Der Kalifornier Roberto Gyement ist ein Trüffelschwein längst verloren geglaubter Klangjuwelen der Latino-Karibik. In Panama und Kolumbien schnüffelt er seit Jahren nach in der westlichen Hemisphäre kaum bekannten Rhythmen wie Cumbia, Porro oder Descarga. Nach feinster Selektion und Remastering erscheinen sie auf dem britischen Label Soundway Records. Seine neuste Zusammenstellung heißt: CARTAGENA! Cumbia and Descarga sound of Colombia. Es ist die Geschichte des kürzlich verstorbenen Label-Gründers »Curro« Fuentes.
Seit deiner vor fünf Jahren erschienenen †žPanama†œ-Compilation belieferst du Latin-affine Hörer und DJs mit raren Grooves aus der Karibik der Sechziger und Siebziger Jahre. Calypso, Cumbia, Salsa etc. Wie kommt ein Amerikaner dazu sich diesem Genre zu widmen?
Roberto Gyement: Noch vor 10 Jahren hatte ich nichts mit Latin-Music am Hut. Meine Helden waren Black Sabath und Run DMC. Doch im Jahre 2000 zog ich für sechs Jahre nach Costa Rica, dem Heimatland meines Vaters. Um mein Visum zu verlängern musste ich alle drei Monate einen Abstecher ins benachbarte Panama machen. Das sollte mein Leben verändern: Bereits angefixt vom Latin-Sound, suchte ich direkt in der Grenzstadt eine Radiostation auf wo ich tausende alter LPs und Singles kaufte. Sie hatten Tonnenweise Schallplatten. Ich musste meinen Einkauf etappenweise nach Costa Rica bringen. Die Leute guckte mich sehr verdächtig an:»Was will der mit all den Platten?«
Vom Plattensammler zum Compiler für Soundway Records ist es jedoch ein langer Weg…»Unsere Mission ist es die Originalaufnahmen zu finden. Nach Möglichkeit auch die Masters. Danach präsentieren wir auf eine liebevolle Weise diese Musik und ihre Geschichte.«
Roberto Gyement
Roberto Gyement: Nein, der Zufall wollte es so, dass das von Anfang an Hand in Hand ging. Ich verkauft einige Singles über ebay, um mir Reisen nach Panama zu finanzieren. Einer der Käufer war Miles Cleret, der Besitzer von Soundway Records. Er schlug mir vor, eine Compilation über panamaische Musik zu machen. Bei Soundway wollen wir das Beste von obskuren A-und B-Seiten präsentieren, dass bisher nicht erhältlich war. Bei den panamaischen Platten waren sehr viele Stücke außerhalb der Landesgrenzen gänzlich unbekannt. Unsere Mission ist es die Originalaufnahmen zu finden. Nach Möglichkeit auch die Masters. Danach präsentieren wir auf eine liebevolle Weise diese Musik und ihre Geschichte.
Als Panama mit drei Compilations abgegrast war, setztest du zum zum Sprung ins Nachbarland an: Kolumbien. Wieso gerade Kolumbien?
Roberto Gyement: Eigentlich war ich auf der Suche nach einem alten peruanischen Pianisten Namens Alfredito Linares um ihn für ein Musikmagazin zu interviewen. Bei Gelegenheit lernte ich aber Will Holland alias Quantic kennen, der mir die Persönlichkeiten der heimischen Musikszene vorstellte. So tauchte ich in einen neuen Kosmos ein. Dabei war ein immer wiederkehrender Schlüsselbegriff das Plattenlabel Fuentes: Es war immer ein Familienbetrieb. Es zeichnete sich durch eine hohe Aufnahmequalität, eine hohe Qualität der Pressungen und die wunderschönen Cover aus. Sie haben wirklich einen tollen Job gemacht. Meine erste Kolumbien-Compilation widmete sich also exklusiv diesen Aufnahmen.
Roberto Gyement: Alle Stücke auf der Compilation wurden von ihm produziert und aufgenommen. Zunächst auf einer eigenen Marke, »Discos Curros«, und anschließend als Chef-Produzent für Phillips in Bogota. Er war ein Rebell. Aber er hatte wirklich Ahnung von Musik und spielte auch selbst. Und stets mit einem Ohr für populäre Musik: Uptempo zum Tanzen. Er holte alle Cumbia- Bigband- Größen wie Lucho Bermudez und Pacho Galan in die Hauptstadt und konnte über ihre Musiker verfügen. Dabei sind all diese unglaublichen Big-Band-Cumbia Scheiben entstanden. Aber Curro hielt es nicht lange in der Andenmetropole aus. Zu kalt und zu schlechtes Essen, wie er selber sagte. Er startete Ende der Sechziger ein eigenes Aufnahmestudio in Cartagena.
Daher also der Name der Compilation. Worin unterscheidet sich aber der Cartagena-Sound, von dem der Anden?
Roberto Gyement: Curro änderte an der Küste sein Konzept. Weg von Orchestern und raus auf die Straße. Der Sound raucht einfach. Diese jungen Musiker von der »Super Combo Curro« wollten echt harte Salsa spielen. Sie kamen von der Straße und spielten in Strip-Clubs der Rotlichtbezirken von Cartagena und Barranquilla. Und Curro brachte sie mit den erfahrenen Bläsern der Orchester zusammen. Lokale Youngstars wie Michi Sarmiento oder Carlos Roman charakterisieren zum Beispiel sehr heftige Bläsersätze, die sich für mich wie die aufkommende Apokalypse anhören. Die Percussions sind unglaublich und die Aufnahmen sind wunderschön. Dieser Stilmix war etwas Einzigartiges und erschien auf der Candelarios-Curro- Serie. Diese Reihe findet man jetzt auf unserer Compilation.