Maschinen standen in der Musik lange Zeit im Ruf, distanziert, kühl oder gar »seelenlos« zu sein. Die konservative Standard-Ablehnung von elektronischer Musik bediente sich stets dieses Stereotyps. Dabei können auch Menschen, mit ein wenig Disziplin, selbst auf herkömmlichen Instrumenten einen ganz ähnlichen Effekt hervorrufen. Die Wirkung kann mitunter sogar noch befremdlicher erscheinen als bei programmiertem Gerät.
Auf ihrem Debütalbum »Q: Are We Not Men? A: We Are Devo!« von 1978 führte die Band Devo aus der Industriestadt Akron, Ohio in fast unheimlicher Form vor, wie sich mit Gitarre, Bass und Schlagzeug – ergänzt um den einen oder anderen Synthesizer – eine Musik erzeugen lässt, die zwar einige oberflächliche Ähnlichkeiten mit Rock und Punk aufweist, aber nur sehr wenig von der erdigen Härte dieser Genres aufweist – und die von ganz anderen Dingen erzählt als etwa dem (männlichen) Aufbegehren im Namen einer oft nicht näher bestimmten Freiheit.
Devo, ein Quintett um die beiden Kunststudenten Mark Mothersbaugh und Gerald V. Casale, gaben sich auf ihrer ersten Platte sehr selbstbewusst und entschlossen im Umgang mit der Rocktradition. Als einzige Coverversion wählten sie ausgerechnet den kanonischsten aller Rolling-Stones-Hits überhaupt, »(I Can’t Get No) Satisfaction«. Vom Original ließen sie allerdings gerade einmal die Umrisse der Gesangsmelodie samt Text stehen, den charakteristischen Gitarren-Riff reduzierten sie auf ein abgehacktes Rudiment, das der Synthesizer erst gegen Ende des Songs intonierte. Darum herum ein polyrhythmisches Gewirr, das entfernt an Funk aus einem Computer nach Datenabsturz erinnerte. Eine schönere Satire auf all das, was an den Rolling Stones in den späten 1970er Jahren schon längst zum Klischee geworden war, kann man sich kaum wünschen. Zugleich diente diese unsentimentale Aneignungsstrategie als Aufbruchssignal: Von jetzt an regierten andere, eckige Rhythmen – und andere Instrumente.
Obwohl Synthesizer auf ihren späteren Alben weit stärker zum Einsatz kommen sollten, ist die Elektronik, die zum Teil auf den Einsatz des Produzenten Brian Eno zurückzuführen ist, eines der auffälligsten Mittel, mit denen Devo den Übergang von Punk zu New Wave markierten. Und zur »devolution«, dem namensgebenden Konzept der Band, die ihre Zivilisations- und Fortschrittsskepsis gerade nicht in autobahnfahrttauglichen Viererrhythmen zum Ausdruck brachte, sondern die Rhythmen gern mal verkantete und stolpern ließ, wie eine stotternde Maschine, die schon lange nicht mehr rund läuft. »Jocko Homo« ist in dieser Hinsicht das eindeutigste Statement der Band, mit seinen atonalen Synthesizerlinien, einem spröden Gitarrenstakkato im Siebenertakt und dem Call-and-response-Gesang »Are We Not Men? – We Are Devo!« De-Evolution statt Evolution.
Trotz ihrer bewussten Sperrigkeit bleiben Devo selbst in Momenten wie diesem auf verdrehte Weise eingängig und bei aller Ironie irgendwie dringlich. Vielleicht ist es dieses experimentierfreudige Ausloten der Grenzen innerhalb des Spektrums von Pop, das »Q: Are We Not Men? A: We Are Devo!« zu einem so alterungsbeständigen wie richtungsweisenden Beitrag des New Wave macht. Die Momente hingegen, die sich stärker in den Konventionen von Rock und Punk bewegen, gehören denn auch nicht unbedingt zu den herausragenden Stücken der Platte, vom hymnisch-treibenden »Gut Feeling« einmal abgesehen. Dafür hat selbst das hochkonzentrierte Wahnsinns-Exerzitium »Too Much Paranoias«, das zwischen den scheinbar außer Kontrolle geratenen Instrumenten mit Mühe und Not so etwas wie eine Strophe-und-Refrain-Struktur wahrt, in seinem fast infantil überdrehten Ausdruck noch etwas Ansprechendes.Der endzeitlich-verschatteten Melancholie, die im New Wave durchaus zum guten Ton gehörte, haben sich Devo nie hingegeben. Ihr Vokabular war eines der neurotischen Angespanntheit, das sich gar nicht erst um Coolness bemühte, sondern lieber auf absurde Komik setzte, wobei die Grenze zum Grauen manchmal fließend verlief.
Kritik und Unterhaltung schließen sich bei Devo nicht aus, genauso wenig wie Unbehagen und Albernheit. Der endzeitlich-verschatteten Melancholie, die im New Wave durchaus zum guten Ton gehörte, haben sich Devo nie hingegeben. Ihr Vokabular war eines der neurotischen Angespanntheit, das sich gar nicht erst um Coolness bemühte, sondern lieber auf absurde Komik setzte, wobei die Grenze zum Grauen manchmal fließend verlief.
Heilig war ihnen eher wenig, wie schon der Anfangssong »Uncontrollable Urge« ankündigt. Der affirmative »Yeah, yeah, yeah«-Ruf, eine Art Beatles-Zitat, trägt hier deutliche Züge des Obsessiven, von unschuldig artikulierter Lebensfreude kann kaum mehr die Rede sein. Auch die für Devo-Verhältnisse höchst rockige Musik dreht ungesund auf, wird gegen Ende durch Feedback verfremdet, ohne dass der »unkontrollierbare Drang« befriedigt zu werden scheint – welcher Art dieses Drängen ist, bleibt mehr oder minder offen.
Für das handwerkliche Gelingen dürfte nicht zuletzt der Toningenieur Conny Plank gesorgt haben, in dessen Studio bei Köln die Aufnahmen gemacht wurden. Plank, der den Sound des Krautrock maßgeblich mitgestaltet hat und später in den Siebzigern dann Bands wie Ultravox bei sich zu Gast hatte, dürfte zum Klang mehr beigetragen haben als Eno, dessen Ideen von den Devo-Musikern weitgehend abgelehnt wurden. Wie stark sie ihre Songs schon Jahre zuvor ausgearbeitet hatten, kann man zum Vergleich auf ihren »Hardcore«-Compilations mit Demomaterial aus der Zeit von 1974 bis 1977 hören.
Der De-Evolutionsansatz, im Kern ein kulturpessimistischer Gedanke, mag das einzig veraltete Element des Albums sein. Doch wird er aus der Geschichte der Musiker zumindest nachvollziehbar: Gerald Casale erlebte das Kent-State-Massaker im Jahr 1970, bei dem vier unbewaffnete Studenten – und damit zwei seiner Freunde – bei einer Demonstration von Polizisten erschossen wurden, aus nächster Nähe. Die Wirkung dieses Schocks hatte prägenden Einfluss auf die spätere Entwicklung von Devo. Ohne die Idee, dass sich die menschliche Zivilisation durch den Fortschritt eher zurückentwickelt als weiterentwickelt, ist Devo daher nicht zu haben. Ihre Musik hätte sonst aber vielleicht niemals die Richtung eingeschlagen, die auf »Q: Are We Not Men? A: We Are Devo!« in kaputter Vollendung zu bewundern ist.