»Endless Summer« ist computerisierte Musik für Hundstage. Laptop aufklappen, Play drücken – Glitches zerkratzen glatte Oberflächen. Föhnen den Schweiß von der Stirn. Zerstören die Idylle. Brechen ein in den Traum, in den man fällt, wenn man diese Platte auflegt. Das Album, das der Österreicher Christian Fennesz 2001 auf Mego veröffentlicht, ist der Einstieg in die Nische. Es saugt mit der zerhäckselten Kraft von Gitarren-Akkorden, die aus den Saiten in die Software fließen, zu Daten werden, nur Bits ausspucken und immer wieder in Daunendecken einhüllen, während sie gleichzeitig Eiswürfel in den Nacken stecken.
»Endless Summer« war 2001 die Schnittmenge zwischen Experiment und Anbiederung. Es ist eine Platte, die man sich kaufte, weil man das mit dieser experimentellen Musik jetzt auch mal ausprobieren wollte. Oder die man mittlerweile besitzt, weil sie in der restlichen Sammlung aus Knister-Knarz-und-Rausch-Musik wie ein zweiwöchiger Pauschal-Urlaub am Mittelmeer wirkt – und damit so etwas wie das coole Guilty Pleasure für Leute ist, die sonst nur im Krach ihre Erfüllung finden.
Schließlich funktioniert das Album wie der feuchte Traum eines PR-Beraters. Es erzählt die perfekte Geschichte. Und triggert dabei etwas, das alle kennen, aber niemand fassen kann. Das Gefühl vom endlosen Sommer. Das Rauschen der Wellen. Mai Tais auf dem Sonnendeck. Irgendwann aber doch: ein letzter Sonnenuntergang. Der Blick in die Ferne. Sehnsucht. Nicht nur Melancholiker verdrücken am Ende eines langen Sommers zwei Tränen, weil sie wissen, dass die Zeit verrinnt wie Sand in einer Uhr. Und weil das Wissen darüber mit der Erkenntnis einhergeht, dass man der eigenen Endlichkeit wieder ein Stück weit näher gekommen ist.
Die Erinnerung an das Vergangene durchdringt und katapultiert beim Hören ins Jetzt, in der das Gewesene mitschwingt. Und sich weiter gegen eine Gitarrenwand stemmen wird, die der Kurzschluss-Provokateur Fennesz mit drei Akkorden aus dem Laptop schüttelt
In diesem Spannungsverhältnis knüpfte Fennesz an. Man kann die verwaschenen Melodien, die sich unter technischem Knister-Hokuspokus begraben, nicht ohne den Namen des Albums denken. »Endless Summer« ist an jedes einzelne Stück gebunden, bleibt aber nie starr, sondern bewegt sich mit. Deshalb funktioniert die Platte nach 20 Jahren noch immer, deshalb ist ihr kein Ende eingeschrieben. Die Erinnerung an das Vergangene durchdringt und katapultiert beim Hören ins Jetzt, in der das Gewesene mitschwingt. Und sich weiter gegen eine Gitarrenwand stemmen wird, die der Kurzschluss-Provokateur Fennesz mit drei Akkorden aus dem Laptop schüttelt.
»Endless Summer« ist eine Erinnerung, die jede*r in sich trägt. Eine, die nie gleich ist und sich wandelt wie Patina an den Wänden von Clubs. Gerade durch die Kombination der beiden Wörter erhalten sie eine gemeinsame Bedeutung, die ihre Wirkkraft nicht verdoppelt, sondern potenziert – und sie mit einer Aura auflädt, die die Präsenz der Absenz betont. Das Gefühl des endlosen Sommers. Und die Einsicht, dass er doch vergehen muss, um nicht verloren zu gehen. Dieses Gefühl strahlt nach, indem die Vergangenheit und ihre gespeicherte Erinnerung uns auf eine Weise bewohnt, die uns nie fremd ist. Jeder Sommer ist von seiner eigenen Überschreibung bedroht, die dazu führt, dass seine Geschichte zwar nicht ausgelöscht, aber nicht mehr erinnert wird. Um das Vergessen zu verhindern, muss er unendlich werden. Er lädt sich auf mit Gedanken und Erfahrungen und dient als Projektionsfläche für Wünsche und Träume, die in Fennesz’ »Endless Summer« zu Musik geworden sind.
Die Schallplatten von Fennesz findest du im [Webshop von HHV Records](https://www.hhv.de/shop/de/fennesz-downbeat-electronica-leftfield/i:A24448D2N109S6U9.)