Vor einigen Jahren kannten ihn nur Menschen, die zu viel Tagesfreizeit auf Discogs verbrachten. Mittlerweile ist er der inoffizielle Schutzpatron für Yogastudios in Kreuzberg und Fitnessgurus in San Francisco: Suso Sáiz, ein spanischer Musiker mit Hang zu einem Melodienkorpus, für den man im Detox-Camp viel Geld bezahlt. Seine Musik ist der Inbegriff von Nostalgie für leere Shopping Malls oder endlose Hotelgänge. Eine Sound-Oase, die er seit den frühen Achtzigern blühen lässt – aber erst in den letzten Jahren einer größeren Öffentlichkeit auffällt.
Dass das Amsterdamer Label Music From Memory ab 2016 die alten Scheiben aus den Neunzigern einen neuen Anstrich gab, hat jedenfalls nicht geschadet, um den 64-jährigen Suso Sáiz auf der Ambient-Landkarte für Neoklassik-Traumfänger zu positionieren. Die finden ihn seinem Backkatalog genügend Stoff für die nächsten 25 Trüffeltrips. Schließlich produzierte der Spanier derart viele Platten, dass sogar überzeugte Hobbypsychonauten den Überblick über seinen Output verlieren.
Resonant Bodies
Jahrelang hat man Suso Sáiz deshalb in die Ecke von Esoshops und Räucherstäbchen geschoben. Nicht ganz zu Unrecht. Anfang der 1980er Jahre gründete er mit La Orquesta de las Nubes eine Gruppe an Menschen, die sich bunte Blumen ins Haar schoben und auf Pfannen herumklöppelten. Später schlürfte er am Lianencocktail, um mit Steve Roach und Jorge Reyes beim Grundkurs für Schamanismus zu glänzen. In den Neunzigern lief das bei Starzahnärzten im Wartezimmer. Heute spielen das die Kids zum Closing auf der Technosause.
Dadurch ist Sáiz, der noch immer an Drones herumschraubt, in den Rang eines Altmeisters der Ambientforscherei aufgestiegen. In seinen frühen Experimenten blinzelt Brian Eno ebenso durch wie Nachtwächter-Ausflüge von Stars of the Lid, die im Sonnenaufgang am Sandelholz schnuppern.
Suso Sáiz, der seit Ende der Franco-Diktatur 1975 in Madrid lebt, wiederholt sich nicht gern. »Seine künstlerische Evolution« sei sein wichtigstes Asset. Jetzt erscheint mit »Resonant Bodies« eine Reise, auf der Deep-Listening-Drones in allen Klangfarben die Ganzkörpermassage ersetzen. Für uns hat er 10 Schallplatten ausgesucht, die ihn geformt, gebessert und gebildet haben.
Suso Saiz: In diesem Soundtrack entdeckte ich die Musik von György Ligeti und verstand damit, dass man nicht nur mit elektronischen Instrumenten magische und wunderbare Texturen erzielen kann.
RedaktionContSuso Saiz: Ich bin ein absoluter Fan von Miles Davis und von all seinen Phasen, aber vielleicht sind seine ersten Vorstöße in die Fusion mit der elektronischen Welt und der Welt des Ostinato besonders spannend.ent
RedaktionSuso Saiz: Einer der Meister des Minimalismus und der Beziehung zwischen elektronischer Musik und dem Orient. Hypnotisch und wunderbar.
RedaktionSuso Saiz: Ich habe mir dieses Album oft angehört. Ralph Towner mit seiner spanischen und seiner 12-saitigen Gitarre hat mir geholfen, meine Grenzen auf dem Instrument zu überwinden. Hypnotisierend.
RedaktionSuso Saiz: Möglicherweise das Album, das ich in meinem Leben am häufigsten gehört habe. Ich kehre immer wieder zu ihm zurück. Ich bin ein großer Fan von Steve Reich und seiner schönen und magischen Vision von repetitiver Musik.Content
RedaktionSuso Saiz: Für mich ist Robert Fripp eine Art Lehrmeister, denn mit ihm habe ich andere Wege entdeckt, die Gitarre zu verstehen und zu benutzen.
RedaktionSuso Saiz: Elektronischer Minimalismus. Tiefgründiger und köstlicher Stillstand. Ein Geniestreich.
RedaktionSuso Saiz: Der Vater des Ambient, vor allem aber ein Meister im Verständnis der musikalischen Zeit. Musik verändert die Dimension der Zeit.
RedaktionSuso Saiz: Einige Jahre lang haben Tricky und Trip-Hop im Allgemeinen dazu beigetragen, Vorurteile darüber zu zerstören, wie populäre Musik aufgebaut sein sollte, und ich mag Künstler sehr, die Genres überschreiten.
RedaktionSuso Saiz: David Sylvians gesamte Karriere scheint mir äußerst interessant und ein Beispiel dafür zu sein, wie sich ein Künstler weiterentwickelt. Mit »Blemish« bricht er mit den Archetypen, wie und mit welchen Materialien man einen Song aufbauen kann. Herrlich befreit.
Sebastian Hinz Redaktion