Multi Culti Records – The Music Is The Massage

04.02.2019
Multi Culti ist eines der Labels der Stunde. Entschleunigung ist nicht zu erwarten. Ihr Faible für tribale Rhythmen, hippie-eske Attitüde und wahre Freundschaft trifft nicht nur den Zeitgeist, es macht sie auch wenig anfällig für Trends.

Letztes Jahr auf einer Party fielen mir diese nicht-handelsüblichen Longpapers auf, die gleich nebenan ausgepackt wurden: »Multiply your mind – Multi Culti«. ›Ziemlich ungewöhnliches Merch‹, war mein erster Gedanke. Mein zweiter war: ›Moment, das passt arg gut zu dem Label, das als seinen offiziellen Standort zwar Quebec nennt, in Wahrheit aber überall zu Hause ist.‹

Multi Culti wird betrieben von Thomas Von Party, dessen Bruder Tiga kein unbekannter ist, sondern Musiker, Remixer, DJ, Label-Betreiber (Turbo Records). Auch Thomas legt formidabel auf und ist gern gesehener Gast auf Partys in New York, London, Berlin oder auch Goa. Dort, auf dem indischen Subkontinent, traf er in einer bedeutenden Nacht den Co-Honcho des Labels: Angus Gruzman. Eine australische Partybombe, immer all over the place. Bekannt ist er, neben seinem Engagement mit Freund und Landsmann Kris Baha als Die Orangen (mit Releases auf Malka Tuti,) vor allen Dingen unter seinem Künstlernamen Dreems.


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Was machen also zwei Party-geschulte Jungs in Goa? Sie nehmen auf einem Berg psycho-aktive Pilze und überlegen, dass die Welt ein weiteres Plattenlabel brauche. Eins, das sich nicht bloß an Genregrenzen entlang hangeln möchte, sondern eines dieser Liebhaber-Labels, das nicht auf Verkaufszahlen gucken muss. »Wir veröffentlichen, was wir lieben. Es gibt musikalisch keine Regeln oder ähnliches. Künstler, mit denen wir zusammenarbeiten wollen, müssen ein großes Herz, ein offenes Mindset haben. Außerdem sollten die Hände gut geölt sein: Wir wollen, dass die Musik durchmassiert wird, solange bis wir STOP sagen!« Klingt nicht nur sehr hippie-esk, hier wird das Klischee auf erfrischende Weise weitergelebt.

Hauptsache Multi Culti, auch wenn der Labelname selbst bloß auf einem Witz eines (nicht genannten) deutschen Freundes basiert. Den beiden Machern gefiel der Begriff. Der Erfolg – auch wenn dieser den beiden Labelchefs eher wenig am Herzen liegt – gibt Ihnen recht: Mittlerweile ist Nicola Cruz ganz sicher der erfolgreichste Künstler. Seine Karriere geht geilerweise einfach immer weiter ab.

»Wir wollen, dass die Musik durchmassiert wird, solange bis wir STOP sagen!«

Entschleunigung ist nicht zu erwarten. Insgesamt haben wir das Gefühl, dass es bei allen unseren Freunden und Partnern gut läuft. Wir setzen nun mal auf die richtigen Pferde.« Da freut man sich bei Multi Culti auch wenn die Platten als Produkt im Mittelpunkt des eigenen Schaffens stehen. Wenn einem Geld egal ist und man veröffentlicht, worauf man selbst steht, dann sind Schulterklopfer von den richtigen Leuten der wahre Lohn: »Mit Zongamin haben wir mehr als 40 Monate an seiner Platte gearbeitet. Nach über 13 Jahren kreative Pause sollte bei seinem Comeback alles perfekt sein. Für die 12inch gab es dann ordentlich kudos von allen Seiten. Es kamen Leute zu uns, die meinten, sie hätten wegen dieser Scheibe erst wieder angefangen aufzulegen.«

Deswegen möchten sich Thomas Von Party und Angus Gruzman auch gar nicht ab- oder einbremsen lassen: Es stehen 2019 Platten von Freunden des Hauses und neuen Bekannten an. Der aus Estland stammende Manfredas und Nicola Cruz, die beiden Schwergewichte sind natürlich genauso am Start wie neue Gesichter: Jamie Paton und Alek Lee können hier genannt werden. Highlight für Gruzmann ist aber das neue Album unter seinem Alias Dreems. Für Freunde des organischen Tanzsounds, der gerne mit Percussions und »echten« Schlagzeugen und anderen Instrumenten daherkommt, gibt es also ganz sicher nicht zu wenig Futter. Anfang 2019 ist man natürlich auch schon aktiv geworden: das aktuellste Release ist die EP des unwahrscheinlichen Paares Sascha Funke und Niklas Wandt die sich nicht gesucht und doch gefunden haben. Auf »Wismut« werfen die beiden Berliner ihre Stärken zusammen und schaffen die neue Referenz im Katalog, der insgesamt 47 Releases aufweist – und das in gerade Mal fünf Jahren Labelbestehen.

Die Frage, die noch gar nicht beantwortet wurde: Warum eigentlich Longpapers als Merchandise? »Als in den 2000ern immer noch irgendwelche Leute Visitenkarten mit sich trugen und einem ungefragt in die Hand drückten, wurden die Karten vornehmlich als Filter für Joints benutzt. Lange bevor einem wieder einfiel, dass man sich die Nummer tatsächlich aufschreiben wollte. Wir wollten halt konsequent sein und liefern die nötigen Utensilien für die nächste After-After-Hour gleich mit.«


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