Records Revisited: Yo La Tengo – And Then Nothing Turned Itself Inside-out (2000)

21.02.2025
Leise, verschroben, ungreifbar: Am 22. Februar 2000 erschien »And Then Nothing Turned Itself Inside Out« von Yo La Tengo. Ein Album mit einem Sound, der komplett aus der Zeit fiel. Bis heute lässt sich die Platte des Trios aus New Jersey nur schwer einordnen.

Gleich mehrere Alben weisen im Jahr 2000 in die Zukunft. Radiohead erzählten auf »Kid A« von der technologischen Kälte, Godspeed You! Black Emperor beschwörten mit »Lift Yr. Skinny Fists Like Antennas to Heaven!« den Weltuntergang, The Avalanches erstellten mit »Since I Left You« eine manisch optimistische Soundcollage, Erykah Badu und D’Angelo hoben Neo-Soul in ungeahnte Höhen und von Outkast fangen wir gar nicht erst an. All diese Künstler haben sich mit ihren Alben in die Musikgeschichte geschrieben und das Jahr 2000 geprägt. Yo La Tengo haben dies nicht getan. Oder nur bedingt. Und gerade deswegen lohnt sich ihr Album aus dieser Zeit umso mehr.

Die Band veröffentlichte damals mit »And Then Nothing Turned Itself Inside-Out« ihr bereits neuntes Album. Yo La Tengo galten (und gelten) als Lieblinge der Musikkritiker und Plattenladenbesitzer. Bis dahin spielten sie einen Sound aus Indie, Noise Rock und Dream Pop, der mit den Jahren diverser und offener wurde. Vergleiche zu Sonic Youth und Pavement sind bis heute nicht verkehrt. Doch muteten Yo La Tengo stets braver, aufgeräumter und unaufgeregter an. Mit »And Then Nothing Turned Itself Inside-Out« erweiterten sie diesen Sound, in dem sie ihn in sich kehrten.

Die verträumte Atmosphäre von »Our Way To Fall« oder »Saturday« wird mit wenigen Soundtupfern erzeugt, mal hier eine Gitarre, da mal eine Orgel, dazu ein Casio Drumcomputer. Der Gesang von Georgia Hubley und Ira Kaplan versinkt förmlich darin, lässt sich zwischen sanftem Dröhnen und verschrobenen Melodien treiben. Alles so unauffällig, dass es sich kaum greifen lässt. Wer nicht ganz genau hinhört, an dem zieht dieses Album einfach vorbei. Dabei gibt es mit »You Can Have It All« fast schon unbeschwerten Pop und mit »Cherry Chapstick« wuchtigen Noise Rock. Nur fallen diese Stücke im Kontext des Albums kaum auf.

Bestuhlter Indie-Rock aus der Ewigkeit

»Die Konzerte, die wir spielen, werden ein ganzes Stück ruhiger sein«, kündigte Ira Kaplan damals an. »Wir wissen, dass die Songs fordernd sind, und die Energie eines gefüllten Rock Clubs ist nicht die Energie dieses Albums.« Entsprechend fanden viele Konzerte der Tour mit Bestuhlung statt. Weiter entfernt vom coolen Indie Rock ließ sich kaum sein. Aber auf solche Dinge gaben Yo La Tengo noch nie was.

»And Then Nothing Turned Itself Inside-Out« lässt sich als Antithese verstehen. Es ist nicht einmal eine Verweigerungshaltung. Es ist einfach eine Band, die komplett ihr Ding durchzieht: »I want summer’s sad songs behind me, I want to laugh a minute, without fail, I wanna be Paul le Mat in 1980, looking to forget tomorrow, looking every day.« Mit diesen Zeilen beginnt dieses Album, dessen Texte genau dies unterstreichen. Alles zurückgezogen, alles melancholisch, alles entrückt. Mehr in Zeitlupe lässt sich ein Album kaum beginnen. Auf dem Cover eine Fotografie des amerikanischen Künstlers Gregory Crewdson, eine unwirkliche Inszenierung aus blauer Stunde und künstlichem Licht. Vergängliche Momente, die sich kaum einfangen lassen.

»I want summer’s sad songs behind me, I want a laugh a minute, without fail, I wanna be Paul le Mat in 1980, looking to forget tomorrow, looking every day.«

»Yo La Tengo haben endlich die Oberschicht der Gesellschaft erreicht: Yuppies!« So verkündete es seinerseits Pitchfork, als »And Then Nothing Turned Itself Inside-Out« erschien. Gründer und Musikjournalist Ryan Schreiber konnte über die Gründe nur spekulieren, aber kam zu dem Schluss: Yo La Tengo sind jetzt hip. Was nur bedingt stimmte. Denn Yo Lan Tengo blieben die unauffällig sympathische Band mit den schrulligen Konzerten und dem unvorhersehbaren Sound auf ihren Alben. Denn nach »And Then Nothing Turned Itself Inside Out« folgten bald das eigenwillige Strandalbum »Summer Sun« und das Meisterwerk »I Am Not Afraid of You and I Will Beat Your Ass«, die nicht weniger aus der Zeit fielen.

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»And Then Nothing Turned Itself Inside-Out« hört sich nicht an, als sei es vor 25 Jahren aufgenommen worden. Es bewegt sich weder im 20. Jahrhundert noch im 21. Jahrhundert. Vielmehr mutet der Sound von Yo La Tengo auf diesem Album einfach zeitlos an. Eine introvertierte Platte in extrovertierten Zeiten. Und genau deswegen bis heute so unfassbar großartig und so großartig unfassbar.