New Art – Formerly Known as: New Art

06.03.2011
Foto:CircleCulture CC:
Zum Beispiel Berlin: Wie die Urban Art zum Indikator einer Zeit wird, in der Kunst längst nur noch Design ist. Zur Ausstellung __New Art__ in der Berliner Gallerie CircleCulture.

Als die CircleCulture Gallery in Berlin im Januar in der Ausstellung New Art – Fomerly Known As: New Art innovative Werke der Kunstgeschichte von Urban Artists aus aller Welt neu interpretieren ließ, fanden sich im Pressetext dazu folgende Worte: »Gerade entsteht weltweit eine Bewegung, die wieder als Vorreiter für neue Strömungen in der Kunst von morgen stehen könnte. Man könnte sie als Street Art, New Art oder als Urban Art bezeichnen – die beteiligten Künstler jedenfalls wehren sich gegen solche Kategorisierungen. Was sie aber verbindet ist eine tendenzielle Negierung des akademischen Duktus der Universitäten und der etablierten Kunst-Institutionen. Inspiriert durch ihr Leben in urbanen Subkulturen wie Graffiti, Street Art, Grafikdesign, Punkrock oder Avantgarde Mode entwickeln sie eine kulturell getriebene Leidenschaft zur Kunst. Aus einem ureigenem Antrieb produzieren sie hochqualitative Werke – manchmal illegal, aber in jedem Fall ganz nah am Leben. Eine erfrischende Position in der zunehmend künstlichen Welt der bildenden Kunst.« Es erscheint (neben der mangelnden inhaltlichen Präzision) geradezu zynisch von einer Bewegung zu sprechen, die im Entstehen sei, war die Ausstellung in der CircleCulture Gallery doch eher ein Beispiel für den Versuch der Historisierung einer einst bestandenen Bewegung, die schon lange auf Tuchfühlung mit den Institutionen gegangen ist und von diesen im Laufe der letzten Jahre vollends einverleibt wurde. Da gilt Banksy als einer der bestdotierten kontemporären Künstler, da entwerfen Shepard Fairey und Ron English die Ikonen des amerikanischen Wahlkampfs 2008 – mit der Ankunft der Urban Art im Mainstream (das dürfte auch am letzten Feuilleton nicht vorbei gegangen sein) verändern sich die ästhetischen Implikationen und die ideelle Ausrichtung einer Bewegung, die im Übrigen schon immer eine fremdzugeschriebene gewesen ist, nie einem Programm oder einer einenden Idee folgte und daran gut tat. Wenn jetzt das Institutionskritische der Urban Art von eben jenen Institutionen bemüht wird, ist das grober Unfug und nicht mehr als schlecht gemachte PR. Was der Urban Art hingegen eigen war, ist die Auseinandersetzung mit dem Raum, das Erschließen, Ausleuchten, Abdunkeln, das Spiel um Geschwindigkeit (in Zeiten der Illegalität), Maskierung/Demaskierung und dem temporären, vergänglichen Charakter der Kunstwerke und dem Raum selbst.

Endstation: Gallerie
Im vermeintlichen Mekka der Urban Art, Berlin, ist der Wandel dieser an ein Ende gekommenen Bewegung zwischen Kommerz und diffusen Idealen am eindrücklichsten zu beobachten. Da werben Hausbesitzer neuerdings mit »echten Graffitis« an den Wänden, da streut Fiat eine vermeintlich Urban Art- Broschüre, um für ihr Modell 500 zu werben, da bringt Adidas einen Street-Art-Führer heraus und bringt das Verhältnis von Urban Art und öffentlichem Raum in Berlin auf den Punkt: die Stadt ein Open-Air-Museum – der Führer als Dekodierer der maskierten Kunst. Die Auseinandersetzung zwischen Urban Art und Stadt wird hier zu einer zwischen Urban Art und Stadtverwaltern und ihren Marketingabteilungen. Ein durchaus dynamisches Spiel, bei dem jedoch keine Ideen produziert werden und die Stadt immer weniger als Raum, doch immer mehr als Oberfläche fungiert und benutzt wird.
Die Endstation Galerie scheint da nur folgerichtig. Die Ausflüge in die Galerien sind dabei meist recht verzweifelter Art, ist der Raum hier ja bereits nicht mehr vorhanden (white cube) und muss sich also in irgendeiner Form aus sich selbst gebären. Diese Aufgabe lösten in der New Art-Ausstellung fast alle Künstler mit der Rückkehr in gewohnte Leinwandformate. Im Mittelpunkt stand dabei die ästhetische Aktualisierung alter Kunstwerke, eine Designaufgabe, mit erschreckendem, weil uninspiriertem Ergebnis. Zumindest zeigte die Ausstellung die zunehmende Musealisierung und wie dabei das Bild des Visionären und Radikalen bemüht wird. Die Historisierung und fortschreitende Musealierung wird auch durch die gerade erschienenen topografischen und historischen Enzyklopädien zur Urban Art, Beyond the Street (Berlin Gestalten Verlag) und Trespass – Die Geschichte der Urbanen Kunst (Taschen Verlag) unterstrichen.

Die Stadt als Marke
Die Urban Art ist Indikator für eine Zeit, in der Kunst zunehmend nur noch Design ist. In der existentielle Erschütterung, das Wundern (und damit das Denken) als ein urphilosphischer und künstlerischer Impuls durch den ästhetischen Reiz abgelöst wird. Der Kampf wird nicht mehr um Ideen und Konzepte, nur noch um die ästhetische Überlegenheit im überreizten Raum geführt. Hier kommt die Urban Art mit ihrer Guerilla-Attitüde und ihren Überraschungseffekten gelegen. So drängt die Kunst auf die Straße, weil dies noch immer die beste Werbefläche war. Und so wird eine ganze Stadt zur Marke umgebaut, in der die Urban Art für die Cooperate Identity sorgt. Aus etwaigen Visionen der Urban Art wie der des Perspektivwechsels, der Idee der Vertiefung der Stadt, der Kerbung und Reibung, ist eine Welt der Fassade geworden (metaphorisch punktiert dargestellt durch die durch Plexiglas geschützten Graffitis von hoch-dotierten Künstlern wie Banksy). Wenn dies die Vorreiter der Kunst von morgen sind, wenn die Institution durch den privaten Investor, die Förderung durch die Kungelei von Marketingagenturen und urbanen Künstlern abgelöst wird, dann verkommt die Stadt zur Designvorlage und die Kunst zum Design, die sich an ihr abarbeitet.