Mr Bongo Records – 10 Essentials

31.03.2017
Mr Bongo legt seit über einem Jahrzehnt rare Schätze aus fernen Ländern neu auf. Gar nicht so einfach, da den Überblick zu bewahren. Deshalb haben wir für euch die zehn wichtigsten Releases des Labels zusammengestellt.

Es muss ein Heureka-Moment gewesen sein, damals in den Neunzigern im Londoner Plattenladen Mr Bongo, als jemand mit der Idee kam selbst Reissues herauszubringen. Der Laden war eine der wichtigsten Anlaufstellen für die damals so beliebten südamerikanischen Klänge und der Inhaber David Buttle flog regelmäßig nach Venezuela, Kuba oder New York, um sich mit Raritäten,einzudecken. Noch heute erzählt er gerne wie er damals immer kurz nach der Ankunft am Flughafen von DJs und Sammlern umringt war. Also warum die Platten nicht einfach lizensieren und hier pressen?


Ein ausführliches Interview mit Graham Luckhurst und Gareth Stephens von Mr Bongo Records könnt ihr hier nachlesen.


Einige Reissues von brasilianischen und lateinamerikanischen Raritäten später sind sie in einem Geschäft, das bis heute läuft. In Zahlen: 25 Jahre nach der Gründung hat Mr Bongo alleine 141 Alben veröffentlicht, sowohl Reissues und Compilations als auch neue Musik. Hinzu kommen über 40 12inches und hunderte 7inches – über 60 alleine im Rahmen der Brazil45-Serie – von CDs gar nicht erst anzufangen. Doch bei aller Leidenschaft sind natürlich nicht alle Reissues gleich. In manchen steckt unheimlich viel Zeit, unheimlich viel Arbeit oder einfach eine gute Geschichte. Im Rahmen unseres Interviews haben wir die Kings of the Bongo Graham Luckhurst und Gareth Stephens nach ihren Lieblings-Releases des Labels gefragt und unseren eigenen Senf hinzugegegeben. Diese zehn essenziellen Releases sind dabei herausgekommen, bitte schön!

Arthur Verocai
Arthur Verocai
Mr Bongo • 1972 • ab 22.99€
Zur Review
Das erste und einzige Soloalbum des legendären brasilianischen Komponisten Arthur Verocai ist wahrscheinlich die bekannteste brasilianische Rarität auf dieser Liste und sowieso überhaupt. »Arthur Verocai« gehört höchstwahrscheinlich zu den Lieblingsalben deiner Lieblingsdigger (vorausgesetzt zu ihnen gehören Madlib, J Dilla oder Egon). Alleine der Track »Na Boca Do Sol« wurde von so verschiedenen Charakteren wie Ludacris, MF Doom, Snoop Dogg oder Curren$y (3 Mal!) gesamplet. ###CITI: Mit dem Geld wurde Côrtes Chemotherapie bezahlt und ein legales Reissue in die Wege geleitet.:### Das begehrte Album kostet im Original mittlerweile abertausende Euros (wie so ziemlich alles, was brasilianisch und selten ist) und wurde schon mehrfach neu aufgelegt. Allerdings war Mr Bongos Reissue von 2016 das erste, das mit Zugriff auf die originalen Master Tapes entstanden ist. Und nicht nur Discogs-Kommentatoren sind sich einig, dass es sich hierbei um die definitive Version des Klassikers handelt. Wie schon Producer House Shoes in diesem absolut sehenswerten Video von Vinyl Factory zum Release sagt: »Don’t Sleep!«

Lula Cortes E Ze Ramalho
Paebiru
Mr Bongo • 2008 • ab 14.99€
Das psychedelisch rockige Folk-Album gilt als eines der rarsten und meist gesuchten Alben Brasiliens, denn ein Großteil der gepressten Exemplare wurden vor der Veröffentlichung wegen einer Überflutung des Lagerhauses zerstört. Die wenigen im Umlauf befindlichen Platten werden für vierstellige Beträge verkauft, wie sollte es sonst sein. 2005 erschien ein Bootleg über Shadoks Music und gemeinsam mit Lula Côrtes verklagte Mr Bongo das Label auf Schadensersatz, erhielt Recht und mehrere zehntausend Euro. Mit dem Geld wurde Côrtes Chemotherapie bezahlt und ein legales Reissue in die Wege geleitet. Solche Geschichten schreibt nur die Reissue-Kultur.

Incredible Bongo Band
Bongo Rock
Mr Bongo • 1973 • ab 22.99€
Wenn man schon Mr Bongo heißt, dann sollte man sich auch nicht lumpen lassen, die wohl bekannteste »Bongo«-Platte neu aufzulegen – ganz davon abgesehen, dass die millionenfach gesamplete Scheibe vielleicht nicht unheimlich rar, aber umso unerschwinglicher ist. Die Incredible Bongo Band gab es tatsächlich gar nicht, sondern nur einen Haufen Studio-Musiker um Pride, dem Billo-Platten-Ableger des Riesenkonzerns MGM. Wenn gerade niemand im Studio war, nahm Labelchef Michael Viner mit einigen Musikern funky Cover von bekannten Hits auf und schuf damit »Bongo Rock« – ein Album, das so eng mit der Geburt von HipHop verknüpft ist wie sonst kaum eines. Hauptsächlich liegt das natürlich an »Apache«, dem legendärsten aller legendären Breaks, dessen Entdeckung dem New Yorker DJ Kool Herc angerechnet wird. Dass der Rest des Albums auch unglaublich ist, muss man wohl kaum sagen. Wer sich der Geschichte hinter dem Album intensiver widmen möchte, dem sei der Film »Sample This« über Michael Viner, seine »Bongo Band« und »Apache« ans Herz gelegt.

»KM 110« von Hareton Salvanini ist eine ultra-rare, privat gepresste 7inch, von der 150 Exemplare 1971 an die Besucher eines Theaterstücks verteilt wurden. Es ist ohne Zweifel eine der seltensten brasilianischen Singles und dazu klingt sie auch noch fantastisch. »Das erste Mal als ich KM 110 von Hareton Salvanini hörte, konnte ich es nicht glauben«, erinnert sich Graham Luckhurst. »Eine fantastische Platte, die der von Arthur Verocai ähnelt«. Ein unbeschädigtes Exemplar für die Reissue aufzutreiben entpuppte sich allerdings als Problem, am Ende erhielt David Buttle Post aus Brasilien – einen einfachen, ungesicherten Umschlag, in dem die Single glücklicherweise sicher ankam, wie er in seinem Interview mit Crate Diggers erzählt. Luckhurst ist immer noch dankbar für den Tip: »Floating Points und Ed Motta haben mir die Platte gezeigt und Gilles Peterson hatte auch eine, aber hat sie glaube ich mit Floating Points getauscht, gegen… ein Auto vielleicht?«_

Ebo Taylor
Ebo Taylor
Mr Bongo • 1977 • ab 22.99€
Als Afrobeat in den 00er Jahren eine bis heute anhaltende Renaissance erlebte, rückten großartige, alte Künstler wie Mulatu Astatke, Tony Allen und Ebo Taylor ins Rampenlicht. Das ist schön, schließlich wird ihre bahnbrechende Musik mehr Leuten zugänglich und die alten Herren können nochmal die Welt auf Tour bereisen. Mr Bongo taten und tun ihren Beitrag zur dieser Renaissance, zum Beispiel mit dem ersten Reissue der Ebo Taylors LP »Ebo Taylor« von 1977 (nicht zu verwechseln mit der Strut-Compilation mit ähnlichem Cover). Auch hier setzen die Londoner auf ihre bewährte Replika-Formel und beleben regelmäßig ghanaische Highlife-Klassiker zum Leben. Mittlerweile sind drei weitere von Taylors Alben neu erschienen.

Labi Siffre
Remember My Song
Mr Bongo • 1975 • ab 22.99€
Wie viele rare Platten, die in überlebensgroßen Hits gesamplet wurden, ist »Remember My Song« von Labi Siffre im Original gesucht und teuer. Doch das fünfte Album des Soul-Sängers ist viel größer als die legendäre Bassline von Eminems »My Name Is«, an der sich auch Jay-Z und Method Man gemeinsam mit RZA und Shaquille O’Neal (Golden Era!) versucht haben. Neben einigen Soul-Balladen findet sich zum Beispiel das knüppelharte »The Vulture« oder der funky Pop-Hit »Turn On Your Love«. Für Mr Bongo ist es vielleicht nicht wichtig, eine Platte als erste neu aufzulegen – bei dieser dürften sie sich aber sicherlich gefreut haben.

V.A.
Mr Bongo Record Club Volume 1
Mr Bongo • 2016 • ab 22.99€
Gute Compilations sind ein essenzieller Bestandteil von Mr Bongos Labelidentität. Die neue Serie »Mr Bongo Record Club« ist allerdings ein Novum für das Label. Der »Record Club« ist eine monatliche Radiosendung und die Compilationreihe soll die Tracks vereinen, die bei eben dieser Sendung und den regelmäßigen DJ-gigs des Mr Bongo DJ-Teams am besten funktionieren. Der DJ-freundliche Mix von Rare Groove Dauerbrennern und unentdeckten Obskuritäten liest sich mit Hareton Salvaninis »KM 110« oder »Jesus Christo« von Claudia fast wie ein Best Of Mr Bongo. Nur fast, natürlich.


Hier entlang zu den Schallplatten von Mr Bongo Records bei hhv.de.


»Krishnanda« von Pedro Santos ist der Vinyl gewordene Traum eines jeden Diggers. Orchestrales abgedrehtes Album von 1968, Check. Brasilianisch, Check. Unglaubliches Cover, Check. Unheimlich rar und teuer, versteht sich von selbst. Die letzte Originalpressung tauchte 2013 auf und ging für knapp 1700 Euro über die digitale Ladentheke. Mittlerweile gibt es ein (ausverkauftes) Bootleg und das brasilianische Original-Label Polysom hat eine Reissue herausgebracht. Bei Mr Bongo wollten sie diesen brasilianischen Gral um jeden Preis lizensieren, schlicht weil sie so viel Liebe für dieses Album übrig haben. Für Graham Luckhurst war es »die Einführung in diese psychedelische Musik aus dem Nord-Osten Brasiliens. Einfach eine unglaubliche Platte, ich habe nie etwas Vergleichbares gehört«_.

Dass christliche Musik besser ist/ war als ihr Ruf, beweisen Digger seit Jahren auf Compilations und Mixes obskurer Juwelen, die sich zwischen Chören und Schlager finden lassen. Die brasilianische Sängerin Claudia produzierte in den Siebzigern einige solcher Juwelen auf einigen mäßig erfolgreichen, heute schwer gesuchten Alben. Ihre Tracks »Jesus Christo« und »Ossain«, die Mr Bongo im Rahmen ihrer Brazil 45s Serie herausbrachten, waren für Graham Luckhurst eine schon fast religiöse »Offenbarung«_ und illustriere wunderbar, was die DJ-freundlichen 7inch-Serien von Mr Bongo leisten können. Nämlich zwei Knaller-Tracks von schwer zu findenden Platten laut abgemischt und DJ-freundlich zugänglich zu machen.

Terry Callier
Alive
Mr Bongo • 2001 • ab 15.99€
Die Bongos besonders für Reissues und Compilations bekannt, veröffentlichen aber auch Musik von kontemporären Künstlern. Insbesondere bei Reggae und Dancehall hat sich Mr Bongo durch Releases von Prince Fatty, Mungo’s Hi-Fi oder Hollie Cook zu einer treibenden Kraft gemausert. Ein ganz besonderer Künstler, der auf Mr Bongo seine neue Musik veröffentlicht, ist Terry Callier. Der 1945 geborene Jazz-, Soul- und Folk-Gitarrist und –Sänger beendete sein erstes Album 1965 und konnte schon auf eine erfüllte und lange Musikkarriere zurückblicken, als er Ende der Neunziger begann, neues Material aufzunehmen. Zwischen 2001 und seinem Tod 2012 veröffentlichte er fünf Alben über Mr Bongo, von denen »Alive« das erste war. Terry Callier die Möglichkeit zu geben, diese Alben zu veröffentlichen , zählt Labelgründer David Buttle zu Mr Bongos größten Errungenschaften


Ein ausführliches Interview mit Graham Luckhurst und Gareth Stephens von Mr Bongo Records könnt ihr hier nachlesen.
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