»First he took Manhattan, then he took Berlin«: Der Rap-Entwurf des Wu-Tang Clan nahm ab 1993 die Welt in Sturm – mit knochentrockener Beat-Brutalität und geschliffenen Raps, mit Power through Numbers und epochemachender Ikonographie, mit »Shaolin Shadowboxing and the Wu-Tang Sword Style«. Nach den 36 Kammern des Debütalbums ging der kungfuizierte Martial Arts Rap der New Yorker Supergroup mit erfolg- und einflussreichen Soloalben in Serie. Den Auftakt machte Method Man dicht gefolgt von Ol´ Dirty Bastard Raekwon, der die meisten Lines auf dem Wu-Tang-Debüt verbuchte, wurde in die dritte Runde geschickt. Sein am 1. August 1995 veröffentlichtes Soloalbum »Only Built 4 Cuban Linx…« inszenierte er konzeptionell als filmreifes Spektakel. Als in Beats und Raps gepacktes Gangster-Epos, bei dem er selbst in der Hauptrolle agiert und Hausproduzent RZA als Regisseur und Set-Designer, der hier zweifellos einige seine besten Arbeiten vorlegte.
Natürlich ist Raekwon ein charismatischer Main Character. Neben ihm glänzt »Only built 4 cuban linx…« durch das, was auch die epische Qualität von Mafiaschinken wie »Casino« oder »Miller´s Crossing« ausmacht: Den richtigen Right Hand Man. Raekwons Wu-Homie Ghostface Killah füllt die Rolle kongenial aus, als nahezu gleichberechtigter Special Guest. Vorbereitet auf ihren Gangster-Film haben sich er und Rae durch lebenslanges Method Acting: In den Sozialbausiedlungen des New Yorker Bezirks Staten Island, in denen sie aufwuchsen – den Stapleton Houses bzw. den Park Hill Projects, die Ende der 1980er Jahre als »Crack Hill« in Verruf gerieten – sogen sie den Straßenstaub, die Schicksalsschläge und die großen und kleinen Träume der Gs und Knuckleheads auf. Und brachten diese Elemente in RZAs Home Studio, wo sie auf den damals noch selten gesehenen Sohlen ihrer Clarks Wallabees in die Booth steppten. Der vielbesungene Cristal stand allerdings noch andernorts kühl: Ihnen genügten zunächst Blunts, Bier und Ballantine´s.
Den Hauch des Kriminell-Anstößigen bediente Raekwon auch auf optischer Seite, indem er das offizielle Tape seines Albums in einem lilafarbenen Case anbot. Mitte der 1990er Jahre waren Tapes in den Vereinigten Staaten noch das Medium, um Rap unter die Leute zu bringen – und Raekwon agierte mit seinem »Purple Tape« wie ein geschäftstüchtiger Dealer. »I wanted to portray an image that if I was selling crack or dimes in the street, you would recognize these dimes from other niggas‘ dimes«, erklärte er einst dem XXL Magazine. Dass das Business auch Kompromisse verlangt, schlug sich dagegen schon in der Namensfindung nieder: Ursprünglich sollte der LP-Titel »Only built 4 cuban linx niggas« lauten. In der Hoffnung auf bessere Verkaufszahlen wurde das N-Wort schließlich weggelassen – und im finalen Titel nur noch durch die angehängten drei Punkte angedeutet.
Raekwon stellte die zugrunde liegende Slice-of-life-Ästhetik in übergeordnete Zusammenhänge, was das filmische Element seines Debüts auf eine Weise befeuerte, die man bis dato nur von der Leinwand kannte.
Die »Cuban linx« verweisen übrigens nicht auf etwaige Havanna-Miami-Connections à la »Scarface«, sondern bezeichnen jene Panzerketten, die den schweren Jungs im Rap Game seitdem dick und golden den Hals umschmeicheln. Wobei die auch schon vorher als Distinktionsmerkmal und kostspieliges Accessoire herhielten. Bei Kool G Rap zum Beispiel, der Gangsta Rap in New York schon in den 1980er Jahren zur Blüte brachte. Raekwons Ambitionen und Storytelling-Fähigkeiten verpassten dem Subgenre allerdings kinematografische Elemente. Er stellte die zugrunde liegende Slice-of-life-Ästhetik in übergeordnete Zusammenhänge, was das filmische Element seines Debüts auf eine Weise befeuerte, die man bis dato nur von der Leinwand kannte.
Natürlich gehört zu diesem Ansatz ein erweiterter Cast, um die Nebenrollen zu besetzten. Dem gehören sämtliche Clan-Mitglieder – mit Ausnahme von ODB, den es ursprünglich nur im CD-Only-Bonus-Track zu hören gab – unter ihren Wu-Gambino Mafioso-Aliasen an. In dieser Form mit derartigen Namen zu spielen, die den eigentlichen Pseudonymen nachgeschoben wurden, war seinerzeit ein Novum. Auch Nas spielte mit, indem er in der Rolle des Nas Escobar auftrat. Sein Feature war das erste Mitwirken eines außenstehenden Rappers bei einem Wu-Tang-Release. Außerdem bemerkenswert: Das Rap-Debüt von Feature-Gast Cappadonna Über den Kontakt zu U-God war er schon lange ein Wu-Affiliate, allerdings wurde er nach längerem Gefängnisaufenthalt erst während der Albumaufnahmen entlassen. Zurück auf der Bildfläche, fiel seinem Auftritt bei »Ice Water« eine Strophe des ehrwürdigen GZA zum Opfer. »Only Built 4 Cuban Linx…« sicherte ihm eine Zukunft, in der er dem Clan als festes Mitglied, als Feature-Gast oder auch mal gar nicht angehört.
(https://www.hhv.de/shop/de/raekwon-only-built-4-cuban-linx/i:MA36531N13]) »Only Built 4 Cuban Linx…« findet sich seit seiner Veröffentlichung in diversen Bestenlisten, zählt zu den Meisterwerken seines Genres und gilt vielen als bestes Wu-Tang-Release überhaupt. Neben all den Facetten, die es mitbestimmen, liegt seine Essenz in der besonderen Synergie zwischen Raekwon und Ghostface Killah. »We were the EPMD of the Crew«, bekannte Raekwon einst gegenüber Wax Poetics. Irgendwie schön, dass sich die beiden nie überwarfen und sich Schlammschlachten wie eben EPMD oder diverse Wu-Tang-Mitglieder lieferten. Ihre »Cuban linx« sind dicker als Wasser.Die Schallplatten von Raekwon findest du im [Webshop von HHV Records](https://www.hhv.de/shop/de/raekwon-us-hip-hop/i:A1290D2N13S6U9)