Du scheinst eine sehr konzeptionelle Herangehensweise an Musik zu haben. Im letzten Jahr hast du aber einen digitalen Track namens Loretto veröffentlicht, der eine Improvisation am Klavier ist, fast eine Meditation. Was ist die Geschichte hinter diesem Track?
Rachel Grimes: Es hat eine Weile gebraucht bis ich mich dazu entschieden habe ihn zu veröffentlichen, aber es war eine meiner Lieblingsimprovisationen aus einer Reihe von Tagen, die ich damit verbracht hatte, neue Musik zu entwickeln. Ich verbringe viel Zeit damit Ideen zu strukturieren und sie zu modellieren, also ja, ich arbeite eigentlich sehr konzeptionell, v.a. wenn es um ein Release geht. Ich verwende so viel Zeit wie es braucht darauf, oft sind das Jahre, nur um sicher zu gehen, dass die Tracks eines Albums zusammen einen Sinn ergeben. Aber ich nahm ein paar Ideen, an denen ich gearbeitet hatte mit in ein Kloster hier in Kentucky. Teil ihrer Mission ist es, Künstlern Freiräume zum Arbeiten zu bieten. Es ist wirklich ein wunderschöner Ort. Ich arbeitete in einem hohen steinernen Zimmer mit Holzdecken, in dem ein Steinway stand – ziemlich ideal für eine Pianistin.
Die musikalische Idee in dieser Improvisation Loretto war, dass wenn ich ein Ostinato in der linken Hand habe, das einen konstanten und stetigen Rahmen bietet, ich mit der rechten Hand vollkommen frei bin. Ich habe sehr viel an dieser Idee gearbeitet und viele Demos aufgenommen. Und Loretto war am Ende das Beste. Es war ein guter Morgen für mich, ich konnte klar denken.
Es klingt fast wie ein Sample, ein Loop, auf dem du die Improvisation aufbaust. Würdest du das als einen elektronischen Aspekt in deiner Musik sehen? Inspiriert dich elektronische Musik?
Rachel Grimes: Oh ja, ich habe viel Ambient gehört. Ich bin sicherlich kein Experte für elektronische Musik, aber eine lange Zeit habe ich intensiv Four Tet und The Aphex Twin gehört. Ich höre die nicht mehr so oft, aber was mich jetzt mehr interessiert, ist die Idee viele dieser Techniken auf die Liveperformance zu übertragen – als eine Art Disziplin. Gibt es einen Weg Konzepte, die oft in elektronischer Musik oder beim Live-Looping verwendet werden, zu nutzen und sich selbst dazu zu zwingen. Es ist schwer für mich, weil ich eine Tendenz dazu habe, in den Tempi zu schwanken. Es kann dann ziemlich gut sein, sich zu einem Ostinato oder einen stetigen Rhythmus zu zwingen – ein wenig wie ein sicherer Anker.
Das ist das spannende an Loretto. Es ist einerseits sehr stetig, hat einen klaren Rahmen, ist sehr konzeptuell. Anderseits ist es eine Improvisation, die nach etwas sucht. Wir hören dir dabei zu, wie du etwas suchst. Das macht es spannend.»Ich habe auch andere Instrumente gespielt, aber ich kann nie vom Klavier lassen. Es gibt einfach unendliche Möglichkeiten auf dem Klavier, ich werde nie müde vom dem Instrument.«
Rachel Grimes
Rachel Grimes: Tatsächlich ist aus diesem Stück später Every Morning und Every Morning Bird enstanden. Ich habe dieselbe Idee genommen und sie zu einem finalen Stück für Book Of Leaves entwickelt. Ich setze mich dabei immer mit dem Widerspruch zwischen Improvisation und strikt auf dem Papier Komponierten auseinander.
Warum spielst du Klavier? Gibt es etwas, was du auf dem Klavier artikulieren kannst, was du auf einem anderen Instrument nicht könntest?
Rachel Grimes: An diesem Punkt meines Lebens ist das keine bewusste Entscheidung mehr. Meine Großmutter, meine Urgroßmuter, mein Vater – alles Pianisten. Es scheint also als gäbe es eine Art genetische Veranlagung und ich spiele ja auch schon seit dem ich sehr jung war. Ich habe auch andere Instrumente gespielt, aber ich kann nie vom Klavier lassen. Es gibt einfach unendliche Möglichkeiten auf dem Klavier, ich werde nie müde vom dem Instrument.
In Zeiten von MP3s und ihrer Kompression, scheint es weniger Stille, weniger Dynamik, weniger Leises in der Musik zu geben. Vieles an deiner Musik macht es notwendig sich hinzusetzen und wirklich zuzuhören, ruhig zu bleiben. Möchtest du gerne, dass deine Musik diesen Effekt hat oder wäre sie dir auch als möblierende Musik recht?
Rachel Grimes: Ich glaube das ist ein guter Punkt. Es ist der eigentliche Grund warum ich so viel Zeit mit dem Modellieren der Musik verbringe. Warum ich große Anstrengungen eingehe, um sicher zu stellen, dass es richtig aufgenommen ist, die richtigen Leute mischen und mastern. All das, damit es eine möglichst natürliche und tiefe Repräsentation des dynamischen Ausdrucks, der so essentiell für mich ist, ergibt. Trotzdem würde ich niemanden vorschreiben, wie er meine Musik zu hören hat. Sobald ich es raus in die Welt geschickt habe, kann jeder damit machen was er will als Hörer.
Die unglaubliche Ironie unserer Zeit ist, dass wir alle Werkzeuge und Mikrofone und Techniken und Möglichkeiten haben – es war nie einfacher und besser möglich gut klingende Musik aufzunehmen. Und trotzdem hören die meisten Menschen die Musik in der absolut schlechtesten Auslösung, diese komprimierten, digitalisierten Files oder auf schlechten Kopfhörern. Sie hören keine Alben, sie hören nur Ausschnitte oder Songs, die aus dem Kontext gerissen worden sind. Aber wir als Musiker können da nichts machen. Man kann nur die Menschen animieren, diesen Dinge ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
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