Nach 30 Jahren Hip Hop in Deutschland weiß jeder was eine »Atze« ist und wo man »Digga« sagt. Doch auch wenn die Rhein-Metropole Köln in Sachen Deutschrap bisweilen etwas stiefmütterlich behandelt wird, dürften Deutschrapper bald ebenfalls verstehen, was mit »Veedel« gemeint ist – das kölnische Wort für Stadtteil. Dazu beitragen könnte Veedel Kaztro, welcher im letzten Jahr mit seinem »Büdchen Tape« zunächst die Blogs, dann JUICE-Redakteur Marc Leopoldseder und schlussendlich Oliver Von Felbert von Melting Pot Music überzeugen konnte. Ein beinahe gewöhnlicher Karriereschub in Zeiten von VBT und dem allgemeinen Internet-ADHS, dem der Rheinländer ein lässiges »Kölsch, Kippe, Lederjacke« entgegensetzt.
Von Lokalpatriotismus nimmt Veedel Kaztro dennoch Abstand. »Der Name Veedel Kaztro war naheliegend, weil es ein Wortspiel ist und direkt eine Connection zur Stadt bringt. Aber es gibt viele Leute aus Köln, die sich extrem darauf versteifen und immer nur über Köln erzählen. Das ist nicht so mein Ding.« Trotz des entspannten Lifestyles aus Bier vorm Büdchen und verkaterten Serien-Sonntagen mit »Shore, Stein, Papier«, nimmt Veedel Kaztro nicht alles für bare Münze. Die Geschwister hören Grunge oder Hardcore, Mama hört Punk – Konventionen zu hinterfragen, wird ihm fast auf das Schulbrot geschmiert. »Mein Bruder war Hausbesetzer und hat mir daher auch einige Dinge auf quasi-erzieherische Weise vermittelt«, sagt der Deutschrapper im Interview. Keineswegs sieht Veedel Kaztro dies als Widerspruch zu seiner Hip Hop-Affinität. »In ihrer ursprünglichen Form gleichen sich die Attitüden der Punk-Bewegung und der Hip Hop-Bewegung sehr. Es sind beides sehr subversive Szenen, die sich immer kritisch mit ihrer Umwelt befassen – die großen Unterschiede sind eigentlich nur oberflächlich.«
Augenzwinkern und Humor »»In ihrer ursprünglichen Form gleichen sich die Attitüden der Punk- und HipHop-Bewegung sehr. Es sind beides sehr subversive Szenen, die sich immer kritisch mit ihrer Umwelt befassen – die großen Unterschiede sind eigentlich nur oberflächlich.«
Mit Oberflächlichkeiten will Veedel Kaztro sowieso nichts am Hut haben. Weder interessiert ihn das Genre-, noch das Schubladendenken mancher HipHopper. Er hört »Illmatic« und »Flockaveli«, bewundert Premo genauso wie Lex Luger – der traditionalistische Ansatz vom »Büdchen Tape« verstehe sich eher als Tribut, nicht als Marschrichtung. »Ich weiß nicht, warum so viele Leute Samples mit ›Realness‹ in Verbindung bringen. ›Realness‹ hat ja etwas mit deiner Person zu tun und nicht mit deiner Musik. Es gibt nicht diesen einen wahren HipHop und alles andere ist weniger ›echt‹.«
Veedel keept es ohnehin ›real‹, wenn er die Nachwehen des Bierkonsums durch eine Katzen-Metapher idealisiert oder die angebliche Jugendverrohung auf »The Kids Are Alright« kommentiert – »Mission Weltretten « gestaltet sich unterhaltsam. »Ich finde es viel spannender seine Aussagen mit einem Augenzwinkern zu verpacken, Humor einzubringen. Wer nur sozialkritischen Rap macht, limitiert sich selbst und wird schnell langweilig.«_
Ob dafür immer der klassische Boom Bap-Sound herhalten muss, weiß er zu dementieren und kann sich künftig auch vorstellen Dirty South-Beats zu berappen, die vorm heimischen FL Studio bereits fleißig studiert werden. »Inhaltlich ist der South-Sound sicher ein bisschen eingeschränkt, aber diese Musik ist einfach zum Ausflippen gedacht. Ich finde es interessant, wenn du einen Sachverhalt in drei Wörtern auf den Punkt bringen kannst. Das lässt sich ja wunderbar mit solchen hypnotischen Beats kombinieren.« Als nächstes folgt jedoch erst einmal die Fortsetzung des »Büdchen Tape« zu denen er bereits Twit One und Koljah von der Antilopen-Gang als Gäste verrät. Getreu dem Mosaik-Motto seines Lebenslaufs, lobt er auch die Step-By-Step-Strategie seines Labels: »Das kann ja viele Leute im Kopf ficken, wenn man quasi über Nacht bekannt wird. Daher bin ich sehr zufrieden, dass Melting Pot Music so ein bedachtes Tempo vorgelegt – das ist genau richtig.«