Es gibt wenige Bands, die wie Godspeed You! Black Emperor sich jeglicher Beschreibung so entziehen. Was bei ihrem Namen anfängt, bei dem das Ausrufezeichen im Laufe der Jahre wanderte. Was bei ihrer Abneigung gegenüber Musikindustrie und Presse weitergeht, obwohl hier wie da Interviews im Internet erschienen, deren Erkenntnisgewinn sich jedoch in Grenzen hält. Was bei ihrem Anfang endet, der nun gar kein Anfang mehr ist.
F-A-OO
Am 14. August 1997 veröffentlichten Godspeed You! Black Emperor mit »F♯A♯∞« ihr erstes Album. Anfangs interessierte sich kaum jemand dafür. Was auch daran lag, dass es zunächst »nur« auf Vinyl erschien. (Ende der Neunziger sind Schallplatten nicht das angesagteste Medium.) Dazu war die Platte stark limitiert. Die kanadische Band verkaufte sie vor allem auf ihren Konzerten. Erst mit der veränderten (und längeren) Variante auf CD ein Jahr später setzte die Aufmerksamkeit ein. Reviews in größeren Musikmagazinen folgten. Der Mythos begann.
Trapped in the Belly of this Horrible Machine
Godspeed You! Black Emperor überführten mit »F♯A♯∞« das Genre Post-Rock in einen neuen Klang. Weil Wut und Dynamik diesen neuen Sound trugen. Weil die Band mit epischen und gefühlvollen Stellen in großen Strukturen arbeitete. Weil vielleicht nie wieder ein Album sein eigenes Thema so auf den Punkt wie hier im Opener »The Dead Flag Blues« brachte: »We’re trapped in the belly of this horrible machine and the machine is bleeding to death.« Willkommen in der schlechtesten aller möglichen Welten – immerhin mit anständigem Soundtrack. Aufgeladen mit einer Symbolik, die sich nicht entschlüsseln ließ.
Geigen und Gitarren, die alles, wirklich alles, zerlegen, widerlegen, auferlegen konnten.
Kein Album fräste sich mit so viel Schönheit durch die Seelen seiner Hörer. Einen Teil des Albums nahm die Band bereits in den vier Jahren vor Release auf. Darunter viele der geloopten Sachen und Material aus dem Mehrspurrekorder. Und auch wenn die Band es selbst bestritt: Niemand stieg bis dahin durch, wer nun zu ihr gehörte und wer nicht. Mal bezeichneten sie sich als Kollektiv, mal explizit nicht. Anfangs bestand die Band aus drei Mitgliedern, zwischenzeitlich sind es fünfzehn, dann wieder nur neun Musiker. Die Aufnahmen zum Album selbst fanden im Hotel2Tango in Montréal im Frühjahr 1997 statt – an den Reglern saßen Ian Ilavsky und Don Wilkie, die gerade ihr eigenes Label gründeten, Constellation Records. »F♯A♯∞« wurde dessen dritte Veröffentlichung.
Posaune der Offenbarung
Eine Auferstehung der Musik aus den Trümmern der eingeschlafenen Rockmusik, ein Album, das Emotionen über Perfektion stellte. Auf »F♯A♯∞« ließ sich die erste Posaune jener Offenbarung vernehmen, die Godspeed You! Black Emperor mit allen noch folgenden Alben ausschreiben sollten. Geigen und Gitarren, die alles, wirklich alles, zerlegen, widerlegen, auferlegen konnten.
Was der britische Regisseur Danny Boyle ähnlich sah. Jemand empfahl ihm das Album und auf Anhieb begeisterte ihn diese Musik. So sehr, dass er »East Hastings« gleich in den Soundtrack seines Horrorfilms »28 Days Later« von 2002 einbaute. Der britischen Sonntagszeitung The Observer sagte er damals über Godspeed You! Black Emperor: »Jeder schwärmt von The Polyphonic Spree, aber diese Jungs sind das einzig Wahre, wenn es um den ursprünglichen orchestralen Drive geht, der wirklich moderne Kultur mit orchestralen Prinzipien verbindet, sich aufbaut und einen an Orten zurücklässt, an denen man noch nie zuvor gewesen ist.« Überhaupt sei das ganze Album eine wichtige Inspiration für diesen Film.
Hallo? Hallo? Wucht!
Vor der Veröffentlichung von »F♯A♯∞« hatte die Band das Tape »All Lights Fucked On The Hairy Amp Drooling« 1994 herausgebracht. Limitiert auf 33 Stück. Es habe mit ihrem späteren Sound nichts zu tun, weswegen sie es nicht nochmal veröffentlichen wollen, hieß es lange. Dann tauchte eine gerippte Version in einem Internetforum auf und die Band reagierte: Im Februar dieses Jahres erschien das Tape digital. Nur klingt auf den Stücken an keiner Stelle die spätere Wucht durch, die Godspeed You! Black Emperor bis heute ausmacht.
In einem der nicht mehr so seltenen Interviews fragte eine Journalistin des britischen Guardian die Band einmal, ob die Leute sie zu ernst nehmen würden. Die Antwort: »Wahrscheinlich.« Wer mit » F♯A♯∞« hinabsteigt, wird dies anders sehen.