Wenn Grobkörnigkeit ein musikalisches Genre wäre, dann würde der Olymp aus Kollegen wie The Caretaker und William Basinski bestehen, keine Frage. Seit 2021 muss man zwei weitere Plätze für ein New Yorker Duo reservieren: Salenta + Topu. Damals haben Salenta Baisden und Topu Lyo mit »Moon Set, Moon Rise« eine absolute Wegmarke des imaginären Genres gesetzt. Ostinate Figuren werden von einem Klavier und einem Cello in die staubige Luft eines Altbau-Wohnzimmers gezeichnet; Vignetten, die von Klassik – allen voran Erik Satie -, und der langen Geschichte des urbanen Jazz geprägt ist. Die Mittel, die Salenta + Topu nutzen, sind aufs Minimale beschränkt.
Moon Set, Moon Rise
Aus dieser ästhetischen Bescheidenheit wächst indes der Kosmos, in dem sich das Duo austobt. Die zärtlich-sinnlichen Songs wurden mit dem Tonbandgerät aufgenommen, was ihnen eben jene bereits am Anfang gewürdigte Grobkörnigkeit verleiht. Bisher verschwanden die beiden Musiker*innen hinter dem Werk; nur wenig ist bekannt. Wir nahmen ihre ersten Auftritte in Europa – unter anderem beim Meakusma Festival in Eupen – zum Anlass Licht ins Dunkel zu bringen.
Salenta, wo kommst du her? Wie kamst Du zur Musik?
Salenta: Ich komme aus Los Angeles. Es gibt eine lange musikalische Tradition in meiner Familie. Meine Mutter hat Flöte gespielt, mein Vater Bernard tourte als Posaunist durch die Welt [u.a. mit Gap Band, Chaka Khan, Marvin Gaye uvm.; Anm.d.Verf..]. Mein Bruder ist Trompeter, Produzent und Komponist.
Topu, wie sah dein Weg zur Musik und zum Cello aus?
Topu: Meine Mutter hatte die Vision, dass ich mit meinen beiden Brüdern ein Piano-Trio bilden könnte. Während sie aber aufhörten, lernte ich weiter. Meine Schwester zeigte mir dann Schostakowich und das hat mein Leben verändert. Später, in der High School, hat mir meine Freundin einen Abnehmer fürs Cello geschenkt und ich fing an, das Signal durch Gitarreneffekte zu schicken.
Wie kam es zu Eurem Duo, wie habt ihr zusammengefunden?
Topu: Ich habe Salenta das erste Mal in dem Appartment eines Freundes getroffen; sie legte auf. Das war 2017 in Brooklyn. Ein Jahr später trafen wir uns wieder bei dem Freund – dann direkt zu einer Jam-Session. Wir sprachen über Musik und der Rest ist Geschichte.
Ihr spielt beide Instrumente, die eine ellenlange Geschichte haben. Was denkt ihr über Euer Instrument – und was über jenes des jeweils anderen?
Topu: Ich liebe das Cello dafür, dass es so wandlungsfähig und vielseitig ist. Es kann melodisch oder bassig sein, man kann Akkorde spielen und generell jede Rolle einnehmen.
Ich liebe die Art, wie Salenta das Piano spielt. Es ist eine einzigartige, merkwürdige Art, die von viel Spirit und Spaß geprägt ist.
Salenta: Das Piano hat mich seit meinem sechsten Lebensjahr fasziniert – Liebe auf den ersten Blick. Topu spielt das Cello wie niemand anders. Ich liebe die Tonalität des Cellos und Topu bringt das Instrument zum Leben.
»Der Westen beginnt erst zu verstehen, dass es auch andere Stimmungen gibt.«
Salenta Baisden
Beide Instrumente stehen für einen gewissen Kanon weißer, westlicher, männlicher Komponisten. Wie seht Ihr das?
Salenta: Wo soll man da anfangen? »Moon Set, Moon Rise« wurde auf einem Spinett aufgenommen, das 40 Jahre nicht mehr gestimmt wurde. Dadurch hatte es einen mikrotonalen Sound, der eher an asiatische Stimmungen erinnert – wo wir beide sofort anknüpfen konnten. Der Westen beginnt erst zu verstehen, dass es auch andere Stimmungen gibt. Ich sehe unser Projekt also als seines, das Klassik, Jazz und Improv versucht zu rekontextualisieren. Dafür spielen wir so frei wie möglich; bis zu einem Punkt wo Technik nur noch Vehikel für etwas anderes ist.
Ihr spielt als Duo und verzichtet auf das klassische Rhythmus-Instrument Schlagzeug. Ist Eure Musik eine Alternative zum aktuellen Beat-Dogma?
Topu: Unsere Musik ist Beat-Musik! Wir beide spielen sehr perkussiv! Wir sind direkt beeinflusst von Sample-Kultur, Beat-Making, von 404, MPC, 303 etc.
Gab es eigentlich Spielanweisungen oder habt ihr komplett improvisiert – totally from scratch?
Topu: Wir haben nur einen Song bereits vorher als Referenz besprochen: »Have You Met Miss Jones« von Rodgers/Hart. Das haben wir sozusagen gesamplet für »I Have Met Miss Jones«.
Ihr tourt dieser Tage erstmalig durch Europa. Wie setzt ihr dort Eure einzigartige Ästhetik und den Sound um?
Salenta: Es ist eigentlich unmöglich die Platte live zu spielen. Wir können das Spinett nicht mit auf Tour nehmen und für uns gibt es auch keine Möglichkeit dieselbe mikrotonale Stimmung umzusetzen. Was aber möglich ist: Im Gedanken des Albums zu spielen, im Spirit, der unsere Musik überhaupt zu dem macht, was sie ist.