Records Revisited: Fela Kuti & Africa 70 – Alagbon Close (1974)

11.10.2024
Fela Kuti radikalisierte sich mit dem Album »Alagbon Close« gegen Korruption und Knüppel. Das ist 50 Jahre her. Ein Grund, sich erstmals zu erinnern.

»Alagbon Close« von Fela Kuti ist nicht unbedingt ein Hit wie »Zombie«, aber ein Album, das zukünftige Kulturspalten sicher mal als ein »frühes Schlüsselwerk« von Fela entdeckt haben wollen.

Das hat seine Gründe, die man mit der Entwicklung von Afrobeat erklären kann. Der Kenner weiß: Afrobeat, dieser Mischmasch aus geklautem James-Brown-Funk, westafrikanischem Highlife und genügend Gras, wurde in einem Schrein in Lagos zusammengepanscht. Ist lange her, waren noch ein paar Leute involviert. Doch erst mit »Alagbon Close« hat Fela verstanden, dass es um mehr geht als ein bisschen Gute-Laune-Groove.

Es war nämlich was los im Nigeria der 1970-Jahre. Nachdem sich die Briten ein paar Jahrzehnte bedient hatten, machten es die eigenen Leute nicht besser. Dazu fand man Öl. Und weil Öl gerade in war und die Armee an der Macht, folgten: Knüppel, Krieg und Korruption. Fela sah hin, sagte: Nein, danke und erklärte seine Unabhängigkeit. Das brachte ihm wachsende Gefolgschaft ein – aber auch jede Menge Probleme.

Als der revolutionäre Funke übersprang

In »Alagbon Close« singt Fela Kuti darüber. Die zwei Songs des Albums erzählen seine Geschichte. Sie fängt dort an, wo alle guten Geschichten anfangen: in der Erinnerung. Und viele Leute wollen sich an Fela erinnern. Manche, wie Ginger Baker, füllen ganze Kapitel mit ihm. Hollywoodstars feiern Fela-Musicals. Man findet Fela auf Netflix oder in der Wochenzeitung und alle wissen alles.

Denn wir lieben Gossip. Und Fela war Gossip in Person. In einem hautengen Glitzer-Onesie, immer eine Zigarette zwischen die Finger geklemmt und dann dieses Leben, der Lusttropfen jedes Leitartikels: »Haremshalter«, »Pfarrerssohn«, »Staatsfeind«. Was man alles schreibend verbrechen darf, es wurde geschrieben. Nur diese Geschichte zu dieser Platte hat man bisher ignoriert.

Fela ging damit um, wie ein revolutionärer Rebell. Er nahm das Geschenk an und schluckte den Joint.

Dabei ist »Alagbon Close« so etwas wie der revolutionäre Funke über dem politischen Pulverfass, das Fela Kuti sein wollte. Man kann aber auch sagen: Fela ließ sich provozieren. Denn die Polizei stattete seinem Studiostaat regelmäßig Besuch ab. Einmal sollten sie bei ihm Gras finden. Ein anderes Mal brachten sie es in unterjubelnder Absicht selbst mit.

Fela Kuti ging damit um wie ein revolutionärer Rebell. Er nahm das Geschenk an und schluckte den Joint. Die Polizei hatte keine Beweise mehr, aber die brauchen Knüppel auch nicht. Fela landete im Hauptquartier der Kriminalpolizei, Standort: Alagbon Close. Drei Tage sollte er einsitzen – so lange wollte man warten, um das Beweismittel auf natürliche Weise sicherzustellen.

Die Freude der Musik, der Kampf für die Freiheit

Man sperrte Fela in eine Gemeinschaftszelle. Er machte rasch Freunde. Als er schließlich ins Klo griff, ließ sich ein Tauschhandel arrangieren. Da der Schei… äh, Schwindel nicht auffiel, ließ ihn die Polizei gehen. Aus dem Gefängnis nahm er neben blauen Flecken die namensgebende Idee für seine Kommune mit: »Kalakuta Republic« – jener Name, auf den Felas Kumpanen ihre Zelle tauften.

Kurz nach seinem ersten Gefängnisaufenthalt nahm Fela »Alagbon Close« im Lagos-Studio von Ginger Baker auf. Musikalisch ist es das, was er mit Rhythmusmaschine Tony Allen und seinem Africa-70-Orchester erschlossen hatte: ausweidender Groove, zirkulierende Freude. Als der Laden nach zehn Minuten steht, setzt Fela schließlich ein: »Now listen«, singt er. Und erzählt dann von brutalen Bullen und Bedingungen.

»Hätte Fela seine Karten richtig ausgespielt, wäre er wahrscheinlich der nächste Präsident von Nigeria geworden.«

Ginger Baker

Es sind Dinge, die zu dieser Zeit viele erlebten, aber kaum jemand aussprach. Aus Angst, sein Haus, die Familie oder das eigene Leben zu verlieren. Dass Fela es doch tat, lag in seiner Freiheitskämpfernatur. Und von nun an auch im Hass begründet, den gebrochene Rippen und lange Narben auslösen. 

Die Militärregierung habe sich zunehmend in die Hosen gemacht, weil er so populär wurde, sagte sein Freund Ginger Baker später. »Hätte Fela seine Karten richtig ausgespielt, wäre er wahrscheinlich der nächste Präsident von Nigeria geworden.«