Mouse On Mars sind Andi Thoma und Jan St. Werner. Mouse On Mars ist ein 21 Jahre altes Electronica-Duo, das sich an der Schnittstelle von Avantgarde und Clubkultur bewegt. Mouse On Mars ist ein disziplinäres Medienprojekt. Mouse On Mars sind der mit einem fünfmal gebrochenen Beat polternde Beweis, dass Kreativität Grenzen anerkennen und sie trotzdem ignorieren kann. Ach, das alles trifft es nur bedingt. Es ist so gut wie unmöglich, Mouse On Mars in einem Satz zusammenzufassen oder zu verschubladen.
Genrhopper feiern Geburtstag
Über zwei Jahrzehnte haben der Düsseldorfer Andi Thoma und der Kölner Jan St. Werner noch jede Brücke geschlagen. Ob nun die zwischen klassischer Konzerthalle und Dancefloor, bildender Kunst und Klang, Konzept und Spaß. Haben seit ihren deep-dubbigen Anfangstagen noch jedes Genre durch den Mixer gezogen, vorzugsweise alle davon in unter vier Minuten. Haben Literatur vertont und sind als kulturelle Botschafter durch die Welt gereist. Haben Alben angekündigt und sie solange verschoben, bis noch jede Wellenform die richtige Anzahl von Ecken und Kanten aufwies.
Jetzt feiern Mouse On Mars ihren 21. Geburtstag. Sie könnten sich in diversen Bundesländern als Bürgermeister wählen lassen, auf der nächsten USA-Tour unbehelligt ihr Backstage-Bierchen zischen oder sich einfach mal ausruhen. Stattdessen aber veröffentlichen sie ein neues Album mit insgesamt 30 Tracks und feierten zwei Tage im Berliner Hebbel am Ufer. Ein bisschen sich selbst und ihre Wegbegleiter, von denen 21 auch auf »21 Again« zu hören sind. Vor allem aber die Musik und das Drumherum. Was im Falle von Mouse On Mars bekanntlich eine Menge ist.
Willkommen im Mouse On Mars-Kosmos
Vom eigens kreierten Food-Programm über einen Pop-Store des Kölner Plattenladens A-Musik bis hin zu den Konzerten und DJ-Sets in den beiden Spielstätten des Hebbel am Ufer (HAU) las sich das Programm des 21 AGAIN Festivals wie ein Who-Is-Who des erweiterten Mouse On Mars-Kosmos: Oval, Schlammpeitziger, Errorsmith, Laetitia Sadier und andere spielten live oder legten Platten auf, das Video zum Song »Lost And Found« mit Eric D. Clarke wurde erstmals präsentiert und gleich drei selten aufgeführte Großprojekte wurden iszeniert.
Den Anfang machte am Freitagabend Jan St. Werners Komposition »Lumio«, die von prozessiertem Luftballonquietschen eröffnet, mit klassischem Instrumentarium fortgeführt wurde und hier mal auf Iannis Xenakis oder dort auf Krzysztof Penderecki zu verweisen schien. All die Drones und kreischigen Glissandi waren aber nicht ohne Pop-Appeal. Das macht Mouse On Mars eben aus: Die Avantgarde macht bei ihnen Spaß. So auch der Auftritt mit dem einst bei Battles spielenden Gitarristen und Vokalisten Tyondai Braxton sowie Simon Moritz Geists »Sonic Robots«-Projekt. Vor dem gigantischen Nachbau einer Roland TR-808 Drummachine, die als Setzkasten diverse automatisch gespielte Schlagwerkzeuge beheimatete, präsentierte das Quartett mit seinen Hilfsrobotern eine funkensprühende Interpretation von Terry Rileys 50 Jahre altem Klassiker der Minimal Music »In C« und verfolgten deren Traditionslinien in die Gegenwart nach. Hier eine Proto-Acid-Line von Tyondai Braxton, dort ein paar verzerrte Vocals von Jan St. Werner und zum Schluss ein pluckernder Technobeat von Andi Thoma, der dem pulsierenden Stück viel Drive verlieh.
Muscheln wurden geblasen, Luft wurde zerschnitten
Das 2011 aufgeführte »Paeanumnion« war am Samstag zum erst zweiten Mal in Berlin zu erleben. Unter den zackigen Bewegungen des Dirigenten André de Ridder performten Mouse On Mars gemeinsam mit dem Ensemble Musikfabrik ein abwechslungsreiches Stück, das auf unnachahmliche Art seinen Stifterfiguren Tribut zollte: Mal wuchtig wie Igor Strawinsky oder herrlich verschlungen wie Philip Glass, mal verspielt wie eine John Cage-Komposition. Muscheln wurden geblasen, die Streichersektion baute einen Groove, indem sie mit ihren Bögen die Luft zerschnitt und das Schlagzeug rotierte mit Mouse On Mars‘ Bleep- und Bass-Attacken um die Wette. Kein Wunder, dass sich das entrückte Grinsen der Orchestermitglieder im Publikum spiegelte.
»Das hier ist die Zukunft!«, hatte Jan St. Werner noch am ersten Abend trocken auf die Frage von Chris Sharp vom Londoner Barbican, welche Sorgen und Hoffnungen Mouse On Mars für das Kommende mit sich herumtragen, geantwortet. »Alles ist gut.« Solange Mouse On Mars weiterhin schwer zu fassen bleiben und vor Ideen über sprudeln wie an diesen zwei Abenden, stimmt das zweifellos.