In der etwas albernen Komödie »The Wedding Singer« gibt es eine Szene, in der Hauptdarsteller Adam Sandler eine Hochzeitsgesellschaft mit seiner wütenden Performance von »Love Stinks« der J. Geils Band aufmischt. Der komische Effekt beruht dabei nicht nur auf dem Umstand, dass der zum Lob des Brautpaars bestellte Hochzeitssänger offensichtlich das Falsche liefert, sondern hat unter anderem damit zu tun, dass die Botschaft des Songs irgendwo eine unangenehme Wahrheit ausspricht: Dass Liebe sich – auch für Ehepaare – verdammt kompliziert gestalten und dabei heftig wehtun kann, dürfte weitgehend bekannt sein.
Von Liebesleid und Liebesschmerz handeln auch viele der Nummern des syrischen Sängers Omar Souleyman, der mit »Bahdeni Nami« jetzt sein zweites Studioalbum vorlegt. Was als Aussage fast ein bisschen despektierlich klingt, bei einem Musiker, von dem rund 500 Bootlegs in der arabischen Welt kursieren. Omar Souleyman war nämlich seit 1994 selbst als Hochzeitssänger aktiv, und bei den Feiern in Syrien pflegte man seine Darbietungen mitzuschneiden und dem Brautpaar zum Geschenk zu machen. Nebenbei wurden diese klingenden Hochzeitsgeschenke dann noch als Tonträger gehandelt.
Dass er sehr viel von Liebe und ihren verschiedenen Erscheinungsformen singt, hat seiner Ansicht nach weniger mit seiner Vergangenheit als Hochzeitssänger zu tun als mit den Gepflogenheiten syrischer Barden im Allgemeinen: »Wo ich herkomme, handeln die Liedtexte für gewöhnlich von solchen Themen. Wir singen eben über Liebe, Flirten, darüber, dass man nicht zusammen sein kann und dergleichen.«
Über das amerikanische Label Sublime Frequencies, das einige Compilations mit Omar Souleymans Songs veröffentlichte, ist der gelernte Maurer aus der Kleinstadt Ra’s al‘-Ayn im Nordosten Syriens dann allmählich auch im Westen bekannt geworden. Vor zwei Jahren dann erschien mit »Wenu Wenu« sein erstes offizielles Studioalbum, produziert von keinem Geringeren als Kieran Hebden alias Four Tet
Hebden bewahrte den Sound von Souleyman und seinem Keyboarder Rizan Sa’id, sorgte lediglich für die richtigen Aufnahmebedingungen. Bei »Bahdeni Nami« ist Kieran Hebden ebenfalls wieder als Produzent vertreten. Diesmal teilte er sich diese Aufgabe allerdings mit seinem Londoner Kollegen Gilles Petersen und dem Berliner Duo Modeselektor auf deren Label Monkeytown Records die Platte erscheint.»Wir singen eben über Liebe, Flirten, darüber, dass man nicht zusammen sein kann und dergleichen.«
Omar Souleyman
Auf die Zusammenarbeit mit Kieran Hebden und Konsorten ist Omar Souleyman sehr stolz: »Es war großartig, mit Kieran zusammenzuarbeiten. Er war mein erster Produzent überhaupt und hat meiner Musik zu einem tollen Sound verholfen«, freut er sich. Auch diesmal zeigt sich Souleyman mit Hebdens Arbeit zufrieden, ebenso mit den übrigen Produzenten und allen weiteren an der Platte Beteiligten. Nicht zu vergessen der Legowelt-Remix des Titelsongs, die einzige Nummer, die nicht ›authentisch‹ klingt, sondern eben nach einer Legowelt-Version von Souleyman, in der es nicht einmal mehr einen erkennbaren Dabke-Rhythmus gibt, sondern einen geradlinigen Techno-Beat.
Bloß nicht unterkriegen lassen
Hier und da mag sich diese Kooperation auch abgesehen von dem Remix in leicht veränderten Sounds niederschlagen, doch ansonsten bietet Omar Souleyman wie gewohnt seinen elektrifizierten Dabke, den traditionellen Kreistanz, der dank der programmierten Beats von Sa’id einen ziemlich anderen Dreh – irgendwo zwischen Psychedelik und Euro-Dance mit arabischen Tonleitern – verpasst bekam und damit den Grundstein für Souleymans internationale Karriere gelegt haben dürfte.
Die dem Star bisher übrigens nicht zu Kopf gestiegen zu sein scheint. Mit seiner heutigen Popularität fühle er sich gut, »auch wenn es in meinem Leben jetzt viel mehr Verantwortung gibt«, wie Souleyman sagt.
Die zunehmend internationale Ausrichtung Souleymans, die sich auf »Bahdeni Nami« niederschlägt, hat aber eine Schattenseite. In seinem Herkunftsland war er schon seit Jahren nicht mehr, stattdessen lebt er inzwischen im Südosten der Türkei, wo er sich »sehr wohl« fühle. Zuletzt in Syrien gesungen habe er vor mehr als fünf Jahren. »Es war bestimmt auf irgendeiner Hochzeit.« Zur politischen Lage seines Landes hingegen möchte er keine Stellung nehmen, wie er auch in seinen Liedern politische Themen vermeidet.
Das war nicht immer so. 2008 veröffentlichte er eine Lobeshymne auf den syrischen Diktator Baschar al-Assad. Es war allem Anschein nach ein Einzelfall. Doch auch darüber möchte er heute nichts mehr sagen. Seine politischste Aussage, zu der er sich dieser Tage durchringen mag, ist womöglich seine Einschätzung zur grundsätzlichen Rolle von Musik: »Musik ist dazu da, um der Seele zu helfen, sich nicht unterkriegen zu lassen.« Das ist bei dem Leid der Menschen in seinem Land so ziemlich das Wertvollste, was ein Musiker leisten kann. Sofern man ihn dort noch hören darf. Oder kann.