Seit anderthalb Jahren schon macht Schwesta Ewa nicht mit ihrer Musik Schlagzeilen, sondern mit Straftaten. Ja, sie habe einen »Escort-Service auf 50/50-Basis« betrieben, ohne Steuern zu zahlen, rappt Schwesta Ewa im jüngst erschienenen Track »Mein Geständnis«. Aber niemanden zur Prostitution gezwungen. Klatsche habe es gegeben. Der Song ist ein Destillat ihrer Aussagen, die sie bereits im vergangenen November in einem vierzigminütigen Instagram-Video online gestellt hat . Was war da noch mal los?
Am 16. November 2016 verhaftet eine SEK-Einheit die Rapperin in einem Tonstudio in Arnsberg-Oeventrop. Ewa Malanda, wie die Schwesta außerhalb des Musikgeschäfts heißt, kommt in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft Frankfurt verklagt sie wegen Menschenhandel und Zuhälterei, Körperverletzung und Steuerhinterziehung. Beim Prozess im Juni 2017 sieht das Landgericht nur die letzten zwei Delikte gegeben. Es verurteilt Malanda zu zweieinhalb Jahren Haft wegen 35-facher Körperverletzung und sexueller Verführung Minderjähriger sowie einem ungemeldeten Einkommen von 60.000 Euro. Staatsanwaltschaft und Verurteilte gehen in Berufung. Und natürlich bleibt es nicht dabei. Aber dazu gleich.
Es hat etwas Unwirkliches, wenn die inszenierte realness von der Realität übertrumpft wird. Niemand mag ernsthaft gedacht haben, dass Ewa Malanda wegen einem Plattendeal bei Alles oder Nix Records ihre Beziehungen zu jenem Milieu kappt, in dem sie seit Teenagertagen unterwegs ist. Jetzt, wo sich diese Verstrickungen in Gesichtern, Geschichten und Klagen manifestieren, realisiert manche, wie sehr sie Schwesta Ewas Ausstiegsgeschichte à la rags-to-riches glauben wollten; gehofft haben, dass die Kehrtwende echt ist, die Zeilen wie »Schwesta Ewa, einst die Nutte vom Bahnhof / Heut vom Vapiano zum Strand Monte Carlo« suggerierten und dass all die Stories von Gewalt und Sexarbeit der Vergangenheit angehören.
CITI:Es hat etwas Unwirkliches, wenn die inszenierte realness von der Realität übertrumpft wird.:### Bei ihren Fans scheinen die Inhalte teils anders angekommen zu sein. »Das macht 143 Packs je Fuffi / Also knapp sieben Mille / Du siehst, wenn ich durchzieh und alles wegfick / Mach ich locker drei Gewinn, Kurwa, Hattrick«: Schwesta Ewas zur Schau gestellte Abgebrühtheit und ihre songgewordenen Erfahrungen mit Freier-Abzocke haben ihre weiblichen Fans nicht nur beeindruckt, sondern ihnen auch Perspektiven eröffnet, nämlich: anschaffen mit einer starken Frau im Rücken. In einer Ausgabe der Zeit erklärt Selina W.: »Ich wollte Prostituierte werden, und ich habe das unbedingt mit Ewa machen wollen.« Alleine hätte sie sich das nicht getraut. Selina W. ist die erwähnte Minderjährige, die Malanda »verführt« haben soll, eine der fünf Zeuginnen, die vor Gericht aussagt und die einzige, die sich später öffentlich zum Fall äußert.
Obwohl Ewa Malandas Einstieg ins Musikgeschäft 2012 als Ausstieg aus der Prostitution vermarktet wurde, bekam sie häufig Anschriften von Frauen, die für sie arbeiten wollten. Sie kamen sogar in der Stoltze-Bar vorbei, die Malanda damals noch nahe der Frankfurter Konstablerwache betrieb. So wie Jana S., die zunächst als Kellnerin anheuerte. Nachdem sie die Gunst ihrer angehimmelten Arbeitgeberin gewonnen hatte, sorgte Malanda für sie. Zahlte ihre Mietkaution, ihre Solariumsitzungen, ihre Blondierungen. Die Schulden, die Jana S. so anhäufte, arbeitete sie bei Gelegenheit ab, sie hatte bereits Erfahrung mit erotischen Massagen. Vier der fünf Frauen, die Malanda später illegal beschäftigte und quer durch Deutschland zu Freiern fuhr, waren Rotlicht-erfahren.
Nur die damals 17 Jahre alte Selina W. eben nicht. Sie war von zu Hause ausgerissen, um sich von ihrem Vorbild vermitteln zu lassen. Zunächst soll sich Schwesta Ewa geweigert haben, später habe sie Selina einen impotenten Mann klargemacht. Anfassen only.
Jana S. sagte heute: »Das war keine Zuhälterei.« Bloß, dass sie und ihre Kolleginnen labil und leicht zu manipulieren gewesen seien, das habe die Schwesta wohl schnell durchschaut. Selbst eine Frau, die Ewa Malanda mehrmals verprügelt hatte, äußerte sich vor Gericht zugeneigt: »Sie ist die Familie, die ich nie hatte.« In dem »Videogeständnis« kommentiert Ewa auch ihre brutale Umgangsformen, die sie von klein auf gelernt hat: »Was denk’ ich, wer ich bin, was fällt mir ein!« und »Ich weiß, ich war scheiße.« Sie schäme sich, schließlich sei sie eine »Nutte mit Herz«.
Diese Geschichte erzählt aber nicht nur von enttäuschten Erwartungen. Von fragwürdigen Beziehungen zwischen Stars und Fans, dem Reiz des schnellen Geldes mit Sexarbeit und von Gewalt, die nicht bloß spektakuläre Textzeilen inspiriert, sondern zu allererst immer gelebte Realität echter Menschen ist. Sie erzählt auch vom Zeitgeist, und das ist es, wo sich die surrealen Geschehnissen zu einer gänzlich Inception-reifen Nummer auswachsen.
Das Video mit ihrem »Geständnis« veröffentlicht Schwesta Ewa, während der #metoo-Skandal gerade an Fahrt gewinnt. Auch die Rapperin berichtet von einem Wärter, der sie während der Untersuchungshaft belästigt haben soll, sowie von »Beamtenschikane«. Prompt kassiert sie dafür eine Anzeige wegen Verleumdung.
Im vergangenen Februar hieß es, die Rapperin werde Anzeige erstatten wegen sexueller Nötigung. Auf unsere Anfrage hin bat ihr Anwalt um Verständnis, er könne sich derzeit nicht dazu äußern. Wann Ewa Malandas Haftstrafe vor dem Bundesgerichtshof verhandelt wird, ist bisher ebenfalls unklar. Klar ist, was die Hashtags in den sozialen Medien suggerieren: Buch kommt. Tour kommt. Album kommt. Auf »Aywa«, das am 1. Juni erscheint, soll auch ein Track sein, den Schwesta Ewa eigens für den Richter in Frankfurt aufgenommen hat. Denn der habe alles verstanden.