Retrogott – The Crucial Question

14.01.2014
Foto:Tobias Hoffmann / © hhv.de mag
Unsere Gretchenfrage ist vielleicht nicht so absolut wie die in Goethes »Faust«, aber sie enthüllt einen bestimmten Aspekt mit nur einer Frage. Ohne Schnickschnack. Diesmal geht sie raus an Retrogott.

Hört man sich euer Debüt »Jetzt schämst du dich!« heute an, fallen einem mitunter homophobe Textpassagen auf, auch wenn diese nie als Anfeindungen gegenüber der schwul-lesbischen Gemeinde zu verstehen sind. Wie würdest du deine Beziehung zu Homosexualität im Allgemeinen beschreiben?

Retrogott: Für mich persönlich ist Homosexualität schwer von Heterosexualität abzugrenzen. Selbst, wenn man ausschließlich Sex als einzigen Spielraum der Sexualität sieht, sehe ich schon Probleme bei einer klaren Abgrenzung von Homo- und Heterosexualität. Auch bei heterosexuellem Sex ist jeder Mensch als Vertreter des eigenen Geschlechts in den Akt involviert und erfährt damit auch den eigenen Körper und das eigene Geschlecht im Medium der Sexualität, hat also einen homosexuellen Bezug zu sich selbst.
Moralische Schlussfolgerungen aus sexuellen Praktiken und Identifikationsmustern sind, denke ich, mit großer Skepsis zu betrachten und haben viel mit dem eigenen Verhältnis zur eigenen Sexualität zu tun. Nicht selten verurteilen wir Dinge bei anderen Menschen, weil wir sie in uns selbst nicht dulden. Mein Verhältnis zur Homosexualität im Allgemeinen ist von Toleranz, Akzeptanz und Respekt geprägt. Das heißt, dass ich auch im Speziellen gegen keinen homosexuellen Menschen aufgrund seiner Homosexualität ein Ressentiment hege.