Als einer der drei Rapper von Leaders of the New School war Busta Rhymes zwar bereits 1991 auf deren Debütalbum »A Future Without A Past…«** zu hören, doch insbesondere hierzulande werden die meisten Hip Hop-Fans diese löwengleiche Stimme zum ersten Mal ein Jahr später auf »Scenario«, dem als Single ausgekoppelten Posse-Cut von »The Low End Theory«, dem zweiten Album von A Tribe Called Quest vernommen haben. Es war der 1972 in East Flatbush im New Yorker Stadtteil Brooklyn als Sohn karibischer Einwanderer geborene und in Long Island aufgewachsene Trevor Tahiem Smith Junior, der hier im letzten Viertel des ohnehin für ATCQ-Verhältnisse schon relativ heftig angelegten Tracks das Mikro übernahm und dem turbulenten Treiben mit seiner hyperaktiven Performance die Krone aufsetzte: Wer dieses »Rrrrroaw rrrrroaw like a Dungeon Dragon!« einmal gehört hat, bekommt es nie wieder aus dem Ohr. Zwar legten die Leaders of the New School mit »T.I.M.E. (The Inner Mind’s Eye)« 1993 noch ein Nachfolgealbum vor, doch die Chemie war irreparabel zerstört: Während die Popularitätskurve von Busta Rhymes steil nach oben zeigte, hielt sich das Interesse für seine Mitstreiter-MCs Dinco D. und Charlie Brown in überschaubaren Grenzen – heute sind ihre Namen nahezu vergessen. Ganz im Gegensatz zu Busta Rhymes: Mit »Extinction Level Event 2: The Wrath of God« veröffentlichte Smith im Herbst 2020 sein zehntes Soloalbum, das zwar nicht mehr ganz an seine Platin-Erfolge in den 1990er und frühern 2000er Jahren anknüpfen konnte, in den USA aber immerhin noch Platz 7 der Charts erreichte.
The Coming
Als vor 25 Jahren mit »The Coming« Busta Rhymes’ Solodebüt erschien, war er bereits ein Star: A Tribe Called Quest setzten auch für »Oh My God«, die zweite Single ihres Albums »Midnight Marauders« wieder auf seine Offensivqualitäten, auch in Craig Macks »Flava in Ya Ear« und dem zugehörigen Remix waren seine markant röhrenden Verse zu hören. Was Busta Rhymes seinerzeit in den Rang einer Innovation erhob, war die Tatsache, dass in seinem Flow etwas in den Vordergrund trat, was eigentlich zu den Wurzeln von Hip-Hop zählt, bis dahin aber noch verhältnismäßig im Verborgenen geblieben war: In seinem spezifischen Umgang mit dem Versmaß, das er flexibler handhabt als der vergleichsweise noch statisch am Metrum orientierte Sprechgesang anderer Rapper dieser Zeit, klingt das Toasting der jamaikanischen Deejays an. Kaum einer rappte im Hip-Hop zur Mitte der 1990er Jahre so nah am Stil der Dancehall-Performer wie Busta Rhymes.
Dem Wortspiel, dem er seinen der Legende nach von Chuck D verliehenen Namen verdankt – »to bust a rhyme« steht im Hip Hop-Jargon für »einen coolen Reim abliefern« –, machte Busta Rhymes dann auch auf »The Coming« im Großen und Ganzen alle Ehre. Insbesondere »Woo Hah!! Got You All In Check«, sein bis dato wohl größter Hit, woran nicht zuletzt auch ein visuell überbordendes Hype-Williams-Video maßgeblichen Anteil gehabt haben dürfte – Musikfernsehen à la MTV war seinerzeit das, was heute YouTube heißt –, ist nach wie vor über jeden Zweifel erhaben: Busta Rhymes’ manische delivery, die erst in seiner charakteristisch eckigen Phrasierung ansetzt, um dann gut kalkuliert zunehmend aus dem Ruder zu laufen, der auf einer aus Sugarhill Gangs »8th Wonder« entliehenen Interjektion basierende Refrain über der Pianomelodie von Galt MacDermots »Space« und den crispen Beats von Rashad Smith, dazu das Ad-lib aus einem Kinderlied der vorvorletzten Jahrhundertwende, gehen eine so überraschende wie bezwingende Verbindung ein.
Busta Rhymes’ manische delivery, die erst in seiner charakteristisch eckigen Phrasierung ansetzt, um dann gut kalkuliert zunehmend aus dem Ruder zu laufen, haben auch heute noch Wirkung.
Erstaunlich gelöst dann das folgende »It’s A Party« mit dem R&B-Vocal-Duo Zhané, das nach »Woo Hah!! Got You All In Check« als zweite Single ausgekoppelt wurde. Easy Mo Bees knochentrockene Drum-Beats und ein leierndes Jazz-Sample, das an Miles Davis’ »Bess, You Is My Woman Now« erinnert, machen aus »Everything Remains Raw« eines der nachhaltigsten Highlights hier, übertroffen lediglich noch von „Ill Vibe“, bei dem sich Smith mit Q-Tip nicht nur das Mikrofon teilt, sondern dem ATCQ-Rapper als Mitglied des Producer-Trios The Ummah gemeinsam mit Ali Shaheed Muhammad und J Dilla auch den musikalischen Part überlässt – ein Tune, der sich dementsprechend bestens in »Beats, Rhymes And Life« gemacht hätte. In »Flipmode Squad meets Def Squad« treffen Jamal, Redman, Keith Murray auf Rampage und Lord Have Mercy, die mit Busta Rhymes unter dem ersteren Crew-Namen firmierten. Im Abstand von einem Vierteljahrhundert muss man feststellen: Nicht jeder der 13 Tracks von »The Coming« ist gleich gut gealtert. »Keep It Movin’« mit den ehemaligen Homies von Leaders of the New School vermag trotz der Beats von J Dilla nicht zu fesseln, ähnliches gilt für »Still Shining«. Das Intro »The Coming« und das Outro »The End of the World« wirken aus heutiger Perspektive prätentiös und selbstgefällig, die Hood- und Sex-Skits überflüssig, von den Y2K-Anspielungen ganz zu schweigen. 1996 gab es für Hip Hop-Fans an »The Coming« kein Vorbeikommen. Zum zeitlosen Meisterwerk hat es indes nicht ganz gereicht.