Liest man von der New Yorker Band The Rapture, deren neues Album In The Grace Of Your Love soeben erschienen ist, muss man leider allzu oft die krude Bezeichnung »Dance-Punk« lesen – und natürlich weiß man dann, was damit gemeint ist. Aber ist es nicht ein unheimlich unästhetischer und irgendwie auch ekliger Begriff, den die Musikpresse da aus der Not heraus, mit fuchtelnden Händen zusammengezimmert hat. Er ist fast so dümmlich und nichtssagend wie das Label »Pop-Rock«. Wäre man wenigstens konsequent gewesen, hätte man »Alles und Nichts« darauf geschrieben. Diese begriffliche Not bei The Rapture entsteht aus dem Eklektizismus, den die Band beim Musikschreiben betreibt. Das heißt dann in etwa: Man bedient sich einfach überall da, wo es einem gerade passt. Schmeißt das ganze Zeug – umso gegensätzlicher die Elemente, die kombiniert werden, umso besser – in einen Topf, in dem aber auch ganz viel von einem selbst drin ist.
Übertrieben aufgekratzt
Heraus kamen dann sehr rotzige Songs, die vielleicht eben so rotzig waren, weil man auf Genrekonvention geschissen hat. House Of Jealous Lovers, der Song, der auf der zweiten LP Echoes die Kuhglocke wie kein Zweiter zelebrierte, oder I Need Your Love, die unfassbar einprägsame Single auf Pieces Of People We Love – das waren alles übertrieben aufgekratzte Songs, mit treibenden Bässen und Synthesizern, einer schiefen Gitarre und einem kreischenden Falsettgesang von Songwriter Luke Jenner. Aber so gut die Songs auch waren, sie hörten sich irgendwie alle gleich an und man musste sich auch nur die Titel ansehen, um zu merken, dass man beinahe ausschließlich Liebeslieder zu hören bekam.
Natürlich war es auch eine, wie soll man sagen, neue Retro-Welle, auf der The Rapture da Anfang der Nullerjahre ritten; genauer gesagt, sogar ganz vorne ritten. Denn ihr New York-based Sound manifestierte sich zu einer Zeit, in der man begann, zum ersten Album der Strokes zu tanzen und wurde auch maßgeblich von dem gerade gegründeten Label DFA beeinflusst. Hinter diesem steckte u.a. James Murphy, der mit LCD Soundsystem später einen ähnlichen Sound, vielleicht ein wenig abgeklärter, kreieren würde. Im Gegensatz zu den Strokes oder den White Stripes – den exemplarischsten unter den Post-Punk-Revivalbands, die klassische Gitarrenmusik fabrizierten – klangen The Rapture hingegen von Anfang an wie eine übersteuerte Mischung aus The Cure und den Talking Heads.»Mit der neuen Platte sind wir in gewisser Weise zur ursprünglichen Idee der Band zurückgekehrt, nämlich nicht eingeengt zu sein von einem bestimmten Sound.«
The Rapture
Der rote Faden ist: Liebe
Zwischen Pieces Of People Who We Love und dem neuen Album In The Grace Of Your Love liegen fünf Jahre und der Verlust eines Bandmitglieds. In dieser Zwischenzeit haben The Rapture ihren Sound zum ersten Mal beträchtlich weiterentwickelt – mal abgesehen davon, dass »love« immer noch der rote Faden ist. Es klingt noch lange nicht reif, aber zumindest diese beinahe zwanghafte Aufgekratztheit hat man abgelegt. Anstelle dieser hört man angenehme Euphorie. »Es ist ein sehr emotionales Album. Nachdem meine Mutter sich das Leben nahm, wollte ich etwas Positives erschaffen.« Ja. Sehr viel Optimismus klingt schon gleich zu Beginn des Albums auf Sail Away an. Dazu ein Hauch Melancholie. Blue Bird schafft kurzzeitig eine Psychedelic-Pop-Stimmung. Den Zirkelschluss zu den Vorgängern schafft die erste Singleauskopplung How Deep Is Your Love, deren Refrain zwangsläufig an I Need Your Love erinnert. Auch auf dieser spielte das Saxofon schon eine zentrale Rolle. »Mit der neuen Platte sind wir in gewisser Weise zur ursprünglichen Idee der Band zurückgekehrt, nämlich nicht eingeengt zu sein von einem bestimmten Sound.« Vielleicht, wenn man Glück hat, muss man dann beim nächsten Album endlich nicht mehr »Dance-Punk« lesen, wenn man von The Rapture liest.