»Ich finde, man kann sich die Sachen, die für einen selbst Sinn machen, herauspicken und so sein eigenes Glaubensbild entwerfen. Aber Glaube an sich sehr ist wichtig. Man muss an etwas oder auch nur an sich selbst glauben.« Wenn Umse über seine Meinung zu Religionen spricht, klingt das fast wie eine Zusammenfassung seines künstlerischen Werdegangs. Wo andere halbgare Mixtapes ins Internet feuern oder dem nächsten Trend hinterherhecheln, setzten der Ratinger Rapper und sein Producer Deckah von Beginn an auf behutsames Wachstum. Auch ihr drittes gemeinsames Album »Hawaiianischer Schnee« speist sich aus geschichtsbewusstem Boom Bap und bodenständigen Raps. Die LP ist eine unaufgeregte Hip Hop-Platte aus swingenden Soul-Samples, scheppernden Drums und straighten Lyrics. So lauten die Titel der Tracks etwa »Versuch’s Mal Mit Musik« oder »Dankbar« – anstatt plumpe Provokationen für Party-People zu produzieren, setzt man auf Persönlichkeit und positive Inhalte. Damit ist Umse als Rapper nicht nur einer der letzten seiner Art, sondern obendrein ein sehr angenehmer Gesprächspartner.
Mit »Kunst für Sich« bist du 2014 in den Albumcharts gewesen. Wie stehst du rückblickend dazu und wie hat es sich auf die Produktion von »Hawaiianischer Schnee« ausgewirkt?
Umse: Wir haben uns einfach über diesen Support gefreut. Wir wissen halt nun, dass ein paar Leute darauf warten und sind entsprechend motiviert an »Hawaiianischer Schnee« gegangen. Aber Charts sind uns nicht so wichtig, dass wir es jetzt darauf ausgelegt haben. Beim letzten Album hatten wir ja auch schon Boxen mit T-Shirts auf Bandcamp verkauft, die aber dadurch nicht Chart-relevant waren. Daher war es eine echte Überraschung überhaupt in die Charts zu kommen. Mit dem neuen Album vertreiben wir jetzt Boxen, die in die Chart-Wertung aufgenommen werden und sind gespannt, ob das irgendeine Veränderung bringt. Wir machen damit aber auch keinen Gewinn, das ist nur eine Sache für Fans. Ich selbst bin auch kein Freund dieser Boxen und bevorzuge die klassische Vinyl-Variante – ich stelle das halt nur zur Verfügung für die Leute, die da Bock drauf haben.
Abgesehen davon, dass es sich um eine Marihuana-Sorte handelt: Wofür steht das Sinnbild »Hawaiianischer Schnee«?
Umse: Bei unserer Musik steht, wie bei der Weed-Sorte auch, der Falvour im Vordergrund. Durch den Preis dieser Sorte kann halt man auch von Qualität sprechen und diesen Qualitätsgedanken sehen wir auch in unserer Musik. Man bekommt nicht die Riesenmenge, aber dafür eine qualitative Auswahl. Außerdem ging es auch um diesen Gegensatz, den der Titel im ersten Moment suggeriert – das soll einfach ein Blickfang sein.
Du hast Dike und Aphroe auf dem Album, zwei unbestrittene Rap-Pioniere für den Ruhrpott und Deutschland. Wie nervös warst du während der Aufnahmen?
Umse: Mit Dike habe ich mich tatsächlich bei mir Zuhause getroffen und dort zusammen mit ihm aufgenommen. Wir kamen auch auf Anhieb sehr gut klar, obwohl wir uns vorher nie getroffen hatten. Er hatte meine Musik auch schon auf dem Schirm, das war ein sehr cooler Tag. Aphroe hingegen kannte ich zwar schon, aber wir haben uns die Spuren für den Song nur hin- und hergeschickt. Das war etwas unpersönlicher. Dafür wird er aber bei der Releaseparty am 18.9. in Köln am Start sein.
Auf dem Album gibt es die Passage: »The good life – der »we make the hood look good-Scheiß«/ Ich feier ohne, dass ich Fuffis durch den Club schmeiß’«. HipHop ist heutzutage sehr vielseitig und für fast alle Spielarten gibt es ein entsprechendes Publikum. Warum ist es noch notwendig, sich von anderen Ansätzen abzugrenzen?»Wir distanzieren uns einfach von diesem plumpen Feiern. Da werden oft Sachen reingetragen, die ich nicht leiden kann, wie zum Beispiel diese Augenzwinker-Menatalität, Trash abzufeiern«
Umse
Umse: Diese Line ist eigentlich keine direkte Anspielung auf Sido, wie du das jetzt vielleicht verstanden hast. Sie beschreibt eher mich. Ich mache nie Party. Wenn ich in einem Club bin, sind das entweder meine Aftershowpartys oder ich schaue mir ein Konzert an, was ja auch kein richtiges »Feiern« ist. Ich meine mit der Line eher, dass ich etwas zur kulturellen Vielfalt beitragen will. Wir distanzieren uns einfach von diesem plumpen Feiern. Da werden oft Sachen reingetragen, die ich nicht leiden kann, wie zum Beispiel diese Augenzwinker-Menatalität, Trash abzufeiern. Das ist einfach nicht meine Art.
Machen dich denn Dinge wie Materialismus, Hedonismus oder Sexismus im Rap wütend?
Umse: Nein, ich finde das eher albern und frage mich, warum die Leute sich dabei nicht komisch vorkommen. Ich bin aber auch tolerant und kann Leute gut finden, gerade weil sie so albern sind. Ich bin nur einfach selbst nicht so. Es geht ja in der Musik auch immer darum, sich und seinen Charakter darzustellen. Das heißt ja aber nicht, dass ich solche Sachen nicht tolerieren oder sogar feiern kann.
Du bist jemand, der sich Images verwehrt und für eine gewisse Authentizität steht. Wie eitel bist du denn mit deiner musikalischen Außenwirkung?
Umse: Also, ich bin mir bewusst, dass kein Image zu haben, auch ein Image ist. Ein Image macht man sich ja auch von denen, die keines haben. Ich achte aber lieber darauf, dass es nicht zu spießig und zu kritisch gegenüber anderen wird. Es gibt Leute aus meiner Generation, die bestimmte Dinge nicht zulassen und viel stärker Kritik an Images oder solchen Dingen üben. Ich bleibe aber relativ offen und finde, dass es in jeder Sparte gute Sachen gibt. Man sollte einfach nur gut selektieren. Da geht es auch gar nicht um mehrsilbige Reime oder so. Es muss einfach nur Qualität haben – egal, ob Conscious-Rap oder Straßenrap. Ich hoffe, dass ich nicht so verbohrt auf der 90s-Backpack-Schiene stehengeblieben wirke. Das wäre mir arg unangenehm, weil es einfach nicht so ist.
Du und Deckah arbeiten mittlerweile seit zehn Jahren zusammen. Gab es bei »Hawaiianischer Schnee« Überlegungen, neue musikalische Wege zu gehen?»Ich hoffe, dass ich nicht so verbohrt auf der 90s-Backpack-Schiene stehengeblieben wirke. Das wäre mir arg unangenehm, weil es einfach nicht so ist.«
Umse
Umse: Bei den ersten beiden Alben lief es noch so ab, dass wir uns Skizzen und Samples zugeschickt haben. Für die neue Platte sind wir ein paar Tage nach Holland mit Ordnern voller Ideen gefahren und haben dort produziert. Wir sind mittlerweile sehr schnell darin, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Nach zehn Jahren sind wir halt so ein eingespieltes Team, dass wir immer weniger Zeit benötigen, um zu einem Resultat zu kommen mit dem wir happy sind. Deswegen machen wir auch so viel und releasen dementsprechend. »Hawaiianischer Schnee« ist für uns auch der Abschluss einer Trilogie. Die drei letzten Alben hängen zwar nicht inhaltlich zusammen, aber die Herangehensweise war ähnlich. Für musikalisches Neuland wäre jetzt der Zeitpunkt.
Was wäre denn so ein Neuland?
Umse: Zum Beispiel, die Samples, die wir verwenden, von einer Band in einem Studio nochmal einspielen zu lassen und anschließend auf die Einzelspuren der Instrumente zuzugreifen. Dadurch erreicht man ein anderes Gefühl, als bei einem herkömmlichen Sample. Außerdem kommt man auf neue Ideen, neue Songstrukturen und vielleicht ein bisschen weg von diesem klassischen 16ner-Hook-16ner-Prinzip. Das muss aber alles noch ausprobiert werden, bis das Hand und Fuß hat. Wenn man einen größeren Aufwand betreiben will, ist das ja auch eine Frage der Mittel. Sowas ist ja nicht innerhalb von zehn Minuten gemacht. Das muss man realistisch planen. Aber sind wir halt auch immer noch Freund von der Arbeit mit klassischen Samples.
Du hast schon mehrfach mit Pimf zusammengearbeitet. Wie aufmerksam verfolgst du den Rap-Nachwuchs in Deutschland?
Umse: Ich verfolge schon sehr viel. Ich behaupte auch, die meisten Gesichter zu kennen, die mehr als nur ein Battle oder so gemacht haben. Ich gucke mir aber nicht alles an, schaue nur hier und da mal rein und halte mich so auf dem Laufenden. Es gibt aber derzeit keine bestimmte Person, mit der ich unbedingt zusammenarbeiten möchte. Ich würde mich aber freuen, wenn es bald noch mehr Leute gibt, die einen geilen Sound erschaffen wollen, als jetzt nur reines Rappen und Battlen.