Ein dystopischer Alien-Sound pfeift ins Leere. Plötzlich durchbricht die Stimme aus dem Radio die gespenstische Stille. Leise beginnt es metallisch zu klackern: »Wenn es keine richtigen Drums mehr gäbe, würden wir auch verwenden, was übrig bleibt! Metaphorisch gesprochen benutzen wir also die Überreste der menschlichen Existenz«, sagt Pascal Pinkert, Mastermind hinter Bands wie Dollkraut und De Ambassade. Letztere veröffentlichen demnächst ihr zweites Album »The Fool« auf Optimo Records.
Pascal Pinkert ist weit weniger ernst, als seine Musik vermuten lässt. Als es bei unserem Zoom-Interview in Amsterdam zu schneien beginnt, erklärt mir der niederländische Produzent, dass er eher ein Sommermensch sei. Das musikalische Spektrum, auf dem sich der DIY-Musiker bewegt, ist ebenso gegensätzlich wie undefiniert: »Um ehrlich zu sein, ich glaube, das liegt daran, dass ich den Prozess der Entwicklung einfach mag. Deshalb habe ich aufgehört, mich über Genres zu ärgern.«
Vom Bild zur Erzählung
Zwischen düsterem Minimal-Wave und dem Erbe der niederländischen DIY-Kassettenszene der 1980er Jahre bewegt sich Pinkert gerne in der Düsternis des Dancefloors: Der Sound taumelt zwischen Gesellschaftskritik und Eskapismus. Die kürzlich als DJ Europarking erschienene EP »Bitte Everyday!« schießt eher in Richtung Sechs-Uhr-Morgen-Ekstase. Der Identitätswechsel von Dollkraut oder DJ Europarking zu De Ambassade zeigt eine andere Seite von Pinkert, die ihm ebenso wichtig ist: »Dollkraut ist auf dem Dancefloor entstanden. Mit De Ambassade auf der Bühne zu stehen, ist eine andere Art, Geschichten zu erzählen. Musikalisch ist es ernster.«
Ohne den Text zu verstehen, zeichnet »The Fool« ein dystopisches Bild, das unheimlich und mitreißend zugleich ist. Die Musik allein trägt die Erzählung. Sei es ein Metallblech, das Donner simuliert, oder alarmierende Synths, die fernen Sirenen ähneln. Es ist die Atmosphäre, die einen sofort in ihren Bann zieht: Plötzlich ist man der letzte Mensch. Pascal Pinkert bezeichnet sich selbst als visuelle Person. Er müsse zuerst das Bild sehen, bevor er sich ihm musikalisch nähern könne. Im Gegensatz zu anderen DIY-Künstlern wirkt der Sound von De Ambassade daher fast filmisch: Ein Adjektiv, das dem cinephilen Musiker durchaus gefällt.
Dystopie und Melancholie
»Ich wollte bewusst in die Richtung dieser dystopischen Sujets gehen. Da waren Bilder von einstürzenden Neubauten oder von einem zerstörten Bauernhof, weit weg von der Stadt. All diese Aspekte sind in das Album eingeflossen.« Die Platte sei deshalb »schwerer« als der Vorgänger »Duistre Kamers«. Die dunkle Kammer hat der Musiker freilich noch nicht verlassen: Nightlife und DJing sind nach wie vor seine Leidenschaften, aber das Gewicht sieht Pinkert bei De Ambassade: »Es gibt einfach zu viele Dinge, die in der Welt falsch laufen. Das klingt abgedroschen, aber wir sind auch nur sensible Menschen. Das ist es, was uns bewegt.«
Obwohl sich Pinkert mit seinen Bandkolleg:innen von De Ambassade – Keyboarderin Suzie Hagens und Jippe van Niel am Bass – mit politischen Themen beschäftigt, wirkt die Musik überhaupt nicht »brainy«. Die musikalische Interpretation ist eher eine Reflexion des Außen als ein intellektuelles Auseinandernehmen. »Es würde musikalisch ganz anders klingen, lebten wir in einer perfekten Welt.« Das dystopische Denken ist eine Folge des melancholischen Gefühls, das derzeit so überbordend zu sein scheint. Die Nostalgie von Pascal Pinkerts Musik als Flucht nach vorn: in eine Zukunft, die wir uns nicht vorstellen wollen.
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De Ambassade ist dabei ebenso »gothy« wie »genre-fluid«. Dass der Musiker mit seinen Projekten von außen vor allem in die Minimal-DIY-Nische gesteckt wird, scheint angesichts seines Musikverständnisses willkürlich: »Ich könnte mir auch ein Alter Ego für eine Ambient-Platte zulegen, weil ich das genauso liebe! Es ist mir wirklich egal: Wenn ich etwas mag, dann erforsche ich es!« Es bleibt also spannend, in welche Welten der niederländische Produzent in Zukunft noch eintauchen wird.