Zomby – Der Geheimniskrämer der Bassmusik

05.07.2011
Foto:Kate Garner 4ad
Er ist die große Unbekannte britischer Bassmusik und gleichzeitig eine seiner Protagonisten. Nun legt Zomby sein Album __Dedication__ vor, überrascht mit dem Verzicht auf wildzuckende Momente und verdunkelt seinen Sound. Der Bass aber bleibt.

Gerade mal ein halbes Jahr ist es in etwa her, dass ein junger Brite namens James Blake mit Wunderkind-Status sein selbstbetiteltes Debüt auf den Markt schmiss, findige Feuilletonisten den Terminus »Post-Dubstep« einführten und plötzlich alle Welt meinte, etwas zu entschleunigter Bassmusik beitragen zu müssen. Die Irgendwas-Step-Welle brachte es leider auch mit sich, dass Wobblebässe und Sägezahnsynthies sich ihren Weg in die Charts und derer Orts vorherrschende Plastikproduktionen frästen. Schon lange vor den Skrillex, Skreams und Designer-Dubbern dieser Welt fragte sich Zomby vor gut drei Jahren auf seinem Debütalbum Where Were You in 92?. Darauf zu hören: Ein popkultureller Potpourri, zusammengezurrt durch einen bassmusikalischen, roten Faden. Die Tendenz, jegliche Step-Auswüchse mithilfe von Vocals aus dem Soulsegment aufzulockern, kam dabei genau so zum Ausdruck wie Rap-Referenzen und der zum damaligen Zeitpunkt omnipräsente 8-Bit-Murks oder träumerisches Trancegeboller. Hier traf die Eleganz einer Aaliyah auf das Druffi-Gehabe eines Gucci Mane auf den Nostalgi-Faktor von Street Fighter und die imposante Fähigkeit, diesen Synapsenzirkus unter einen Hut, äh, hinter eine Maske und auf Platte zu bringen. Fertig war eine zeitgeistige Huldigung an die längst vergangenen Rave-Tage.

Verschleierung als Masche
Was genau in dem Kopf hinter der Anonymous-Maske mit Victor-Emanuel-Bart vorgeht, kann man nur vermuten. Bezüglich der musikalischen Sozialisation, ist bei Zomby jedenfalls nichts überaus Ungewöhnliches zu berichten. Der Vater macht Musik und der Sohn greift dann halt mal in den Instrumentenschrank, spielt ein bisschen rum, hat in erster Linie aber Fußball im Sinn.
Erst mit 14 oder 15 Jahren, als das runde Leder nicht mehr sonderlich interessant ist, experimentiert er mit einem Freund herum, loopt und cuttet Breaks zurecht, die mehr nach Dada-Jungle als nach ernstzunehmenden Tracks klingen. Aus Drumfitzelchen und ersten Gehversuchen auf dem Sampler und an den Turntables kristallisierte sich irgendwann ein Amalgam heraus, welches von Eskibeat-Einflüssen genau so wie von verkopftem IDM oder Dubstepzählarten gezeichnet ist – ein junger Aphex Twin auf Acid, einen Finger stets am Videospielcontroller.

Die Tendenz, jegliche Step-Auswüchse mithilfe von Vocals aus dem Soulsegment aufzulockern, kam dabei genau so zum Ausdruck wie Rap-Referenzen und der zum damaligen Zeitpunkt omnipräsente 8-Bit-Murks oder träumerisches Trancegeboller.

Das Album als Kampfansage?*
Mit Dedication steht jetzt nach dem Mini-Album One Foot Ahead Of The Other der nächste große Wurf an. Dabei ist Dedication das Debüt auf dem Label 4AD, welches mit einem Roster von Efterklang über TV On The Radio bis hin zu Beirut gut und gerne als Indie-Bank bezeichnet werden kann. Schon das Intro Witch Hunt flimmert und flirrt dermaßen nervös herum, dass einem ganz schummerig wird. Ob der Titel nun als Kampfansage gegen die Grave Rave- und Drone Pop-Ausgeburten des letzten Jahres verstanden werden kann, sei mal dahingestellt. Fest steht jedoch, dass schon mit diesem Intro die Marschrichtung vorgegeben wird. Black Orchid ist ein glitzerndes Videospiel, welches leichtfüßig im Jump’n’Run-Stil von Polygon zu Polygon hoppst, während Vortex sich fast gänzlich dem Bass verschrieben hat. Zomby hat natürlich auch die Trance-Tremollo drauf, die schmachtenden Vocalfetzen, die ein fieses Bollerbrett aus dem Untergrund in Nullkommanix zu einem hymnenhaften Hit für die Hallen transformieren lassen. Diese wild zuckenden Momente hält er aber wohlwissend unter Verschluss. Das kann er, weiß er, wissen wir. Überraschend sind dann die Momente, in denen sich z.B. ein Noah Benjamin Lennox von Panda Bear auf den Track gesellt und die Lücken auf Things Fall Apart zwischen den Snare-Stakkato und flimmernden Synthielametta mit seinem schmachtenden Gesang füllt.

Schwarze Stimmung
Luzifer, Tod, Hexen, Satan – auch, wenn die pluckernden Synths, Dur-Bassläufe und Rave-Abfahrten eigentlich etwas anderes suggerieren, ist Dedication von einer schweren, schwarzen Stimmung eingefärbt. Ein dunkler Teppich aus Groll, Hass und schlechter Laune. Radikal, rüpelhaft und referentiell gleichermaßen. Dazu passt wohl auch die selbstauferlegte Anonymität des Maskenmannes. Die geheimnisvolle Aura des verschleierten Stadtmusikanten mit den Sounds für den urbanen Misanthropen, wie sie einst Burial ausstrahlte, erlangt Zomby damit jedoch nicht. Und wie die SPEX schon bemerkte, schützt eine Maske auch nicht vor Tantiemenforderungen russischer Popsternchen, deren Stimmchen man sich klammheimlich für Natalia’s Song borgt. Verschleierung, Pseudonym-Pop und selbstreferentielle Geheimniskrämerei haben eben ihren Reiz verloren – zum Glück ist das der Musik egal.