Retrogott & Hulk Hodn – Live am 2.3. im SO36 in Berlin

08.03.2013
Foto:Tobias Hoffmann / PhyreWorX
Wenn man immer noch dafür gefeiert wird, was man tut, ohne sich zu verstellen, dann ist das v.a. eins: große Kunst. Genau diese beherrschen Retrogott & Hulk Hodn, die letzte Woche ihre neue Langspielplatte dem Berliner Publikum vorstellten.

Für Freunde amerikanischen Raps hatte sein kleiner deutscher Ableger nur selten mit dem Standard zu tun, der in den USA gesetzt wurde. Im Gegensatz dazu wirkte Rap aus Deutschland fast immer niedlich, ganz egal, welches Extrem bedient wurde: ob nun intellektuell ambitionierter Studentenrap oder die aggressiven Parolen von der Straße. Wie dankbar war man da Mitte der 2000er für diese zwei Kölner Jungs, die auf eine neue Weise belanglosem Scheißrap die Stirn boten. Inhaltsleere und provokative Battlereime von Retrogott, die dennoch nicht anspruchslos waren und vor Wortwitz nur strotzten, wurden auf die Beats von Hulk Hodn gelegt, die die jazzige Boom Bap-Tradition von DJ Premier oder Pete Rock fast schon plagiierten: so platt den Sound der großen Vorbilder zu übernehmen, hatte noch nie jemand gewagt, jedenfalls nicht, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren. Die Freude über die plötzliche Freshness in deutschem Rap war groß und das Duo bekam den Ruhm, der ihm gebührte. Es gab nur zwei, die das kaum tangierte: Retrogott und Hulk Hodn. Ohne die Promo-Maschinerie anzuwerfen oder ins Rampenlicht zu drängen, blieb die Kölner Crew weiter für sich und macht auch für den Release ihres neuen Albums »Fresh Und Umbenannt« keine Anstalten, den Durchbruch zu schaffen – bei der allgemeinen Erwartungshaltung zeugt eine solche Haltung von Größe. Trotzdem hatte man bei der Record-Release-Party zur vierten LP im legendären Kreuzberger Punkerschuppen SO36 zwischendurch so ein Gefühl, dass nun alle Dämme brechen könnten. Ein Publikum, das sich statt aus der üblichen Hip Hop-Klientel aus Vertretern aller Trend-Schichten zusammensetzte, verpasste dem Abend und seinem eigentlichen Anlass eine teilweise Beliebigkeit und den Geschmack eines Gesellschaftsevents. Doch konsequent in ihrer Anti-Haltung ließen sich auch am Samstagabend Retrogott und Hulk Hodn von der großen Nachfrage nicht beeindrucken, betraten erst gegen Mitternacht die Bühne und präsentierten ein teils gelangweiltes und unkonzentriertes Set, das sich zudem noch in seiner Länge selbst übertraf und dem Publikum einiges abverlangte. Man kann auch mit den kreativsten Wortspielereien seine Zuschauer nicht ewig unterhalten, erst recht bei der dicken Luft in der Halle. Die Hits gab es nach langem Warten am Ende natürlich trotzdem und ihr Gesicht haben die zwei Kölner auch gewahrt. Wenn man immer noch dafür gefeiert wird, was man tut, ohne sich zu beugen oder zu verstellen und sein Ding weiter durchzieht, dann ist das vor allem eins: große Kunst.