Bonjour Tristesse
La Bretagne – Zu deutsch: Gleichbedeutend mit französischem Savoir Vivre, das nach herzhaften Crêpes, Cidre und Jakobsmuscheln schmeckt und wie salzige Küstenluft riecht. Pumpkin kommt aus der Gegend und bricht gerne mit diesem Bild: »Ich denke, das gerade Frankreich sehr grau ist. Und ich komme aus einer der grauesten Städte.« Cécile Unia wird 1980 in der tristen Kleinstadt Brest geboren, die, nach der kompletten Zerstörung im 2. Weltkrieg, in noch tristerem Grau wieder aufgebaut wurde. Die Eltern führen ein Café mit allabendlichem Kabarett. Cécile Unia wächst mit der französischen Musik vergangener Jahrzehnte auf, ehe sie selbst zum Stift greift. Erst mit Gedichten, gibt sie später im Alter von 15 Jahren auch mit Rap einem ortsbedingten Drang nach: »Ich war immer von Grau umgeben. Also versuche ich, etwas Farbe hinzuzugeben.«
Pumpkin wird geboren
So ist es auch kein Wunder, dass die Französin seither jede Gelegenheit beim Schopfe packt, bei dem es in die Ferne geht: Auf den Schüleraustausch mit einer privaten Schule in der australischen Stadt Adelaide folgt ein Auslandssemester in Katalonien, wo sie sich schnell ein Netzwerk aus MCs, DJs und Graffitikünstlern spinnt und zur Back-Up-Rapperin von Freunden avanciert. Obwohl sie sich selbst als »very french« bezeichnet, ihre Künstlerrolle Pumpkin entwickelt Cécile Unia doch zu weiten Teilen im Nachbarland, aus dem ihre Mutter stammt: »Eigentlich wurde Pumpkin in Barcelona geboren. Den Namen trug ich schon früher, aber dort begann ich, mein eigenes Projekt ernst zu nehmen.« Die Offenheit und der Rückhalt, den Pumpkin in der spanischen Hip Hop-Szene erfuhr, gaben Cécile Unia schließlich die nötige Zuversicht, mit der Debüt-EP »Vernissage« ihre eigene Show zu eröffnen.
Alles auf eine Karte»Hört man instrumentale Musik, sind da auch keine Wörter. Und dennoch passiert etwas: Kommunikation, Emotionen, es bewegt dich und du fühlst etwas. Ich kann dasselbe erreichen mit meiner Stimme. Sie kann wie Musik sein.«
Pumpkin
Es mag an diesem prägenden Auslandsaufenthalt liegen, dass Pumpkin sich nie bloß auf das französische Publikum beschränken wollte: »Ich wollte nie nur Frenchy-French sein, wollte schon immer zu mehr Leuten als nur zu den Franzosen sprechen.« Oder aber an den globalen Kanälen von Facebook bis Soundcloud, die sich Künstlern mittlerweile durch das Internet eröffnen. Immerhin lernte auch Pumpkin ihren Producer über MySpace kennen. Vin‘S da Cuero wuchs im Gegensatz zu Pumpkin im halb-chilenischem Elternhaus mit der Musik von A Tribe Called Quest, De La Soul, Bossa Nova-Erfinder João Gilberto und kubanischen Klängen auf. Geht es um seine Beats, zieht Vincent Lepage, so der eigentliche Name des Beatmakers, die Bezeichnung ›Electro-Boom Bap‹ vor. In Vin‘S da Cuero hat Pumpkin einen Gleichgesinnten gefunden: »In Frankreich bekommst du gesagt, dass du nur das dortige Publikum erreichen kannst. Das stimmt für uns einfach nicht, schließlich kannst du dich durch das Internet zeitgleich mit der ganzen Welt vernetzen«, schildert der Producer. »Deshalb wollen wir uns für eine größere Hörerschaft öffnen.« Die logische Konsequenz daraus folgte vor zwei Jahren, als das mit DJ Vadim aufgenommene »Silence Radio« erschien: »Seit dem Tag arbeiten wir nicht mehr nebenher. Wir haben unsere regulären Jobs aufgegeben. All in.«
Made by Mentalow
Doch wie weiter, und überhaupt, wohin? Anfangs standen die Zwei, die auch privat ein Paar sind, vor einem riesigen Berg von Fragen. Die Zukunft von Pumpkin schien ungewiss. »Aber dann haben wir eines Tages statt ›Es ist so schwer‹, gesagt ›Es ist für alle schwer‹. Also gaben wir dem Es einen Namen: Wir tauften es Mentalow.« Als Label möchten die beiden Gründer die Struktur noch nicht bezeichnen, über die sie Pumpkins Raps auf Vin‘S da Cueros Beats veröffentlichen, promoten und vertreiben. Es sei auch nicht unbedingt leichter geworden, seitdem das Kind einen Namen hat, aber: »Musik zu machen ist genauso interessant wie das Endergebnis. Und manchmal ist es sogar noch interessanter.«
Mittlerweile zeigen auch die Seitenaufrufe von Mentalow Music aus Kanada, der Schweiz und Deutschland, dass Pumpkins Sound, der im Pariser Heimstudio entsteht, auch über französische Landesgrenzen hinaus Anklang findet. »Wir versuchen‘s einfach. Es ist nicht einfach. Du kriegst immer gesagt ›aber du rappst auf Französisch‹. Aber dann musst du eben sagen: ›Ja. Aber meine Mucke ist dope‹.«
Universalsprache Flow
Dabei verzichtet Pumpkin größtenteils auf Englisch. Sie will diese Sprache nicht aus den aus ihrer Sicht falschen Gründen, nur um des Erfolges Willen wählen. Nutzt die Rapperin die Fremdsprache mal für einen Chorus, will sie abgenutzte französische Redewendungen ersetzen oder damit konkreter auf amerikanischen Hip Hop Bezug nehmen. »Gelegentlich realisiere ich gar nicht, dass ich Rap so mache wie etwas, das es schon gibt.« Und tatsächlich ist es ihr Flow, der ankommt. Die Art, wie sie bestimmte Passagen betont, Reime akzentuiert, monoton und unterschwellig aggressiv oder doch sanft und melodisch, fühlt ihre Fangemeinde rund um den Globus. »Hört man instrumentale Musik, sind da auch keine Wörter. Und dennoch passiert etwas: Kommunikation, Emotionen, es bewegt dich und du fühlst etwas. Ich kann dasselbe erreichen mit meiner Stimme. Sie kann wie Musik sein.«