Am Anfang war der Song – und der Song war: Nautilus. Toshiyuki Sasaki hörte ihn und benannte seine frisch gegründete Band 2014 nach diesem obskuren Bob-James-Groove-Stück von dessen Debütalbum aus dem Jahre 1974. Die Rezeptionsgeschichte der Werke von Bob James ist dabei im Gesamten nicht unerheblich für den Werdegang der Band.
In den Siebzigern und Achtzigern war Bob James, Jazz-Funk-Virtuose und Komponist, eine gefragte Größe. Seine Kompositionskünste waren lange gefragt; etwas später blieben die Aufträge aber aus. Stattdessen entdeckten nun Hip-Hop-Crews den reichhaltigen Schatz des James’chen Oeuvres wieder und nutzten seine Tracks als Samples. Erst in den Nuller Jahren bargen dann findige Label- und Plattenmacher alte Glanzstücke von Sample-Datenbänken. Prächtig schimmernde Jazz- und Funk-Nummern fanden ihren Weg auf LP-Compilations und Re-Issues.
In dieser Gemengelage aus Digging, Rare- sowie Organic-Grooves und frühem Jazz-Revival entsteht die Band Nautilus. Fortan sollte Toshiyuki Sasaki mit dem Bassisten Shigeki Umezawa das Herz (Taktgeber) und Brain (Arrangeur) des Trios bilden – die ersten Jahre wurden sie von Daisuke Takeuchi am Piano und den Key begleitet.
»Nautilus spielen mit der sexy Gelassenheit einer Anderson.Paak-Backing Band.«
»Nautilus« wurde dann selbstverständlich auch zum Key-Piece der Band – in einer eigenen Interpretation, die zwar nah am Original agiert, dennoch einen gewissen Minimalismus an den Tag legt. Sasaki, Drummer durch und durch, war zu dem Zeitpunkt schon länger großer Fan des groovenden Jazz. Seine ersten Erfahrungen machte er als Jugendlicher, so will es die Legende, mit Jamiroquai. Grooven musste es, das war klar und oberstes Gebot.
Mit Esprit spielen sich Nautilus seitdem durch Netz- und Platten-Fundstücke: Covern Gil Scott-Heron hier oder Suzann Vega dort. Besondere Bedeutung sollte indes der Roy Ayers-Klassiker »We Live In Brooklyn Baby« gewinnen: Der deutsche DJ und Digger Oonops aka Patrick Decker stolperte nämlich über diesen Track und jene Bob James-Coverversion, die dem Baby überhaupt erst den Namen gegeben hatte. Er war direkt Feuer und Flamme und klopfte bei der Band und in seiner Heimat Hannover bei Agogo Records an. Kurze Zeit später sollte schon »Nautiloid Quest« in den Plattenregalen stehen.
Hier wird nicht gegniedelt
Die Compilation verbindet dabei alle wichtigen Tracks der ersten beiden Alben von Nautilus, die ausschließlich in Japan veröffentlicht worden waren. Das europäische und amerikanische Publikum nahm den Sound bestens auf. Schwierig war’s nicht, wirkt er doch sehr vertraut, auch, weil die Band nicht so wirklich in die klischeebeladenen Kategorien passen, die man für japanische Musiker*innen und im speziellen Jazzer*innen parat hatte: Zwar spielten vor allen Dingen Toshiyuki Sasaki selbst und der Bassist Shigeki Umezawa astrein und technisch recht aufwendig, überstrebsame Sauberkeit war aber nicht ihr Ansatz.
Statt maschinenhaftem Technik-Gefrickel hieß man hier den Swing willkommen; wo sonst gerne gegniedelt wird, spielten Nautilus mit der sexy Gelassenheit einer Anderson.Paak-Backing Band. Nun war das Trio in Europa angekommen, bediente dennoch auch zeitgleich den japanischen Markt. Diesen Spagat zog man einige Jahre durch. Dann kamen die weltweite Corona-Pandemie und der Ausstieg des Pianisten Daisuke Takeuchi. Dafür sitzt seit 2020 Mariko Nakabayashi an den Keys.
Heute haben Nautilus ihr Repertoire erweitert, kooperieren zum Beispiel auch mit der Landsfrau und Sängerin Anna Sato. Hier ist vor allen Dingen wieder Frontmann Toshi Sasaki tonangebend, der maßgeblich für die Kooperation verantwortlich ist. Wie auf der letztjährigen LP zu hören, passen diese beiden Welten auch bestens zusammen: Da ist einerseits der mittlerweile bekannte Cover-Sound – der auf Anraten von Neu-Labelmacher Oonops zum Beispiel »Manhã« der brasilianischen Jazz-Helden Azymuth ins Visier nimmt – auf der Flip-Seite dann die Überraschung: Break-Beat-Betten, die vom klassischen Enka-Gesang Anna Satos und einem Sample der japanischen Gitarre Shamisen umgarnt und akzentuiert werden, in außerweltliche Trance versetzt.
Eins ist also klar: Nautilus sind wirklich keine 08/15-Band, sondern scherrt sich recht wenig um Klischees und Erwartungen. Stattdessen sind sie derzeit eine der spannendesten Jazz-Bands – hier und in Japan.