New Record Labels #36 – Glitterbeat, Hypermedium, Isle Of Jura und Rhythm Section International

01.05.2018
Jeden Monat stellen wir euch Labels vor, die neu bei uns im Shop vertreten sind und/oder deren Entdeckung sich lohnt. Die Auserwählten diesmal: Glitterbeat, Hypermedium, Isle Of Jura und Rhythm Section International.
(http://www.hhv.de/shop/de/musik/alle/label:glitterbeat]) Glitterbeat ist ein 2012 von Peter Weber und Chris Eckmann gegründetes, deutsches Plattenlabel aus Filderstadt. Lange bevor 2012 die erste Glitterbeat-Katalognummer erschien, fand das Label seinen schleichenden Anfang in weiter Ferne. Der Glitterhouse-Betreiber Weber erinnert sich: »Zum Jahreswechsel 2007/2008 waren wir beide zusammen auf einem Musikfestival in der Sahara. Dort haben wir die Tuareg-Band Tamikrest kennengelernt und 2009 haben wir Tamikrests erstes Album »Adagh« in Mali aufgenommen.«_ Anfangs erschienen die Platten der Band wie auch andere Produktionen aus Mali auf dem traditionsreichen Mutterlabel, dann aber wurde Weber und Eckmann der stilistische Rahmen zu eng. 2012 wurde Glitterbeat zuerst als Sublabel von Glitterhouse gegründet, 2014 dann komplett ausgegliedert und mittlerweile arbeiten neben den beiden Betreibern mit Jakob Burgemeister, Silvij Skok und Ira Kolbezen ganze fünf Personen an dem Projekt.

Worum es Glitterbeat geht? Um globale Musik, die sich weniger in der Tradition von kitischiger Weltmusik einreiht, als dass sie vielmehr die Gedanken von Jon Hassell und Brian Eno fortführt. Deren Album »Fourth World Vol. 1: Possible Musics« und der von Hassell solo eingespielte Nachfolger wurden von Glitterbeat ebenso neu aufgelegt wie das gemeinsame Album Eno und Laraaji, »Ambient 3: Day Of Radiance«. Dazwischen tummelt sich Musik von King Ayisoba, Compilations mit traditioneller vietnamesischer Musik und zeitgenössischer Musik aus dem Gaza-Streifen. Eine bunte Mischung, die unaufdringliche ethnografische Klangforschung mit aufregenden neuen Sounds verbindet. Was sind da die Kriterien für ein Release? »’Vibrant Global Sounds‘, heißt es in unserer Selbstbeschreibung«, sagt Weber. »Und wenn wir empfinden, dass eine Musik ‚vibrierend‘ ist, ist der erste Schritt schon getan. Wir müssen die Musik lieben, sie muss uns berühren. Aber das ist noch nicht genug. Da sollte ein Hintergrund sein, eine Geschichte, die erzählt werden will.«

Die Wiederveröffentlichung von Hassells »Dream Theory In Malaya (Fourth World Volume Two)« war dem Glitterbeat-Sublabel tak:til zugeordnet, wo seit 2017 Platz für »experimentierfreudige, avantgardistische« Musik geschaffen wird, wie Weber das nennt. »Solch eine Musik passt nicht zwangsläufig auf ein Label, das oft mit dem seltsamen Etikett ‚Weltmusik‘ versehen wird. Mit tak:til sind wir weitaus offener, müssen also noch weniger auf Mainstreamtauglichkeit achten.« Der Ableger zum Ableger sozusagen. Mit tak:til führen Weber, Eckmann und ihre Mitstreiter ein Programm fort, das sich organisch aus ihren ursprünglichen Interessen heraus entwickelt hat. Denen bleiben sie auch bis heute treu: Tamikrest sind natürlich immer noch mit bei Glitterbeat an Bord. KC

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(http://www.hhv.de/shop/de/musik/alle/label:hypermedium]) Hypermedium ist ein 2015 von Akis Sinos und Timos Alexandropoulos gegründetes, griechisches Plattenlabel aus Athen. Sinos und Alexandropoulos kennen sich schon seit einem guten Jahrzehnt und haben in ihrer Heimat zusammen gespielt und Gigs geschmissen, bevor die Idee für ein eigenes Label heranreifte. Die Motiv dafür? Reines Ennui. »Kulturell gesehen ist Athen die meiste Zeit über ziemlich öde«, heißt es nüchtern. Indem wir zusammen rumhingen, Musik gehört und darüber gesprochen haben, Partys organisiert haben und neue Musik promotet haben, konnten wir der Langeweile entfliehen.« Dass das in einem Plattenlabel resultieren würde, war abzusehen und stellte lediglich den nächsten logischen Schritt dar. Die beiden DJs gehen es aber langsam an: Mit Releases von Evol, Patiño und No God Ritual sowie dem Gqom-Duo AudioBoyz aus Durban erschien seit 2015 bis 2017 lediglich eine Platte pro Jahr. Im Gesamten aber entfaltete sich eine absonderliche Mischung: Die abstrakten Club-Derivate Evols schienen noch am ehesten bei No God Ritual ihren Nachhall zu finden, Patiños blubbernde Synthie-Eskapaden und die harten Rhythmen der AudioBoyz aber bewegten sich schon wieder in anderen Gefilden. »Wir denken, dass dem Diskurs um Musik und Ästhetik nicht gut tut, wenn Artists oder Labels auf ein bestimmtes Label oder einen festen Begriff reduziert werden«, schreiben die Betreiber entschlossen. »Statt in solchen Kategorien zu denken, versuchen wir symbiontische Verbindungslinien zwischen Stilen und Zeitstrahlen zu finden und Klassifikationen um jeden Preis zu vermeiden.« Liest sich Schwarz auf Weiß zuerst nach grauer Theorie, klingt auf Platte aber umso schlüssiger.

Dass Hypermedium wie auch die beiden Köpfe dahinter zwischen den Stühlen stehen, war nie unbedingt gewollt. Es wird aber hingenommen und produktiv genutzt. »Was uns mit anderen Crews in aller Welt vereint ist wohl die Tatsache, dass wir Außenseiter sind. Zu experimentell für die Club-Kultur und zu clubbig für die Experimental-Szene. In jedem Fall genießen wir die Wechselwirkungen und das Gefühl von Flüchtigkeit, die so viel zeitgenössische Musik charakterisieren«, sagen Sinos und Alexandropoulos. Fortschritt wird bei ihnen offensichtlich immer schon als Verlust gedacht, Rührseligkeit stellt sich darüber aber keineswegs ein. Stattdessen wird die Nähe von anderen gesucht, die genauso denken. Auf das Duo AudioBoyz wurden die Hypermedium-Macher aufmerksam, nachdem es auf Sam Purcells Label Blank Mind debütierte. Der Kontakt nach Südafrika wurde gesucht, gefunden und von da an lief alles wie von selbst. Auf die Zusammenarbeit mit ihren Artists legen sie dabei weit über die Musik hinaus sehr viel Wert. »Wir haben keine vorgefestigten Konzepte, wie die Cover auszusehen haben, es ist ein ergebnisoffener Prozess. Artists kommen entweder selbst mit einer konkreten Idee an oder sie kommen in Zusammenarbeit mit KünstlerInnen zustande, deren Schaffen unserer Meinung nach mit dem Konzept der jeweiligen Platte harmonieren.« Klingt schlüssig und dennoch nicht abgeschlossen. Oder wie es Sinos und Alexandropoulos selbst sagen: »Es fällt uns schwer, unsere Tätigkeit darauf festzulegen, was wichtig ist – mit Ausnahme davon, dass wir unserer fluiden und unvorhersehbaren Arbeitsweise treu bleiben möchten.« Das ist doch mal ’ne Aussage. KC

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(http://www.hhv.de/shop/de/musik/alle/label:isle-of-jura]) Isle Of Jura ist ein 2016 von Kevin Griffiths gegründetes, australisches Label aus Adelaide. Griffiths konnte schon auf eine zehnjährige Karriere als A&R und Betreiber für das Label Tsuba zurückblicken, als er sich zu einem neuen Unternehmen entschloss. Aber warum dann überhaupt ein neues Label an den Start bringen? »Tsuba wurde zehn Jahre alt und nachdem ich viele House-Platten veröffentlicht hatte, wollte ich etwas anderes machen und mich verschiedenen Genres zuwenden«, erklärt der Produzent. »Tsuba richtet sich eher an DJs und die Clubszene, wo die Platten überwiegend gespielt werden, wohingegen Isle Of Jura eher ein Sammlerding ist und sich musikalisch etwas neben der Spur bewegt.«_ Dennoch hat beides unbedingt miteinander zu tun, wie Griffiths erklärt. Als DJ arbeitet er wöchentlich rund 12 Stunden in seiner Heimatstadt und um die Dinge für sein Publikum spannend zu halten, verliert er sich schon mal stundenlang auf YouTube, um neue wie alte Musik aufzustöbern. Obwohl die Musik auf Isle Of Jura deutlich Song-orientierter als die auf Tsuba ist, wie der Betreiber selbst betont, so sammelt er auf seinem Reissue-Label doch einige Perlen, die fest zum Repertoire verschiedener Disco-Ären gehörten. Den Auftakt machte Escape From New Yorks Achtziger Jahre-Klassiker »Fire In My Heart« und mit Ozos »Anambra« gelang es Griffiths sogar, eine besonders obskure Perle aus den frühen New Yorker Disco-Zeiten neu aufzulegen – ein spirituell angehauchter Lieblingstrack von David Mancuso.

Von der ersten Idee bis hin zur fertigen Platte braucht es allerdings einige Mühen, wie der Labelbetreiber berichtet: Rechtinhaber ausfindig machen, die Kommunikation herstellen, Überzeugungsarbeit leisten – alles nicht so einfach. Zudem er außerdem noch viel Wert darauf legt, dass die alten Releases in neuem Glanz erscheinen. »Eine Platte wie Brian Bennetts »Voyage (A Journey Into Discoid Funk)« war seit 1978 nicht mehr erhältlich, da willst du echt nicht als der Typ bekannt werden, der’s vermasselt hat!«, heißt es. Die Artworks vereinen Elemente der Originale mit neuen Designs von Bradley Pinkerton und im Falle des obskuren Dub-Projekts Ingleton Falls aus dem Zoviet France-Umfeld ging Griffiths sogar so weit, deren »Champagne In Mozambique«-Mini-LP im Originalmedium erhältlich zu machen. Dem limitierten Tape-Release wurde dennoch 180g-Vinyl zur Seite gestellt – vielleicht will es ja doch jemand im Club auflegen. Die neuen künstlerischen Freiheiten, die Griffiths mit Isle Of Jura nach einem Jahrzehnt im strengen House-Business genießt, sollen sich übrigens nicht allein auf Reissues erstrecken: 2018 startet mit Temples Of Jura ein Ableger, der mit einem Split-Release von Len Leise und Griffiths selbst unter dem Namen Jura Soundsystem eröffnet wird. KC

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(http://www.hhv.de/shop/de/musik/alle/label:rhythm-section-international]) Rhythm Section International ist ein 2014 von Bradley Zero, Anu Ambasna, Mali Baden-Powell und Emily Hill gegründetes, britisches Plattenlabel aus London. London, genauer gesagt Peckham. Mit Henry Wus »Good Morning Peckham« und insbesondere Chaos In The CBDs Überhit »Midnight In Peckham« finden sich im Backkatalog des Labels reichlich viele Hommagen an den südöstlichen Distrikt, der sich als multikulturelles Arbeiterviertel in den letzten Jahren zunehmend von Gentrifizierung bedroht sah. Hier aber nahm Rhythm Section International seinen Anfang mit Partys, die auf entschleunigte, von Jazz, Disco und Downbeat gesättigte House-Vibes setzten. Das implizite Motto sollte sich im Label fortschreiben: »Sei nett!«, fasst Emily Hill den (Selbst-)Anspruch ihrer Crew zusammen. »Das ist unsere Losung für den Dancefloor und sie erstreckt sich auch auf das Label. Indem wir nett zu anderen sind, haben wir ein familiäres und freundschaftliches Netzwerk aufgebaut, das gemeinsam mit Rhythm Section wächst.«_ Und wie es wächst!

Mittlerweile verstreut sich das Label über die gesamte englische Hauptstadt und tourt unablässig durch die europäischen Festivals. Hill sagt selbst, dass sie Rhythm Section tatsächlich als internationales Projekt betrachten. »So wie Duke Hugh, der Bradley in Amsterdam einen USB-Stick in die Hand drückte oder die Leute, die Bradley auf seinen Reisen in Australien kennen gelernt hat, was so etwas wie Rhythm Sections zweite Heimat ist. Das wäre nicht möglich, wenn die Saat dafür nicht in Peckham gepflanzt worden und hier gedeiht wäre.« Nicht allein der Lokalheimat, sondern auch dem Sound ist das Label stets treu geblieben. Produzenten wie Al Dobson Jr FYI Chris oder Chaos In The CBD gehen auf dem Label ein und seltener aus. Nicht der einzige Grund, warum Rhythm Section eine starke Klangsignatur hat, findet Hill. »Es ist ein schmaler Grat, auf dem wir da unterwegs sind, aber ich denke, dass wir die Balance zwischen erhabenen und meditativen Produktionen auf der einen und Dancefloor-fertigen Stompern auf der anderen gut gehalten haben«, sagt sie über die Musik auf Rhythm Section International.

Mit dem 2017 gestarteten Sublabel International Black wurde dem Hauptlabel sogar ein experimenteller Ableger nebenan gestellt. »International Black ist im Vergleich zu Rhythm Section International gesichtslos. Es ist für uns eher eine Plattform, auf der wir ein musikalisches Outlet erkunden können und obwohl jedes Projekt persönlich ist, hat es in seiner Durchführung nicht dieselbe Leitidee wie Rhythm Section.« Das Prinzip: Eine Platte, zwei Artists pro Seite – fertig. Das Ergebnis ist Musik, die noch deutlicher auf den Dancefloor zielt als der sonstige Labeloutput – ob nun in Peckham oder im Rest der Welt. KC

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