Wie Stacks die Düsternis im Pop beschwören

04.07.2022
StacksFoto:© Knekelhuis
Das belgische Duo Jan und Sis Matthé macht nach eigener Aussage wahlweise elektronische Popmusik oder eben Songs mit Synthesizern und Stimmen. Allerdings klingt ihr Entwurf so sakral, so düster, so anders, so tiefgehend, dass ihr neues Album »Love And Language« wie eine Beschwörung anmutet. Nur wovon?

Wie ein Echo aus den Untiefen der Achtzigerjahre: Die Songs auf dem Album »Love And Language« hören sich an, als ob Stacks sie zu dunkler Stunde in den Ruinen einer Kirche mit Diskokugel über dem Altar aufnahmen. Wäre da nicht der sakrale, weite Gesang, würde dieser Sound wie von Menschen verlassen anmuten. »Wie die Vocals klingen, das ist die Essenz der Band«, sagt Jan Matthé. Sein Bruder Sis und er verbergen sich hinter Stacks.

Synthesizer erzeugen in dem Sound des Duos weite Flächen. Auf der Stimme liegt stets Hall. Eine Art übermächtige Stimme. »Sis konstruierte diesen Klang der Vocals auf seinem ersten Solo-Album als Stacks vor zehn Jahren, was passenderweise gleich ›Voices‹ hieß.« Eine Spur aus Echos, Hall und verschlüsseltem Raum entsteht so, während Stacks den Gesang pitchen und dehnen. »Diese sakrale Qualität kommt von den Spuren des digitalen Staubs, der durch die Überlagerung entsteht. Es liegt nicht in unserer Hand«, so Jan Matthé.

Was nur zu gut zu diesem Sound passt. Aber immerhin spricht noch jemand aus diesem beunruhigend hypnotischen Klang. Wenn in »The Freedom To Pretend« eine Melodie aus dem Synthesizer sich mit einem Klavier abwechselt, lassen sich alle Gedanken verlieren und nur noch darin versinken. Das Wort »Ätherisch« wurde genau für solche Momente erfunden.

Melodien, zum darin versinken

Die Arbeiten an »Love And Language« zogen sich bereits seit einem Jahr hin, als Knekelhuis-Chef Mark van de Maat anfragte, ob Stacks nicht etwas auf seinem Label veröffentlichen wollten. Sechs Monate bearbeiteten sie die einzelnen Songs noch zu einem Album. »In gewisser Weise ist die Fertigstellung eines größeren Projekts in den Details immer ein Wettlauf gegen Veränderungen in dir selbst, aber ansonsten lief alles glatt«, sagt Jan Matthé. Die meiste Zeit seien sie eben sehr geduldig. Die Aufnahmen fanden in ihrem eigenen Studio in St. Lauri statt, einem Viertel im Süden von Antwerpen. Gelegen zwischen einem Velodrom und der ärmsten Straße der Stadt.

»In gewisser Weise ist die Fertigstellung eines größeren Projekts in den Details immer ein Wettlauf gegen Veränderungen in dir selbst«.

Jan Matthé (Stacks)

»Das Album war fertig, als es uns beim Mastering in Amsterdam im letzten Jahr aus den Händen genommen wurde – einen Tag, nachdem wir die finale Anordnung der Songs änderten.« Aus den Boxen während des Masterings hörten sich die Songs gut an. Kate Bush und die Pet Shop Boys fielen als Namen. Die Liste der Einflüsse liest sich bei Stacks jedoch länger: Talk Talk, Durutti Column, Tears For Fears, Moebius, Roedelius, Cocteau Twins und Prefab Sprout nennt Jan Matthé. Was alles stimmt und nicht stimmt. Denn Stacks haben einen sehr eigenen Sound, in dem sie all diese Klänge zwar beschwören, doch berührt die Musik des Duos nochmal anders. Tiefgehender.

Bereits seit ihren Teenager-Tagen in den Neunzigern wussten die beiden Brüder, dass sie Musik machen wollten. Bald starteten sie ein Hardcore-Band, die in einem staubigen Raum hinter dem lokalen Musikshop »The Golden Touch« übte. »Gute Zeiten. Wir haben nie mehr zurückgeschaut.«

Pop-not-Pop-Songs

Dass ihr Sound so markant, so einzigartig klingt, liegt an dieser langen, gemeinsamen Zeit: »Es fühlt sich wie eine fortlaufende Sache an, aber wir haben 25 Jahre Zusammenspiel in Bands wahrscheinlich zum ersten Mal erfolgreich auf ›Our Body Memory‹ destilliert, dem Vorgängeralbum.« Das war der Punkt, an dem Stacks entschieden, gemeinsam und gleichermaßen an einem Album zu arbeiten, als richtiges Duo mit komplettem Fokus.

Jan und Sis Matthé sind Stacks

Sie sammelten verschiedene Demo-Aufnahmen und verwarfen Ideen vom vorherigen Album, kombinierten die Ergebnisse zu zehn Favoriten. Am Ende schafften es acht Songs auf »Love And Language«. Die vielleicht poppigste Nummer: »People Around«, das mal als schnelles, leichtes New Wave-Stück begann, am Ende aber runtergedreht auf einem anderen Beat landete.

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Und klar, das ist Popmusik. Düster funkelnd. Mit einem unwiderstehlichen Charme. Das Label beschreibt es als ein »Pop-not-Pop«-Album. »Ich bevorzuge Popmusik, die nicht aus den Händen von ausgebildeten Musikern kommt. Deswegen also: Pop-not-Pop«, sagt Jan Matthé. Um gleich die britische Rockband Wire mit ihren »Rules of Negative Self-Definition« von 1977 zu zitieren: »Keine Soli, keine Verzierungen, wenn der Text ausgeht, hört es auf, kein Chorusing Out, kein Abrocken, bleib beim Punkt und keine Amerikanismen.« Ihre Musik sei Pop-Musik, weil sie sich nach außen richte, wie Matthé sagt. »Auf die Welt und die Zuhörer in ihr.« Ihre Musik ist ein Echo, dem sich niemand entziehen kann.