Slowy & 12 Vince – Heimliche Headliner

23.03.2017
Ihre Liebe zu Graffiti prägt ihre Musik. Die Herangehensweise an beide Ausdrucksformen ist verschiedenen, doch das Ziel ist dasselbe: Wissen, man ist da gewesen. Jetzt wollen sie auch als Rapper Spuren hinterlassen.

Es ist auch ein Schritt vom möglichst unentdeckt bleiben hin zum entdeckt werden.

Außerhalb einer kleinen aber sehr stabilen Fanbase in und um Hamburg waren Slowy & 12Vince lange Zeit nur wenigen bekannt. Das soll sich mit dem neuen Album »Undercover Blues« und dem Auftritt auf der Tapefabrik 2017 nun ändern.

Slowy hat mit 14 Jahren sein erstes Bild gemalt. Die ersten Versuche am Mic hat er erst sechs Jahre später gemacht. Bei Beatproduzent 12Vince war es ähnlich. Auch er malte Ende der 1990er Jahre seine ersten Bilder und kam dann über die Sprüherszene zum Auflegen.

Sein erstes Album »Floweffekt« veröffentlichte Slowy schließlich 2012 – komplett in Eigenregie. Zwei Jahre später erschien dann das erste gemeinsame Album »Ultima Radio« zusammen mit 12Vince. Wer nachts über Bahnhöfe rennt, der wird mit engen Labelstrukturen fast zwangsweise seine Probleme haben. So gründeten die beiden für ihre Musik direkt ein eigenes Label, so dass Flows einfach Flows bleiben durften, ohne von äußeren Interessen ins Stocken gebracht zu werden.

Größtmögliche Freiheit also, als Resultat zieht diese mal wieder nach, dass beim Blick auf den Bankautomaten selten der größtmögliche Kontostand angezeigt wird. Beide leben nicht von der Musik, sondern haben Jobs, die die Fixkosten decken. Dieses Konzept aber ist bewusst gewählt, Slowy sieht diese Aufteilung sogar sehr positiv:

»Man kommt zwar auch manchmal mit der Musik in Bereiche rein, da läuft es eine Zeit lang so gut, wenn man auf Tour ist oder so oder ne neue Platte draußen hat, dass man denkt, man könnte auch davon leben. Aber es ist natürlich auch schwer zu sagen, ich setzt jetzt alles auf eine Karte. Ich find es grad angenehmer zu sagen, die Kunst bleibt frei, ohne sich und mich finanzieren zu müssen. Ich glaub dann macht man auch ein bisschen anders Kunst, als wenn man davon leben muss.«

CITI: Slowy & 12Vince scheinen den Schatten noch mehr gewöhnt zu sein als das Spotlight.:### »Under Pleasure« heißt die Platte, die 12Vince im Jahr 2015 rausgebracht hat. Wo der Druck gestrichen wird, entsteht das Vergnügen, der Albumtitel funktioniert als Gesamtüberschrift für das gemeinsame Schaffen der beiden.

Vergnügen heißt hier aber nicht Stumpfsinn. Die Leichtigkeit der Flows schließt nicht den Tiefgang in den Zeilen aus. Gerade auf dem neuen Album erzählen die beiden inzwischen auch viele persönliche Geschichten. Darin liegt für Slowy ein Unterscheid zum Sprayen, denn, »beim Malen geht es mir dann eher um den Prozess an sich, also um den Spaß am Losgehen und dem Drumherum. Aber das, was man letztendlich als Bild sieht, damit bringe ich glaub ich gar nicht so viel zum Ausdruck.«

Dem Malen ist auch inhärent: die Distanz des Betrachters zum Urheber des Werks, ein Kunstwerk auf der Wand, Künstler unbekannt. Man könnte fast meinen, dass Slowy und 12Vince mit ihrer Musik umso offener den Kontakt mit den Rezipienten aufnehmen, weil die Anonymität des Sprayens diesen nicht herstellen kann.

Slowy & 12Vince
Undercover Blues
Akai47 • 2017 • ab 24.99€
Die Songs sind sehr bildhaft, fast wie ein Blick ins familiäre Fotoalbum. Man sieht den kleinen Slowy bildlich vor sich mit seinen Turnschuhen im VW Bus seiner Eltern sitzen. Im nächsten Track nimmt er einen dann mit, wenn er nachts zum Sprühen um die Häuser zieht. Die Songs schaffen eine große Nähe, die vielleicht genau diese persönliche Zurückgezogenheit im Alltag braucht, damit diese überhaupt entstehen kann.

Die eindeutigste Kontaktsituation aber ist die auf der Bühne, die direkte Interaktion mit den Fans. Man merkt den beiden dabei oft noch an: sie sind die Schatten mehr gewöhnt als das Scheinwerferlicht. In der Tapefabrik wurde ihr Auftritt plötzlich auf die Mainstage verlegt, Slowy & 12Vince waren die geheimen Headliner des Abends. Anfangs waren die beiden durchaus ein bisschen verlegen, aber dann stelle er sich wieder ein, der Floweffekt. Als sie dann wieder ganz in ihrem Element waren, gab es kein Unterschied zum malen: beides ist völlige Präsenz, die Notwendigkeit des Ausdrucks, und da wo der Moment so gegenwärtig ist, ist es egal, was in der Zukunft davon stehen bleiben wird. Ob das Piece morgen schon wieder übermalt ist, der Song schon wieder vergessen. Hauptsache es durfte raus, raus und Teil der Welt werden.