The Collector’s Guild – Mitch Alive

27.05.2013
Foto:Nady el-Tounsy
Sammeln ist der diametrale Gegensatz zum Nutzen. Was man sammelt und warum hängt in eklatanter Weise mit der Person zusammen, die all die Gegenstände zusammenrafft. Wer sind also die Sammler und was treibt sie an? Wir machen Stippvisiten…
Sammeln ist ja bekanntermaßen der diametrale Gegensatz zum Nutzen. Was man sammelt und warum hängt in eklatanter Weise mit der Person zusammen, die all die Gegenstände zusammenrafft. Wer sind also die Sammler und was treibt sie an? Dass das Sammeln eine Form des praktischen Erinnerns ist, findet auch Mitch Alive. Wir besuchten ihn in seiner Wohnung in Berlin, wo er uns einen kleinen Einblick über sein Repertoire an seltenen Dingen, darunter ca. 8.000 Schallplatten, gab.

Mit welchem Teil deiner Sammlung fing es an? Ab wann war es Sammeln?
Mitch Alive: Den Begriff »Sammler« fand ich schon immer zweifelhaft. Die Frage erinnert mich an eine Diskussion, die ich vor ein paar Jahren mit MC Spax hatte. Er sagte zu mir: »Du bist doch auch so ein Sammler«, woraufhin bei mir die Alarmglocken angingen und ich ihm haarklein versuchte zu erklären, dass ich ein Liebhaber sei und worin der Unterschied besteht. Ein Beispiel: Der Sammler möchte meistens von einem Sneaker-Modell diverse Farben haben, um die Sammlung zu komplettieren. Wohingegen einem Liebhaber eher die Vielfalt wichtiger ist.

Wie begann also deine »Liebhaberei«?   
Mitch Alive:* Es fing an, als ich etwa 7 Jahre alt war. Da hatte ich eine beachtliche Marienkäfer-Sammlung. Diese lebten vergnügt in einer pompösen Farm, die ich in wochenlanger Handarbeit aus Pappmaschee bastelte. Darauf folgten dann Matchbox und natürlich Musikkassetten. Obwohl ich eine Schwäche für Rock’n’Roll hatte, reichte meine MC-Sammlung von Adriano Celentano bis Zapp & Roger. Ab wann es »Sammeln« war, kann ich nicht genau sagen, nur das sich über die Jahre hinweg ein paar Obskuritäten ansammelten. Obwohl ich mich immer wieder von Dingen trennen kann, habe ich mittlerweile einiges an Firlefanz in meiner bescheidenen Hütte. Da wären neben meinen Schallplatten noch meine Armbanduhren, tragbare Plattenspieler, Mode-Accessoires, Actionfiguren oder diverse Einrichtungsgegenstände mit Seltenheitswert.  

Ist deine Sammlung eine Wertanlage oder spielt das keine Rolle?
Mitch Alive: Also aus der Vogelperspektive betrachtet, ist es natürlich eine Wertanlage, wofür sich einige lieber ein protziges KFZ oder eine kleine Wohnung in der Provinz kaufen. Allerdings sei erwähnt, dass der Wert für mich nicht wirklich von Interesse ist. Also zum Teil würden sich sicher der ein oder andere Fragen, warum zum Henker ich so »exorbitant« viel Geld für »Spielereien« ausgebe, aber das kann man nur schwer erklären. Wenn ich mich für etwas begeistere und ich es mir irgendwie leisten kann (oder auch nicht), ist ab dem Zeitpunkt, wo ich es besitze der Geldwert nicht weiter interessant. Denn schließlich geht es ja um ein Gefühl, somit ist es doch schnurzpiepegal, ob z.B. die Platte 1,50 Euro oder 150 Euro kostete. Das Gefühl ist unverändert.

Wann ist Schluss mit dem Sammeln?
Mitch Alive: (lacht) Schluss? Heißt es nicht »Alles hat kein Ende, nur die Wurst hat zwei?« Nein, ich bin kein Prophet, denke aber, dass es ja irgendwie Teil meines bunten Lebens ist.

»Wenn ich mich für etwas begeistere und ich es mir irgendwie leisten kann (oder auch nicht), ist ab dem Zeitpunkt, wo ich es besitze der Geldwert nicht weiter interessant.«

Mitch Alive
Kannst du dir vorstellen, dich irgendwann von deiner Sammlung zu trennen und was könnte der Grund dafür sein?
Mitch Alive: Durchaus dachte ich schon darüber nach, ob ich dazu in der Lage wäre. Und ich kann ganz klar sagen, dass ich mich jederzeit von meinem Hab und Gut trennen könnte. Das ist bei aller Liebe zu Dingen extrem wichtig, das zu wissen, andernfalls beherrscht dich sonst der ganze materielle Kram. Keine Ahnung, warum ich mich komplett davon trennen sollte, aber die Prioritäten im Leben verschieben sich ja ständig.
    
Ist eine Sammlung auch eine Sammlung von persönlichen Erinnerungen? Welche Erinnerung fällt dir spontan ein, wenn du dir deine Sammlung anguckst?
Mitch Alive: Ja natürlich! Genau darum geht es mir ja… also nicht um den reinen Besitz von irgendwelchen Konsumgütern, sondern eben um Geschichten. Ich kann dir zu beinahe allem, was ich besitze, eine Geschichte erzählen, und sei es nur ein Kühlschrankmagnet oder ein vergilbtes Poster. Wenn ich so meine Schönigkeiten ansehe, fällt mir ein großer Blumenstrauß an Erinnerungen ein. Zum Beispiel fand ich vor einigen Jahren in einer Art Spätkauf in Moskau eine von mir schon sehr lang gesuchte Electro-Rap-Platte für umgerechnet etwa 2 Euro. Diese wurde damals bei einem bekannten Auktionshaus auch gerne mal für über 600 US-Dollar verkauft. Witzig war, dass ich Brot und Fisch kaufte und die Verkäuferin die Platte samt dem Fisch und dem Brotleib in Zeitungspapier einwickelte und mir mit Ihrem charmant faltigem Lächeln einen schönen Tag wünschte.

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