Sharon Jones & the Dap-Kings verkörpern seit ihrem Debüt im Jahr 2002 ein Soul-Revival, das sein musikalisches Programm direkt aus der großen Ära der Soulmusik der 1960er und 1970er Jahre bezieht. Daptone Records das New Yorker Label, dass zu diesem Anlass von Gabriel Roth und Neal Sugarman gegründet wurde, hat seitdem 32 Alben in bedingungsloser Hingabe und Demut an diese Ära der Musik veröffentlicht. Dabei verzichten die Produktionen auf digitale Technik zugunsten der analogen, verzichten auf das Anbiedern an aktuelle Hörgewohnheiten zugunsten einer Bedingungslosigkeit im Sound, die nicht zuletzt dank großer Liebe zum Detail erfolgreich wurde. Im letzten Jahr wurde das eigentlich für 2013 angekündigte Album von Sharon Jones & the Dap-Kings und die dazugehörige Tour zunächst auf Eis gelegt, nachdem Krebs bei Sharon Jones diagnostiziert wurde. Nach Monaten der Ungewissheit, hat sie schließlich eine Tour ab Februar angekündigt. Wir sprachen mit ihr über die Rückkehr zum Album und das, was danach kommt.
Ich habe gesehen, dass die Tour wieder angekündigt ist, also gehe ich davon aus, dass es dir besser geht.
Sharon Jones: Bis dahin wird es mir besser gehen. Ich hatte Neujahr meine letzte Chemotherapie und ja, mein Körper ist noch immer krank, aber ich dachte mir, ab Februar wird es schon wieder gehen. Normalerweise gebe ich immer 110 Prozent, also vielleicht werde ich diesmal nur 100 Prozent geben können. Ich will einfach weitermachen.
Welche Rolle hat Musik in deinem Leben in den letzten Monaten gespielt?
Sharon Jones: In den letzten Monaten hat es nicht viel Musik in meinem Leben gegeben. Es ging nur darum zu heilen.
Ihr habt das neue Album bereits vor mehr als einem Jahr aufgenommen. Wie fühlt es sich an, jetzt zu diesem Material zurückzukehren? Fühlt es sich noch passend an?
Sharon Jones: Ja, es fühlt sich immer gut an, nie unpassend. Wir hatten damals über zwanzig Songs aufgenommen und haben es dann auf zehn für das Album heruntergebrochen. »Retreat« wurde als erster von ihnen veröffentlicht. Und der Song zeigt sehr gut, wie sich die Bedeutung der Lieder verändert hat. Man versteht es vielleicht am besten, wenn man sich das animierte Video [siehe unten] dazu ansieht. Diese Wunden sind jetzt andere, ich rede vom Krebs. Und ich habe den bewältigt und nehme das Mikrofon in die Hand und laufe durch die Welt und bin wieder da. Ich bin wieder da!
Wie sich da plötzlich die Bedeutung verändert hat, ist das so ein Schlüssel zu ›Soul Music‹?
Sharon Jones: Weißt du, ich glaube du hast Recht. Ich habe viele Lieder über die Jahre jeden Abend gesungen, doch jeden Abend ist etwas anders, wenn du auf die Bühne gehst. Es hängt von vielem ab: deiner Stimmung, dem Publikum – das Lied fühlt sich plötzlich anders an.
Und sucht das Publikum nicht genau danach? Ich denke ›Soul Music‹ ist zeitlos und es geht darum, sich zu assoziieren, die Gefühle quasi anzuziehen, auszuprobieren, sich mit der Geschichte zu identifizieren, sie zu der eigenen zu machen bzw. sich selbst zum Protagonisten. Und das fällt auf, dass der Flucktpunkt von Soul Music sehr oft der erfahrene Schmerz, das gebrochene Herz ist.
Sharon Jones: Aber nicht alle Soul Music handelt vom Schmerz und vom Kampf. Man erzählt eine Geschichte. »New Shoes« etwa, das ist doch ein fröhliches Lied. »I got some new shoes …« [singt] Warte, »I got some new shoes« und dann »I got my back to leave you with my new shoes on«. Also vielleicht hast du Recht, es ist zwar ein fröhliches Lied, aber da gibt es immer auch eine gewisse Melancholie. Ich habe das Lied noch nicht so gesehen.
Man hat eine gute Zeit und feiert, aber es gibt ein Wissen über den Schmerz. Den, den man erfahren hat und den, den man noch erfahren wird. Der Unterschied ist, dass man nicht zu Hause bleibt und weint, sondern mit diesen Gefühlen rausgeht und tanzt. Ästhetisch sind deine Lieder und alles bei Daptone Records ja der Musik der späten Sechziger und frühen Siebziger entlehnt. Ist das eigentlich Nostalgie?»Ich hoffe, dass wir niemals diesen Soul verlieren, dass wir immer weitermachen werden.«
Sharon Jones
Sharon Jones: Wir haben von Anfang an diese Art von Musik machen wollen, das war das Ziel von Daptone Records: Es Oldschool halten, die Sixties, die Seventies, das wollten wir machen. Natürlich könnten wir auch Rap machen oder Pop, aber wir wollen keinen Pop. Wenn wir das ändern, ändern wir alles. Unser Ziel ist es Daptone Records für Funk und Soul zu erhalten.
Durch Daptone und Truth & Soul wurde Soul ja auch wieder interessant für ein junges Publikum, dem die Verbindung zum Ursprung der Musik vielleicht nicht so klar ist. Wie kam es eigentlich dazu, dass das plötzlich wieder »fresh« war?
Sharon Jones: Es ist passiert, weil wir dem treu geblieben sind, was wir tun. Es ist passiert, weil Daptone, Truth & Soul und all die anderen Labels in den USA und in England weiter gemacht haben. Und ich hoffe, dass wir niemals diesen Soul verlieren; dass wir immer weitermachen werden.
Neben dem musikalischen Stil, ist es doch vor allem der Umgang mit den Lyrics, der diese Musik ausmacht. Es ist eine Technik, die über den Gesang hinausgeht, es geht doch darum sich Emotionen zu eigen zu machen, oder?
Sharon Jones: Das ist Soul. Und das ist es, was ich mache. Und das hat viel mit meinem Alter zu tun. Nächstes Jahr werde ich 58 Jahre alt, ich bin 1956 geboren. Diese Kids, die in den 1980er Jahren geboren sind, die können diese Art von Musik ja nur imitieren. Und auf eine Art habe auch ich so gelernt. Als Kind habe ich all die Sachen von Motown und Stax gehört und bin damit groß geworden, habe die nachgesungen. Das ist ein Teil von dem geworden, was ich bin. Die einzige Sängerin, die ich später imitiert habe, war Whitney Houston, weil sie den Übergang zum Pop geschafft hat, so wie die Jackson Five das geschafft haben.
Denkst du, dass es da draußen eine Generation gibt, die den Soul am Leben erhalten wird?
Sharon Jones: Ich würde liebend gern in ein paar Jahren, wenn ich beschließe in Rente zu gehen und nicht mehr auf der Bühne herumrenne und 150, 200 oder mehr Gigs im Jahr speile, anfangen zu produzieren. Und ich würde herumfahren und ich würde in die Kirchen gehen und junge Sänger suchen, die genug Soul haben, um den Soul interessant und am Leben zu halten. Das wird eines der nächsten Dinge für mich sein: Produzieren und neue Soulsänger suchen, damit wir weitermachen können.