischen kauft Tarek seiner Dame noch eine Burka von Rocawear und Sido macht sich Sorgen um seine grauen Haare. »30/11/80« hat Längen, unfreiwillige Komik, ist null stringent und trotzdem als Pulsmesser für deutschen Rap ein unglaubliches Dokument. Und gerade wenn man diese Einsicht hat, stolpert auf einmal der Green Eyed Bandit rein und grüßt uns mit einem dreifachen Ho. Surreal. FA

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Fat Trel – Niggas Dying
Genauso hätte sich Cloud Rap 2013 öfter anhören sollen. Fat Trel bleibt mit »Niggas Dying« allerdings der einzige, der das Genre mit den Enya-Samples schlüssig eine Stufe weiter führt. Neblige Synths wabern in verschiedenen Abstufungen über den Song, Bass und Snare-Rolls erinnern einen erst wieder daran, dass Fat Trel nicht davon rappt, dass irgendwelche Elfen in Gondeln einen Fluss im Herr-Der-Ringe-Universum bereisen, sondern Krankenwagen Körper abholen, die mit einem weißen Tuch bedeckt wurden. PK

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Beautiful Swimmers – Running Over
Was haben wir schon lange auf dieses Beautiful Swimmers Album gewartet! Diese Jungs muss man einfach gerne haben! Gerade deshalb, und ich verwette meinen Arsch darauf, das »Running Over« nichts weiter ist als eine nonchalante Kevin-Lyttle-Reminiszenz You got me going crazy, You turn me on, Turn me on. Richtig, Kevin Lyttle. Habe ich schon behauptet, dass man die Jungs gern haben muss? PO

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Greg Beato – PMA
Etwas verzweifelt bin ich ja doch, dass meine ausführliche Internetrecherche nichts weiter an Informationen über diesen ominösen Greg Beato preisgibt als die sozialen Medienpräsenzen seines Bruders Ariel, der digital ein durchaus ausgeprägtes Faible für Football, Selfies und Chloë Sevigny offenbart. Sehr sympathisch allemal, bei dieser Damenwahl. Greg hingegen, dieser Mann, der mit seinen ersten beiden Maxis gleich bei den von uns verehrten Funkineven und Ron Morelli veröffentlicht, der hat ein Faible für die Roland TR-909. Und vor allem ein Ohr für die Zwischentöne, die er auf diesem unabwendbar und notorisch funktional nach vorne treibenden »PMA« zwischen all diesen analog polternden Schlägen und zischenden Hi-Hats mit reinstem Techfunk gestaltet. Nebenbei lässt er die Welt wissen, dass Miami durchaus mehr zu bieten hat als die scheußliche Winter Music Conference. 19 Jahre alt soll er auch noch sein. More to come, ganz sicher. PO

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Rich Homie Quan – Some Type Of Way
Wenn ich schon Kunze und Okraj nur unzureichend vermitteln kann, warum ich notfalls mein Redaktuersschicksal an »Some Type Of Way« knüpfen würde, versuche ich selbiges für die Öffentlichkeit erst gar nicht. Die beiden Kollegen kotzen gefühlt immer noch über jede Hook von Future, da hat es dementsprechend auch Rich Homie Quan mit seinem ghettoifizierten Singsang schwer, aber das hier ist und bleibt ein Hit-Hit-Hit kolossalen Ausmaßes, Freunde. Musikalisch muss man das nicht überanalysieren, Catchphrase-Manie trifft auf solide Mike Will’ismen, aber so funktioniert Rap ja heute. Und das ist gut so. FA

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Streetwalker – Future Fusion
Bereits an anderer Stelle wurde auf die Brillanz des kompromisslosen Soundentwurfs von Streetwalker eingegangen und der Titeltrack des gerade erschienenen »Future Fusion« mag diesbezüglich das größte Ausrufezeichen sein. Nach einem kurzen de Palma kompatiblen Soundtrack-Bit beginnt sich ein unkontrolliertes Arpeggio zu überschlagen und der Drumcomputer rattert. Unmittelbar danach ein Trenz Reznor Tribut in wunderbarer Rotzigkeit, leidend, masochistisch, böse. Ein fünfeinhalbminütiger Mindfuck, der wiedermal beweist, dass Epigonentum etwas wunderbares sein kann, wenn sich dafür die richtigen Leute finden. FA

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Julia Holter – Hello Stranger
Alles hält inne, alles stoppt, die Welt scheint sich total in »Hello Stanger« zusammenzuziehen. Selbst Julia Holters Album »Loud City Song« vergisst man, wenn »Hello Stranger« beginnt. Wie ein Interlude, das den Hörer aus dem Album entführt. Dieser Song ist ein eigener Raum; innen völlige Stille, die Momente dehnen sich zu Minuten, Gesetze treten außer Kraft. Hier lässt Holter zwei Fremde aufeinander treffen. Instrumente schwellen an und ab, Holters Stimme, mein Gott, Holters Stimme! Diese 6:17 sind mit die hypnotischsten, die dieses Jahr bereitgehalten hat. PK

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Project Pat – Drank And Dat Strong
Wie kann eine solche Hymne eigentlich nicht auf einem Willie Hutch-Sample basieren? Und apropos Willie Hutch, apropos Hymme: Als einer der Track des Jahres 2007 ist uns UGK’s International Player’s Anthem noch bestens in Erinnerung, jetzt erhält dieser mit Project Pat‘s »Drank and that strong« so etwas wie einen Junior Partner. Zum einen ist da dieses orchestrale Soulsample mit seinen Strings und wenn ein Raptrack Strings enthält, dann honorieren wir das verdammt nochmal. Denn: It’s always all about the strings! Ihr wisst ja wie da ist mit der Ausnahme und der Regel. Zum anderen ist da dieser einfachste Drumloop, der in seiner Einfachheit nur noch von der grenzdebilen Delivery Project Pat’s getoppt wird. Der Bruder Juicy J’s (ein alter Bekannter dieser Kolumne), knallt sich hier offensichtlich nicht nur lyrisch Hucke voll, raucht Joint auf Joint back to back, vernichtet den Codeinsirup mit Sprite gar literweise, auf dass er mit seinem Erste-Klasse-Ticket ins Nirvana über Telefongespräche mit Cheech and Chong philosophiert. Habe ich bereits diese Hook erwähnt? Dass man im Rausch zur eigenen Überhöhung neigt, das wissen wir nicht erst seit Project Pat. Sich aber nicht immer so bierernst nehmen, gut dass uns Pat daran erinnert. PO

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Urban Homes – Aurora
Urban Homes sind ein (relativ) neues Bandprojekts aus Köln und Umgebung, das sich aus ehemaligen musikalischen Projekten wie Yage, PTTRNS und Airpeople formiert und ursprünglich eher dem Punk, Noise oder Hardcore-Umfeld zuzuordnen war. Mit diesem neuen Projekt, kam auch die neue Idee, eine Roland 707 als Taktgeber zu verwenden und dem Projekt eine neue musikalische Richtung vorzugeben. Hier spielen Einflüsse aus House, Dub, Balearic und Kraut eine Rolle – dementsprechend großartig klingt die Single »Aurora«, Hier steht die ratternde 707 (und ihre kleine Schwester die 727) im Mittelpunkt, die von einem opulenten – ja operettenhaften! – Arrangement aus Synthesizern, Gitarren und zitierten Vocals umschlossen werden. So kauzig es klingt, wenn die banal billige 707 Cowbell das wirklich üppige Arrangement aufreisst, so aufregend klingt es auch! PO

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Migos – Versace (Remix feat. Drake)
Der wichtigste Song für Rap 2013, der Gamechanger. Während Jigga und Co. sich ihre Basquiats und Warhols an die Wand hängen, haben Migos aus Atlanta mal eben eine neue Avantgarde gestartet. Bis aufs (Un)Nötigste haben sie ihre Lyrics reduziert: war das jetzt ein Adlib oder Teil des Raps? »Versace« war die Blaupause dieses Dada-Raps, Drake erkannte als erster das enorme Potential und zeigte sich vor »Nothing Was The Same« auf seinem schlechtesten Betragen. Besser als dieser Drake-Part sind dann nur noch die Migos-Adlibs: Drake: »This for my niggas that call up Fernando to move a piano«, Migos: »Brrrr Brrr«. Un-fass-bar! PK

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Jaakko Eino Kalevi – No End
Nicht dass das nicht eh schon jeder wüsste, aber Finnen sind wunderbare Menschen, ausnahmslos, immer. Und dieser Jaako Eino Kalevi sowieso. Auf einem Sidelabel von Domino wird er eine tolle Platte veröffentlichen, er trägt Rollkragenpullis mit Mittelscheitel und schafft es auf »No End« nicht nur die unaufdringlichste Saxophon-Hook des Jahrtausends zu schreiben, sondern auch, dass ich mir wünsche, dass dieses verdammte Keyboard-Solo gen Ende noch fünf Minuten länger dauert. Dazwischen harmonisiert Jaako (Finnen muss man immer duzen) mit Saud Khalifa und alles ist so schön schluffi-träumerisch, aber dennoch arschfunky. Es tut ein bißchen weh, aber Kindness: du wurdest ersetzt. FA

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Omar-S – Amalthea
»Mach mal ruhig Omar S, mir fällt da langsam nichts mehr zu ein.« »Keine Superlativen mehr?« »Ne, ich hab die Worte nicht.« Ein kleiner Auszug aus unserem Mailverkehr, der in Worte fasst, dass – ja genau – die Worte fehlen. Auch »Amalthea«, vielleicht der Track seines imposanten Albums »Thank U 4 Letting Me Be Myself«, stellt uns vor diese Herausforderung. Was soll man auch schreiben über einen Mann, der uns mit jeder neuen Veröffentlichung in kollektive Freude versetzt und zum Blindkauf anregt? Fanboys? Nein. Das würde bedeuten, das wir unreflektiert alles feierlich begehen, was Alex Omar Smith aus seinem Detroiter Studio in den Sequenzer programmiert. So ist das nicht. Vielmehr würden wir blindlings die These unterschreiben, dass Omar S zu den fünf relevantesten Produnzenten der Jetztzeit gehört und ihm die musikwissenschaftliche Exegese in zwanzig Jahren zu einer Bedeutsamkeit hievt, die vormals den Belleville Three vorbehalten war. »Amalthea« ist hier ein weiteres Beispiel. Der erste Track, der mir spontan in den Sinn kommt, auf dem Omar S tatsächlich eine Roland 707 benutzt. Dieser in letzter Zeit so omnipräsente Drumcomputer, der sich auf gefühlt jeder dritten Neuveröffentlichung wiederfindet, gehört eigentlich nicht zu Omar S’ Repertoire. Und doch manifestiert sich hier der Symbolcharakter seiner Produktionen, deren Quintessenz man am besten mit einem Verweis auf ein weiteres Omar S Album zum Ausdruck bringen kann: It Can Be Done But Only I Can Do It. Er kann es besser. Und man muss ihm glauben. »Amalthea« reizt Hi-Hat und Cymbal der 707 aus, jagt die Midi-Noten einer eigentlich sehr simplen, zweitaktigen Klaviermelodie durch den Synthesize, die, auf die Gefahr der Wiederholung, für spontane ekstatische Hormonausschüttungen zu sorgen imstande ist Bleibt der Verweis auf einen weiteren Omar S-Titel, der in Worte fasst, zu denen wir uns nicht imstande sehen: Here’s your Trance, now dance! PO

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Pusha T – Numbers On The Boards
Pusha Ts Referenzrahmen ist weniger eklektisch als der des Herrn Dumile, auf »Numbers On The Boards« bleibt diesbezüglich noch am ehesten Pushas Behauptung im Gedächtnis, dass ihm der Givenchy-Zwirn so gut passt wie Turnbeutelinhalte, aber wie er wieder mit dem Messer zwischen den Zähnen Kanyes Neptunes-igsten Beat to date zerhackt, macht uns Gänsehaut. Überhaupt: dieser Beat. Hier sollten sich die ganzen Ba(a)uern mal ein Beispiel nehmen, was Timbo und Pharrell bezüglich gimmickverliebtem Minimalismus schon vor mehr als einer Dekade geleistet haben, sollte all die Game Cube / Nintendo – Schergen eigentlich by Default in die Schamecke drängen. Kanye hingegen weiß das und reagiert auf die Harlem Shakisierung von EDM mit einer der brillantesten Verneigungen vor Pushas ursprünglichen Haus- und Hofproduzenten, die man bisher gehört hat. Ach ja, Numbers On The Boards ist übrigens einer der drei besten Solo-Tracks, die Pusha T bisher veröffentlicht hat und davon gab es bekanntermaßen viele in den letzten drei Jahren. FA

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Mount Kimbie – You Took Your Time
Wie verwittert kann eine Stimme mit 19 Jahren klingen? Archy Marshall aka King Krule gibt darauf auf Mount Kimbies »You Took Your Time« die eindrucksvollste Antwort. »I was not born to be taught/I was born to be exposed in the storm« erklärt Archy halb raunend, halb rotzend und darunter ziehen Mount Kimbie Orgel-Sounds um die Ecken, zupfen die Gitarre, vergessen Post-Dubstep an der Tanke und fahren stattdessen in Richtung Wir-Brauchen-Eine-Neue-Genre-Beschreibung für diesen Sound. PK

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Lone – Airglow Fires
»Airglow Fires« schießt an hell strahlenden Synths auf 120Bpm in Peaktimes unter freiem Himmel. Was den Song so besonders macht ist die Mischung aus 80er Jahre-»Rawness« und spacigem Glamour-House. Saftige Synth-Pads und Xylophon sprühen über stumpfe Kickdrums und ein winziges Vocal-Sample. Lone feuert »Airglow Fires« solange an, bis der Schweiß vom Song tropft, und wringt ihn dann eine Minute lang aus. Der Song wirkt ein Destillat aus »Emerald Fantasy Tracks« und »Galaxy Garden«: Das ist das Beste, weil Fokussierteste, was Lone in den letzten Jahren veröffentlicht hat. PK

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Burial – Hiders
Es geht los wie immer: Taperauschen, Regen und diese Vocalsamples, dazu ein paar großgestige Chords. Aber dann: Flashdance-Gedächtnisdrums. Burial verarscht uns. Ein paar Takte weiter auf einmal wieder Rauschen und Paranoia, ein jähes Ende nach viereinhalb Minuten. Was ist da eben passiert? FA

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Thundercat – Oh Sheit, it’s X
Von Busenfreund Fly Lo zeitnah als das bessere Get Lucky bezeichnet, ist Thundercats »Oh Sheit It’s X« retrospektiv der eigentliche Sommerhit 2013 gewesen. In einer guten Welt, that is. Ohne Umschweife knallt der nun wirklich ohne Hyperbeln als Virtuose zu bezeichnende Brainfeeder uns eine deftige Parliament-Bassline vor den Latz, zupft Gitarre und Bass wie der purpurne himself und croont dazu noch Springbreakers-Lyrics für Romantiker. DER Hit auf einem großen Album. FA

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Florian Kupfer – Feelin
2013 war auch das Jahr, in dem es schick wurde zu lamentieren, dass es Morelli der L.I.E.S.-Gemeinde unnötig schwer mache. Ich würde nach wie vor behaupten, dass daran »Feelin«, das Debüt des Wiesbadeners Florian Kupfer Schuld war. So auf den Punkt produziert wurde dort nach der Katalognummer 14.5. nämlich nur noch selten. Ride und Hi-Hats bis zum Anschlag offen, zunächst unglaublich schroff und warehousy, schält Kupfer schließlich eine kontemplative Melodie aus dem rauen Rhythm-Track, durch die ein ungeheuer repetitives Vocal-Sample läuft. Nach vier Minuten wird dann noch eine Acid-Figur angedacht und rasch wieder fallen gelassen, vermutlich mit der Erkenntnis, dass hier schon alles vorhanden ist, was eine House-Hymne braucht. FA

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Rocko feat. Future & Rick Ross – U.E.N.O
Wenn es in Deutschland nicht Mc Fitti und Schergen bräuchte, um der Jugend amerikanische Redewendungen näher zu bringen, dann hätte U.E.N.O (you don‘t even know it) die Nachfolge von YOLO antreten können. Ich habe all dein Bier getrunken – U.E.N.O, ich bin mit Vatis Auto ohne Führerschein gegen das Auto von Onkel Rolf gefahren – U.E.N.O. So weit ist es nicht gekommen. Trotzdem, oder gerade deswegen, ist Rockos Songs mit den taumelnden Synths nachhaltig in unseren Hirnwindungen hängen geblieben. Die Remixe mit A$AP Rocky oder der Black-Hippy-Crew beziehen wir übrigens einfach mit ein. PK

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Huerco S – Apheleia’s Theme
Und noch so ein Track, auf den wir eine Ewigkeit gewartet haben. Von den Kolumnenfavoriten Funkineven und den Beautiful Swimmers bereits hoch- und runtergespielt, ließ »Apheleia’s Theme« – dank der wohldokumentierten Probleme im Hause Future Times mit amerikanischen Vinylpresswerken – in physischer Form ewig auf sich warten. So gerade produzierte der Newcomer auf seinem bald darauf folgenden Album nicht mehr, aber obwohl hier die Einflüsse, von Basic Channel bis Robert Hood, wesentlich transparenter waren als auf Huerco S’ sehr idiosynkratischen Album-Cuts, klang dennoch keiner dieser auf Berghain gebürsteten Techno-Banger der teutonischen Konkurrenz auch nur ansatzweise so wohlstandsbauchig und atmosphärisch wie diese Maxi. FA

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Forest Swords – Ljoss
Hätte es ihn vor zehn Jahren schon gegeben, wären meine Ninja Tune Platten vermutlich nie im undankbaren, weil eigentlich immer von mindestens einem Karton versperrten linken unteren Fach im Regal verschwunden. Forest Swords macht 2013 all das worauf ich nach RJD2s «Deadringer« dann vergeblich gewartet habe. »Ljoss« ist eines dieser Kleinode, das nie nach schnöden Downtempo Beats klingt, im Gegenteil: Forest Swords Musik entzieht sich in der Wahrnehmung vollkommen dem von Endtroducing etablierten Primat des Cut/Paste, jedes einzelne Element wirkt wie ein flüchtiger Live-Moment, seien es die Western-Gitarren, die gedubbten Vocals oder das gleich zu Beginn eingesetzte und rekurrierende Melodiefragment. FA

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Sfire – Sfire3
Viele viele Platten umfasst meine Discogs-Wantlist, keiner anderen habe ich aber dermaßen entgegengesehnt wie Sfire‘s »Sfire3«. Gute drei Jahre sind vergangen, seitdem John Roberts diesen Song in seinem mittlerweile legendären Podcast für Little White Earbuds gespielt und mich nicht mehr losgelassen hat. Ende des Jahres dann, endlich endlich, wurde es veröffentlicht. Warum aber fesselt dieses Stück so ungemein? Es ist diese Zeitlosigkeit, dieses Gefühl, mit dem Sfire hier tatsächlich Synthpop Marke Manchester 85 hier unverkennbar in die Neuzeit retten. Ein aufgeladenes Arrangement melodischer Synths, reduziert vorgetragener Percussion, deren Drumrolls und Snares sich sich peu a peu entladen und diese bedeutungsschwangeren Vocals, die bis in die Nackenhaare vordringen. Dieser Song lässt einen nicht kalt. PO

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Kanye West – Hold My Liquor
Ich überlege nun schon seit einer halben Ewigkeit, ob Kanye West in seiner Karriere einen Track gemacht hat, der das Enigma mit pathologischem Messiaskomplex besser erfasst als »Hold My Liquor«. Bisher erfolglos. Uns Yeezus lässt hier Hip-Hops Indie-Go-To-Tränensack Justin Vernon mit oder besser gegen Chicagos erfolgreichstes Schmuddelkind harmonisieren. Gut, Versuche solcher vorsätzlichen Clash of Cultures gab es viele, es ist aber immer wieder West, West und nochmal West, der so was dank seiner prismenartigen künstlerischen Identität zusammenführt. Der große Shawn Carter lümmelte satt und ausgebrannt mit Chris Martin im Beach Chair, Kanye bekommt einen Tobsuchtsanfall, wenn das mit seinem Croissant in Paris (mit stummem S, bitte) zu lange dauert und irgendwie ist das zwischen all diesen megalomanischen Yeezy-Ismen wieder so unendlich traurig und zerrissen. Dabei könnte es doch so gemütlich sein auf dem Thron. FA

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Dean Blunt – Papi
Dieser eine Moment am Ende von Dean Blunts »Papi»«, der eignet sich hervorragend für Silvester. Der von den Personen im Hintergrund intonierte Countdown zählt das Jahr begeistert runter und leitet noch euphorischer in das neue über. Bis dahin entsinnt man sich, welche schönen Momente man mit Dean Blunt anno 2013 teilen konnte. Exemplarisch eben »Papi»«, das den manchmal kauzig wirkenden Dean Blunt bis zur Hüllenlosigkeit entblößt. Es bleibt im Unklaren, ob Dean Blunt hier eine gerade verloren gegangene Liebe betrauert oder diese noch Bestand hat, dieser brüchige Gesang auf diesem bombastischen Streicherteppich, der einem Pink Floyd-Sample zugrunde liegt, ist einer der wunderbarsten, einer der ehrlichten und zugleich einer der rohsten Popmomente des Kalenderjahres 2013. PO

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Drake – Tuscan Leather
Kurz gesagt – wir lieben Drake. So sehr, dass wir unsere Gedanken bündeln mussten. Weil man den guten Aubrey immer direkt psychoanalysieren will und aber gleichzeitig auch chirurgisch präzise Snares ehren muss. Weil Drake Drake ist.
PO: 20 Millionen hat Drizzy Drake mit dem letzten Album gemacht. Jetzt will er keine Radiotracks mehr machen, sie spielen ihn erst Recht. Ist er deshalb so wütend?
FA: Das ist irgendwie so niedlich, dass er das ganze Intro eigentlich total verunsichert ist und immer von außen auf sich schaut. Komplett das Gegenteil von Cake Cake Cake Carter.
PK: Und das ist halt trotz aller Sich-Selbst-Von-Außen-Sehen-Scheiße, Ego-Balls-Brust-Raus-Drizzy. Um es in Drakes Worten zu sagen: er fängt mit jedem Beat ‘ne Affäre an, lebt sich so richtig aus, aber geht dann weiter. Ohne zu jammern, zumindest hier. Drake hat sich auf dem Intro selbst gefunden Warum habt ihr den von allen Songs gewählt?
FA: Schon weil der quasi ein Album innerhalb des Albums ist und inhaltlich am relevantesten. Paul wollte ursprünglich »Pound Cake«, ich »The Language«, aber »Tuscan Leather« ist alles auf einmal.
PK: Einerseits findet er sich ultrageil, klar that new Drizzy Drake, that just the way it goes, andereseits pienst er Nicki hinterher und gesteht Fehler ein und schickt dann aber noch Lehrerbotschaften raus (You have to accept no one except yourself) – somewhere between iconic and völlig von der Rolle. DIE Kunstfigur Drake gibt es nicht, es gibt Aubrey, einen scheiss fehlbaren Dude. Aber trotz aller Zerissenheit und drei verschiedener Beats, schafft er es alles miteinander zu verbinden und in eine Musikalität umzusetzen, die Rap-Musik so nicht kennt und mit der sich Aesop-Rock-Fans immer noch unbedingt schwertun wollen.
PO: Ihr und eure Metakritik. Können wir dennoch feststellen, dass das der beste Heatmakerz Beat seit Tha Mobb ist? Dieses zurückgedrehte Sample, das Arrangement und die Stelle, an der Boi-1da mehr Druck auf die Snare legt. Da steckt Power dahinter. Wenn man dagegen »Over My Dead Body« oder »Fireworks« vom den vorherigen Alben als Maßstab nimmt, stellt man fest: Drake hat was zu sagen!
PK: Unbedingt festhalten, ja!
FA: In a comfortable bed.

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