Ivan Conti war mit Leib und Seele Musiker. Wenn er an seinem Schlagzeug saß und spielte, wie noch im letzten Jahr bei einem Konzert auf der Insel Lindwerder in Berlin, dann strahlte er das Lächeln eines Kindes, das ganz bei sich ist. Viele versuchen sich diese unbeschwerte Freude zu erhalten, den wenigsten gelingt es. Ivan Conti, den bereits seine Schulkameraden in Rio de Janeiro nach dem portugiesischen Wort für Papaya nur »Mamão« riefen, sagt vor knapp einem Jahr in einem Interview mit dem Blog It’s Psychedelic Baby: »Musik ist das Element, das den Menschen in ein göttliches Wesen verwandelt!« Und so war es auch bei ihm.
Ein Meister der Rhythmik
Aber er war nicht nur ein Schlagzeuger, der sein Instrument liebte. Er war auch ein Innovator. Sein Spiel hatte die Tightness des Funk, die Ekstase des Samba und die melancholische Tiefe des Bossa. Das konsequente Zusammendenken westlicher Musik mit den feinen Rhythmen seiner brasilianischen Heimat stellt ihn als Schlagzeuger auf eine Stufe mit dem Nigerianer Tony Allen.
Das konsequente Zusammendenken westlicher Musik mit den feinen Rhythmen seiner brasilianischen Heimat stellt ihn als Schlagzeuger auf eine Stufe mit dem Nigerianer Tony Allen.
Diesen zwischen den Welten angesiedelten Sound hat er vor allem mit seiner Band Azymuth zum Leben erweckt. Samba doido, verrückter Samba, wurde ihre Musik getauft. Ivan Conti lernt 1968 José Roberto Bertrami (✝2012) und Alex Malheiros kennen, sie gründen die Coverband Grupo Seleção und sind zunächst vor allem als Sessionmusiker aktiv, spielen mit Arthur Verocai, Erasmo Carlos, Gal Costa, Jorge Ben, Raul Seixas. Ihren Namen verdanken sie Marcos Valle, auf dessen Album »Previsão Do Tempo« sie als Backingband zu hören sind. Seit 1973 spielen sie eigene Lieder. Ihr erstes Album »Azimüth« erschien 1975, rund 30 weitere folgten. In diesem Jahr feierten sie ihr 50-jähriges Bestehen und planten aus diesem Anlass für den Sommer eine große Tournee.
Niemals müde
Ivan Conti, Jahrgang 1946, ist auch im Alter nicht ruhiger geworden. Ganz im Gegenteil. Nichts konnte ihn aufhalten. Bei einer Hüftoperation im Jahr 2005 wurde ihm Titan auf der rechten Seite implantiert, der Seite, die für die Bassdrum zuständig ist. Die hatte danach mehr Wumms, aber nicht weniger Swing. Ende der 2010er Jahre folgte (dank einer großen Spendenaktion) die linke Seite, die Hi-Hat-Seite. Aber auch das konnte ihn nicht aufhalten.
Unermüdlich tourte er weiter, veröffentlichte in den letzten 15 Jahren einige seiner interessantesten Alben wie »Fênix« mit Azymuth, das weitgehend im Alleingang eingespielte Soloalbum »Poison Fruit«, auf dem er mit Elementen der elektronischen Musik experimentierte, oder das zusammen mit Madlib als Jackson Conti aufgenommene »Sujinho«, das ihn 2008 schlagartig bei einem sehr viel jüngeren Publikum bekannt machte. Eine ausgeprägte Neugierde und Leidenschaft für Musik jeglicher Couleur trieben ihn an.
Wie seine Plattenfirma Far Out Recordings gestern in einer Pressemitteilung bekannt gab, ist Ivan Conti überraschend im Alter von 76 Jahren verstorben. Die Todesursache wurde nicht genannt.
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