Wer soll sich den Namen denn bitte merken? B12, das war in den frühen neunziger Jahren schon ein bisschen eine Ansage in Richtung: Öffentlichkeit, wenn ihr uns finden wollt, dann haltet einfach mal die Augen auf. Nicht, dass andere Bands nicht auch schon auf ähnliche Nomenklaturen gekommen waren – bei U2 hat sich die Buchstaben-Zahlenkombination zugegebenermaßen kaum als Erfolgshindernis erwiesen. Und im Techno gehörte das ja ohnehin zum guten Ton: X-101 und folgende, um nur ein prominentes Beispiel zu nennen, waren – und sind – durchaus genretaugliche Projektbezeichnungen.
Warum also zählen B12 zu den Namen, die einem eher beim zweiten oder dritten Durchlauf einfallen, wenn man an Warp im allgemeinen und ihre IDM-Offensive denkt, die 1992 mit der »Artificial Intelligence«-Compilation begann?
Unter anderem, weil Mike Golding und Steve Rutter, ganz techno-subjektauflösungskorrekt gedacht, zunächst unter verschiedenen Identitäten unterwegs waren. Hießen etwa Musicology, Redcell oder Cmetric. Bei Warp traten die Herren Golding und Rutter denn auch erstmalig unter dem Namen Musicology in Erscheinung: Zur »Artifical Intelligence«-Compilation steuerten sie dergestalt die Tracks »Telefone 529« und »Premonition« bei.B12 demonstrierten, dass elektronische Musik mit Drumcomputer als sich selbst überlassenes Gebilde interessant genug sein kann
»Electro-Soma« von 1993, ihr erstes Album, gehörte ebenfalls in die Artificial-Intelligence-Reihe, in einer Reihe mit »Surfing on Sine Waves« von Polygon Window, »Bytes« von Black Dog Productions oder Autechres Langspieler-Debüt »Incunabula«. Im strengen Sinne war »Electro-Soma« gar kein richtiges Album, sondern eine Zusammenstellung von Tracks, die das Duo zuvor auf dem eigenen Label B12 unter seinen diversen Namen veröffentlicht hatte.
Die Musik von B12 war auf den ersten Blick vielleicht auch weniger sensationell als die ihrer Mitstreiter, gab sie sich doch einerseits traditionsbewusst – ihre leicht segelnden Synthesizer konnten mitunter an ihre Detroiter Vorbilder Juan Atkins oder Derrick May erinnern. An anderer Stelle gab es bei ihnen Beats – und vor allem Bleeps –, die sich bestens in die Klangarchitekturen des frühen Warp-Katalogs einfügten, »Metropolis« von 1991 mit seinem leicht dissonanten Melodie-Loop, dem klapperigen Drumcomputer und den Clonks gegen Ende hin wäre so ein Fall.
Vor allem hatten B12 jedoch diesen fast sanften Einschlag, eher impressionistisch als dezidiert maschinenkantig. Ein Funk, der sich Zeit lässt, schon mal auf den Beat warten kann und Flächen nicht bloß als Füllmaterial der Tracks, sondern als charaktergebenden Bestandteil des Ganzen gleichberechtigt einsetzt. »Ambient Techno« hat sich dafür als Kategorie eingebürgert, was allerdings mehr ein Zeichen von Hilflosigkeit als eine richtig treffende Begriffswahl ist.
Bei B12 sind die Elemente im Fluss, doch weniger als Schwebekörper denn als weiche Beweger, die sich höchst elastisch geben, matt schimmernde Oberflächen in gedeckten Farben dazu. Hier will sich nichts ins Hirn bohren, dem Körper den Takt aufzwingen, wie es Clubhymnen hin und wieder tun. Stattdessen üben sich B12 in unauffälliger Verführung, nutzen ihre künstlichen Klangwelten nicht für schrille Frontalangriffe, sondern zum allmählichen Verzaubern. Das ist dann in der Summe nicht so monumental wie die Bass-Monster von LFO, nicht so ekstatisch-trippig wie Black Dog Productions oder so zerebral-hermetisch wie Autechre. Aber auf seine Art nicht weniger großartig.
Die subtile Herangehensweise von B12, fast zu gleichen Teilen vorwärts- wie rückwärtsblickend, hat sich am Ende als so haltbar erwiesen, dass Warp ihrem frühen Klassiker jetzt einen verdienten Reissue gegönnt haben. Vielleicht klappt es dann ja irgendwann auch mit dem Gedächtnis und dem Namen B12.