Records Revisited: Eramus Hall – Your Love Is My Desire (1980)

23.11.2023
Was sagt man über eine Gruppe, von der nur ein Foto, zwei Alben und drei Anekdoten existieren? Das frage ich mich, während auf YouTube die Debüt-Platte von Eramus Hall läuft. Ich bin die 7497. Person, die das Video anklickt.

»Your Love Is My Desire« von Eramus Hall kommt 1980 auf den US-amerikanischen Markt. Allein ist dieser Satz eine maßlose Übertreibung. In den meisten Plattenläden sollte es das Debüt von Eramus Hall nie zu kaufen geben. Von einer Veröffentlichung in Europa oder anderen Kontinenten war die Scheibe meilenweit entfernt. Wer an dieser Stelle nachhakt, »Moment mal, 1980 … War das nicht die Zeit, in der P-Funk im Schlagschatten von George Clintons Mothership große Erfolge feierte?«, beweist nicht nur musikalisches Hintergrundwissen – sondern ist auch auf der richtigen Fährte.

Der sogenannte Parliament-Funk lief Mitte der 70er in vielen US-Discos. Zu ihrem Ende in fast allen. Es ist der Verdienst von George Clinton, Motown-Producer, Frank-Zappa-Fan und bis heute einer der meistgesampeltsten Künstler weltweit. Er katapultierte sich zwar nie zum Saturn wie Sun Ra, hatte aber genügend Acid gelutscht, um seinen Hüftschwung auch weißen Liberalo-Hippies schmackhaft machen zu können.

Eramus Hall entstehen in diesem Groove-Geflecht. Hinter dem Namen könnte man zwar eine Solokarriere erwarten. Tatsächlich wirken bereits zum Debüt mindestens sechs Personen bei Eramus Hall mit. Wie die Band zu ihrem Namen kommt, bleibt Gründungsmythos. Sowohl Joe Anderson, der Gitarre spielte und sang, als auch Ronald Wright, der die Drumsticks bediente, lassen eine HHV-Anfrage unbeantwortet. »Anscheinend war es George Clinton, der der Band den Namen gab«, steht auf Discogs. Eine Quelle dazu lässt sich genauso wenig finden wie das gleichnamige Gebäude in Chicago, von dem sich Clinton den Namen abgeschaut haben soll.

Zwischen Pornobalken und Promo-Müllhalde

Als Anhaltspunkt bleibt die Musik. Eramus Hall hätten mit geslappten Stücken wie »Just Me And You« zwar die Pornobalken-Vibes von Miami Vice vertonen können. Und auch wilde Verfolgungsjagden auf dem Rummelplatz ließen sich mit »Feelin’ Higher« einfangen. Die Platte gehörte in ihrer Ganzheit aber eher unter die gestrickte Steppdecke. Heute würde ein Kerzlein von Gwyneth Paltrow zur Business Time lodern, damals waren es zittrige Bässe wie auf »Superfunk«, die für wechselwirkende Wärmeausdehnung im Lendenbereich sorgten. 

Hätte Westbound Records das Eramus-Debüt nicht auf der Promo-Müllhalde verscharrt, kaum auszudenken, wie viele Babys zu ihrer Musik gemacht worden wären. Dem Detroiter Label, das in den 70ern mit der Veröffentlichung von Funkadelic-Platten wie »Maggot Brain« ein Vermögen verdient hatte, fehlte aber die Kohle. Außerdem schmierte man die falschen DJs. An Airplay im Radio war deshalb nicht zu denken. 

Hätte Westbound Records das Eramus-Debüt nicht auf der Promo-Müllhalde verscharrt, kaum auszudenken, wie viele Babys zu ihrer Musik gemacht worden wären.

»Your Love Is My Desire« verstaubt Anfang der 80er im Archiv. Ein Großteil der Pressungen soll es nie aus den Werken geschafft haben. Die Band habe trotzdem einige Gigs in und um Detroit gespielt. Eine nicht nur gedankliche Nähe zu George Clinton mag dabei durchaus geholfen haben. Clinton hatte zu Beginn der 80er die besten Funkadelic-Zeiten hinter sich. Wenn er nicht gerade »Computer Games« zockte, hatte er Zeit – um den Nachfolger von Eramus Hall zu produzieren. 

Als 1984 »Gohead« erscheint – eine Fingerübung für verlorene Fans des Funk – hat sich der Fokus längst verschoben. Die Discokugel dreht sich nicht mehr zu P-, sondern zu Pop-Funk. Angesichts seines Welthits »Purple Rain« könnte man im Rückblick auch von Prince-Funk sprechen. Der »pure, ungecuttete« Funk, von dem Clinton einst geträumt hatte, entwickelte sich also weiter. Eramus Hall sollten danach keine Platte mehr aufnehmen. Ihre Geschichte endet noch bevor sie geschrieben wird. Übrig bleiben: ein Foto, zwei Alben und drei Anekdoten.