Der Ansturm war groß, als in der vergangenen Woche der legendäre Dirigent und Erneuerer der Klassik Claudio Abbado mit Freunden und Wegbegleitern im Rahmen der Mosse Lectures über das Verhältnis von Musik und Politik sprechen wollte. Der versprochene interessante Abend endete in einem an Langeweile und unfreiwilliger Komik kaum zu überbietenden Schauspiel. Zunächst schien man sich kaum einig werden zu können, was denn der politische Anspruch an Musik sein könnte. Da rettete sich Abbado recht schnell in die Kulturpolitik und zählte all die Jugendensembles auf, die er im Laufe seiner Karriere nicht ganz ohne Eitelkeit ins Leben gerufen hatte. Doch das konnte nur ihn selbst zufrieden stellen. Denn das Behandeln von politischen Themen oder die politische Geste (im Stile der Abbados, Rattles und Geldofs dieser Welt) sind dem Genre nicht immanente Symbolhandlungen, die von der darunter verborgenen Frage, ob die Musik selbst Motor von tatsächlicher Veränderung sein kann, eher wegführen. Eine Antwort, wie sich diese Kraft von Musik gebärdet und den Beweis, dass es diese implizite politische Funktion von Musik tatsächlich geben könnte, tritt der Dokumentarfilm Benda Bilili an, der seit Donnerstag in den deutschen Kinos läuft. Benda Bilili erzählt die Geschichte einer Band aus der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa. Über fünf Jahre haben die französischen Filmemacher Florent de la Tullaye und Renaud Barret die körperbehinderten Straßenmusiker begleitet und dokumentiert, wie sie es immer wieder schaffen allen gesellschaftlichen und privaten Rückschlägen zum Trotz in der Musik eine auf kulturelle Wurzeln vertrauende und permanente Innovation und Evolution wagende Ausdrucksform und Kraft zu finden. Es handelt sich um eine Kraft, die sich nur aus sich selbst entfalten kann, die nur in ihrer Performativität, nicht als Gedachtes – stets als Gemachtes, existiert. So lässt sich verstehen, warum es einem bei der Suche nach dem Verhältnis von Musik und Politik die Sprache verschlagen kann, warum Versuche der Verquickung oft so bemüht wirken. Sicherlich, der internationale Erfolg der Band Staff Benda Bilili wäre ohne den Dokumentarfilm und seine Uraufführung in Cannes im vergangenen Jahr nicht denkbar gewesen, womit es sich im klassischen Sinne schon nicht mehr um einen reinen Dokumentarfilm handelt, doch kommt der Film ohne die paternalistische Perspektive eines Buena Vista Social Clubs aus. Wo der Dokumentarfilm von Wim Wenders doch eigentlich ein Film über die Sehnsüchte der Europäer ist, schafft es Benda Bilili fernab der Spezifikationen des Kulturraums etwas Allgemeines über Musik zu sagen, indem er die Performance anstelle der Podiumsdisskusion wählt.
Unter dem Titel »What In The World – Neue Musik« findet sich an dieser Stelle jeden Monat eine Betrachtung, ein Gedanke, eine Frage, die jenseits von kultur- und genrespezifischen Grenzen ein Phänomen beim Schopfe packt und es benennt. Soziokulturell, topologisch, ästhetisch: Die Kolumne versucht Linien offenzulegen, die die hier portraitierten Künstler und Werke eint und im besten Sinne einer Randnotiz versucht eine Kette von Gedanken und Fragen zu befruchten.